Скачать книгу

weckte ein mulmiges Gefühl – Perry Rhodan höchstpersönlich?

      »Immerhin geht es um unser Leben«, ergänzte sie ernst.

      »Das beurteile ich genauso!«, betonte Derowia, den die automatische Lichtsteuerung als Einzigen seit Beginn seines Vortrags anleuchtete. »Auch ohne es derart übertrieben zu betonen. Was soll das sein, Anzu? Sarkasmus? Ironie?«

      Langsam zog sie die Hand zurück. Glutflüssiges Rot tanzte über den Fingernägeln. Es gefiel ihr. Vielleicht sollte sie mit diesem Effekt als dauerhaftem Look experimentieren. »Ja, das ist für manchen schwer auseinanderzuhalten.«

      Sie grinste ihr bestes Grinsen, das ihr in Bars immer wieder Gratiscocktails einbrachte. Das hatte sie von ihrem ersten Freund gelernt, einem Ekel, von dem sie sich mehr als zwei Jahre hatte ausnutzen lassen. Das einzig sinnvolle Überbleibsel aus dieser Beziehung war ebenjenes Grinsen. Keine gute Bilanz für eine so lange Zeitspanne.

      »Aber um zum eigentlichen Punkt zu kommen«, sagte sie, »ich gehe mit auf die bevorstehende Mission, um euch den Hintern zu retten, sobald es zu einem Problem kommt. Das kann ich auch ohne diese Show hier.«

      Marek Derowia – schmal, feingliedrig, knapp 40 Jahre alt und rein äußerlich eher ein Künstlertyp als ein seriöser Geologe – ging zwei Schritte rückwärts und ließ sich mit einem Seufzen in den dort bereitstehenden Sessel fallen. Seine Klamotten waren bunter als bunt: eine leuchtend rote Hose, ein grellgelbes Hemd, ein dunkelblaues Tuch um Stirn und Haare gewickelt.

      Anzus Meinung nach hätte jeder andere darin lächerlich gewirkt, doch dem Geologen stand es auf seltsame, undefinierbare Art. Er wirkte fast elegant.

      Aber nur fast. Ihm fehlte das gewisse Etwas.

      »Show«, sagte Derowia. »So beurteilst du also unser Treffen? Ich versuche hier, Informationen zu vermitteln, die euch das Leben retten können!« Nach kurzem Zögern fügte er hinzu: »Außerdem bist du Transmittertechnikerin, keine Superheldin. Benimm dich entsprechend!«

      »Es geht mir nur um deine Präsentation«, stellte Anzu Gotjian klar. »Das ganze Holo-Gezauber. Nichts für ungut, Marek, ich meine es nicht böse. Und ich stelle deine Kompetenz keineswegs infrage. Du weißt ungefähr eine Million Mal mehr über den inneren Aufbau der Erde als ich.«

      »Und ich wollte den Faktor auf ... sagen wir ... etwa tausend senken. Aber gut, legen wir erst mal eine Pause ein.« Er schnippte mit den Fingern, und das Holo verschwand, das seit einigen Minuten den glutflüssigen Erdkern gezeigt hatte, umgeben von Erdmantel und Erdkruste.

      Kurz glühte das Rot in der Luft nach, ein wenig wie der Widerschein eines langsam erlöschenden Lagerfeuers. Nur der Geruch nach Rauch und schwelendem Holz fehlte; und die angenehme Wärme.

      Anzu mochte Lagerfeuer, auch wenn sie bereits eine gefühlte Ewigkeit lang an keinem mehr gesessen hatte. War es zuletzt in der Nacht vor ihrem Eintritt in die Flotte gewesen? Oder nein, bei ihrem Besuch auf dem Mars, am Stadtrand von Skiaparelli, als sie diese süßen Wurzeln in der Glut gebraten hatten, die die Yura am Flussufer zogen. Der berauschende Rauch hatte sie ...

      Das Licht ging an, und der Anblick der anderen riss sie aus den Gedanken.

      Ihr wurde wieder bewusst, wie viele sie waren – ein gerade noch überschaubares Team. Zwölf Personen, falls man dieses Vieh als Person ansehen wollte. Einen Eigennamen trug es jedenfalls: Phylax. Das Raubtier war angeblich friedlich, solange dieser Mutant bei ihm war, Donn Yaradua. Phylax war ein ... wie lautete gleich die Bezeichnung? Okrall? Okrim? Anzu erinnerte sich nicht exakt daran. Schwer genug, sich die Namen all ihrer Teamkollegen zu merken.

      Einige kannte sie schon länger, etwa die beiden Konstrukteure des Irrsinns-Fahrzeugs, das sie in die Tiefen der Erde bringen sollte: des Gäonautikums. Genauer gesagt, des zweiten Modells dieser Baureihe, die PERSEPHONE. Das waren der Terraner Ribu Ziskowski – Zis – und der Arkonide Stouk da Thortun, der sich irgendwelche Spitznamen verbot. Sie nannte ihn Toddy.

      Und wer hätte von Nasree LeGuin noch nicht gehört, der Hyperfunkspezialistin, die es irgendwie geschafft hatte, in sämtlichen Trivid-Shows aufzutreten? Und das nur, weil man ihr einfach stundenlang zuhören konnte, egal wie trocken das Gebiet war, über das sie gerade dozierte. Hätte sie dieses Briefing zum inneren Aufbau der Erde gehalten, wäre es spannend gewesen – Entschuldigung, Marek Derowia, aber so sah es eben aus.

      Die Übrigen waren ihr fremd, ungefähr so, als stammten sie aus einem anderen Universum. Was ja gewissermaßen sogar zutraf, obwohl es sich eigentlich um die zweite Hälfte des Dyoversums handelte. Kein Paralleluniversum, kein Fremduniversum, sondern – soweit Anzu es verstanden hatte – ein Zwilling, der in einem gemeinsamen Urknall entstanden war. Die alte Heimat der Erde und der Menschheit.

      Allerdings sehr alt.

      Jahrhundertealt.

      Generationenalt.

      Zu alt für ihren Geschmack.

      Anzus ferne Vorfahren mochten von dort stammen, ja ... aber einen Bezug hatte sie trotzdem nicht dazu. Das spielte jedoch für ihren Auftrag keine Rolle. Sie war nicht zu diesem Treffen gekommen, um über Begriffe wie Heimat zu philosophieren, sondern um während des bevorstehenden Vorstoßes in die Tiefen der Erde die Transmittertechnologie zu überwachen und zu bedienen. Nicht mehr und nicht weniger.

      Egal, ob unter den Teilnehmern eine Legende wie Perry Rhodan war.

      Seltsam, ihn zu sehen. Natürlich kannte sie Geschichten von ihm, aber nun müsste sie nur aufstehen und ein paar Schritte gehen, um ihn anfassen zu können.

      Vielleicht sollte sie das später tun, nach dem Vortrag, beim geselligen Beisammensein. Sie konnte das Büfett schon riechen. Im Hotel Großadministrator kochte man angeblich sehr lecker.

      Das Gebäude jedenfalls war vom Feinsten. Genau wie dieser Besprechungsraum in der untersten Etage – im Boden gab es immer wieder Glasflächen, durch die man nach unten ins Freie sah. Also auf wellenbewegtes Wasser, denn das Hotel stand auf Pfeilern im Meer, dicht am Ufer. Allzu lange sollte man nicht hinsehen, sonst wurde man seekrank.

      Sonst bestand der Fußboden aus Echtholzparkett oder der perfektesten Nachbildung, die Anzu je gesehen hätte. Die Wände waren in dezentem Blau gehalten und von filigranen Efeuranken bewachsen, die in edlen Tontöpfen wurzelten. Etliche Sessel verteilten sich im großzügig bemessenen Raum. Fenster gab es keine, die sehr angenehme Helligkeit sickerte aus unsichtbaren Quellen scheinbar direkt aus der Decke.

      Anzus Blick blieb an Rhodan hängen. Ihrer Meinung nach sah er eher unauffällig aus, und so verhielt er sich: Er saß still, ja gelassen, in einem Sessel, das rechte Bein über das linke geschlagen. Eine Hand lag auf dem Oberschenkel, die andere auf der Sessellehne. Er lächelte kaum merklich.

      Sie hätte ihn sich bis vor etwa einer Stunde – lag es erst so kurz zurück, dass Marek Derowia mit seinem endlosen Vortrag angefangen hatte? – eher als eine Art General vorgestellt. Als jemanden, der in einem Fall wie diesem den inneren Aufbau der Erde höchstpersönlich an einer Tafel skizzierte und mit dem Zeigefinger auf die einzelnen Schichten tippte, während er sie benannte und die Spezifika sowie ihre Möglichkeiten und vor allem die potenziellen Gefahren auflistete.

      Stattdessen drehte er sich nun zu dieser Frau um, Farye Sepheroa. Seiner Enkelin. Sie sagte etwas zu ihm; Anzu stand zu weit weg, um es verstehen zu können. Rhodan lachte. Donn Yaradua trat zu Farye und verhakte seine Finger in ihre. Sie waren offensichtlich ein Paar.

      Was für eine Szene! War Rhodan etwa eher Familienmensch als General?

      Oder beides?

      Anzu war gespannt darauf, wie er sich im Einsatz verhielt, sobald der Tauchgang mit dem Gäonautikum begann, hinab in die Tiefen der Erde, zu einem Ziel, über das – auf den Punkt gebracht – niemand etwas wusste.

      Es galt, Neuland zu entdecken, und um das zu erreichen, musste man nicht einmal zu den Sternen fliegen.

      Ad Astra? Nein, in diesem Fall wohl eher Ad Centrum. Natürlich sollte die Reise nicht bis zum tatsächlichen Mittelpunkt der Erde gehen; es wäre schlicht nicht möglich. Das Gäonautikum

Скачать книгу