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      Lise Gast

      Josi und ihre Freunde

      Drei Romane für Mädchen

      Saga

      Josi und ihre Freunde

      © 1964 Lise Gast

      Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen

      All rights reserved

      ISBN: 9788711509647

      1. Ebook-Auflage, 2016

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com – a part of Egmont, www.egmont.com

Josi und ihre Freunde

      Josi stand am Fenster des D-Zuges, der soeben zu bremsen begann. Sie trug ein Kostüm, ihr erstes, und mußte sich beständig in den Fensterscheiben spiegeln, während ihr dunkles Haar im Zugwind flatterte. Ob Ulrich an der Bahn sein würde? Kein Mensch auf der Welt konnte ermessen, wie wichtig das war. Wie jeden Tag mit Ulrich und Leo und Helga zusammenzusein...

      Josi zog, ohne es zu wissen, wie stets ihre Himmelfahrtsnase ein wenig kraus, wenn sie an Helga dachte. Helga war die Tochter vom Gut, etwas älter als Josi, und hatte ungefähr alles, was man sich wünschen konnte, nur keine Geschwister. Dafür hatte sie, Josi, sieben, und war Nummer acht. Als Helga ein gutes Abitur machte – sie waren alle vier zusammen in die Kreisstadt zur höheren Schule geradelt –, war es für Josi klar, daß sie das auch schaffen müßte. Sie schaffte es dann auch. Und jetzt hatte es die kleine Josi Fischer tatsächlich durchgesetzt, daß sie auch studieren durfte. Sport wollte sie studieren, und dazu – sie mußte noch mit Ulrich reden. Nun würden sie sich wieder jeden Tag sehen. So war es damals gewesen; da verging kein Tag, an dem sie nicht in der Revierförsterei auftauchte. Frau Gieseking, Ulrichs Mutter, pflegte zu sagen, wenn man sie fragte, wieviel Kinder sie habe: „Drei. Zwei Jungen und ein Mädchen.“ Das Mädchen war Josi. Sie gehörte in die Försterei mehr als ins Inspektorhaus. Und deshalb waren die Jahre, in denen Ulrich und Leo fort waren, ein bißchen einsam gewesen. Jetzt aber fing das Leben wieder richtig an. Ob Ulrich...

      Aber es war ein anderes Gesicht, das auftauchte, als Josi aus dem Zug gesprungen war, und nicht Ulrichs, sondern eine andere Stimme rief: „Ja, Josi, da bist du ja. Wunderbar!“

      Sie war nicht enttäuscht. Sie kam gar nicht dazu, es zu sein – Leo sah großartig aus, und er hakte sich sofort bei ihr ein.

      „Bist du noch größer geworden?“ Sie reichte ihm kaum bis zur Schulter. „Nein, ein Taxi, du bist ja verrückt!“

      „Nur heute, dir zu Ehren. Komm, ich traute mich gar nicht, dich hier heil über die Straße zu bringen zu Fuß!“

      Das Gewühl vor dem Hauptbahnhof war freilich verwirrend. München – Großstadt – Universitätsstadt – sie schnurrten dem Stachus zu.

      „Du mußt gleich alles kennenlernen. Ich hab’ zu Ulrich gesagt...“

      „Wo ist er denn?“ fragte Josi und versuchte zu kapieren, was er ihr zeigte. Da hielt der Wagen schon wieder.

      „Ulrich? Kommt gleich. Helga hat noch Kolleg“, berichtete Leo beim Aussteigen. „Sie sind sicherlich gleich da.“

      Er bugsierte Josi durch ein gemütliches kleines Lokal zu einem Fenstertisch. Draußen flutete der Verkehr vorbei, gegenüber lag das Rathaus. Und dann kamen Ulrich und Helga.

      Ulrich war größer als sein Bruder, wirkte aber zarter. Er hatte ein etwas unregelmäßiges Gesicht mit gescheiten dunklen Augen und auch dunkles Haar. Leos Haar krauste sich, hellbraun, in kurzen eigensinnigen Locken über der breiten Stirn.

      Josi war glücklich. Die andern fragten nach zu Hause, und sie erzählte. Sie hatte natürlich ein Päckchen für sie alle mit, von Frau Gieseking – „sicherlich Waffeln“ –, und viele, viele Grüße. Und die Lotte hatte gekalbt, ein Kuhkalb, braun mit winziger Blesse.

      Auch für Helga brachte sie Grüße mit. Die saß am Fenster in der blassen Herbstsonne, vornehm, still und schön. Ein bißchen blaß, fand Leo, als sein Blick von den strahlenden Farben Josis zu ihr hinüberging. Wahrscheinlich arbeitete sie zuviel.

      „Wo wohnen wir denn?“ fragte Josi.

      „In der Leopoldstraße, ziemlich weit draußen, aber trotzdem enorm günstig. Die Uni zu Fuß zu erreichen, ringsumher Schwabing, für dich haben wir ein Zimmer erwischt.“ Die Zugehfrau, die alle betreute, sei ganz groß, erzählte er. Früh machte sie Waldlauf im Englischen Garten, und abends braute sie Schnäpse; und dichten tat sie auch. Wie Ulrich.

      „Ach, laß doch den Unsinn!“ sagte der ärgerlich.

      „Na, natürlich, du dichtest ganz anders...“

      „Hast du was Neues fertig?“ fragte Josi begierig.

      Ulrich winkte ab. Er konnte es nicht leiden, wenn man darüber sprach, obwohl sie alle nicht spotteten. Alle – ob auch Helga glaubte, daß etwas Großes aus ihm werden würde? Nie wurde man aus ihr klug, und sie sollte, gerade sie sollte doch...

      „Ich hab’ noch zu arbeiten“, sagte er plötzlich in Leos Pläne für den Abend hinein, „geht doch allein. Ich...“

      „Aber Ulrich! Du hattest doch gesagt... Helga, sag du mal...“

      „Ich möchte auch noch was tun“, sagte Helga. Leo wütete.

      „Dann geh’ ich mit Josi allein. Sie hat das Recht drauf, daß wir ihr die Stadt zeigen, an ihrem ersten Tag hier!“

      Die andern gaben nach. Man beschloß: Theater.

      „Kann ich denn so gehen?“ fragte Josi schüchtern. Ihr herrliches Kostüm kam ihr gegen die Eleganz der Großstadt und Helgas Pelzjacke plötzlich sehr simpel vor. Sie dachte an ausgeschnittene Abendkleider und blitzende Diamanten im Foyer.

      „Klar, wir gehen doch Galerie“, sagte Leo beruhigend. Er brachte Josis Koffer heim, und die andern gingen voran ins „Kleine Theater“. Es war ein modernes Stück und schwer zu verstehen, und schon im zweiten Akt sank Josis Kopf nach vorn. Immerhin war sie nach einer vor Vorfreude fast schlaflosen Nacht seit dem Morgen unterwegs. Leo lachte. Mochte sie schlafen.

      Als sie heimkamen, war Josi wieder munter, so munter, daß ihr unmöglich schien, schlafen zu können. Ihr Zimmer war kalt, die Koffer standen noch so, wie Leo sie hingeboxt hatte. Helgas Zimmer lag nebenan, das der Jungen einen Stock tiefer.

      Auf dem Tisch türmten sich bald Bücher, Taschenbücher, von Mutter liebevoll zusammengebunden, und sonst allerlei. Endlich fand Josi die Waffeln, auf die die Jungen lauerten.

      „So, nun brausen wir ab; wenn was ist, klopfst du auf den Fußboden, dann komme ich als rettender Engel heraufgeschwebt.“

      „Was soll denn schon sein? Aber es beruhigt mich kolossal!“ Josi lachte. Die Jungen schoben ab, auch Helga, die sich erst geweigert hatte, ihren Anteil Waffeln anzunehmen. Josi ging umher, räumte ein, setzte sich schließlich auf die Bettkante und zündete sich eine Zigarette an. Sie rauchte sonst nie, fand nichts daran, aber wie oft hatte sie sich ausgemalt: Wenn ich erst Studentin bin und eine Bude hab’, dann rauche ich vor dem Schlafengehen eine Zigarette. Es war also eine symbolische Handlung. So tat sie es mit Genuß.

      Draußen war Mondschein. Unten, im selben Haus, schlief Ulrich. Sie war glücklich. Als die Zigarette zu Ende war, konnte sie getrost ins Bett schlüpfen. Sie drehte das Nachttischlämpchen an: Da lag ihr Waffelanteil, auf ein Stück Papier geschichtet. Es duftete herrlich nach Butter und Zimt. Sie kuschelte sich ins Bett und griff nach der obersten Waffel, ließ sie genießerisch auf der Zunge zergehen. Dabei dachte sie an die Küche im Forsthaus von Frau Gieseking...

      Zu gern war sie dort immer gewesen. An einen Nachmittag erinnerte sie sich besonders genau, im letzten oder vorletzten Jahr, als die Jungen noch

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