Скачать книгу

Wo­gen Wi­der­stand zu leis­ten.

      Es war jetzt ein Uhr nachts, und wäh­rend schwe­re Wol­ken die Dun­kel­heit noch ver­schlim­mer­ten, ent­fes­sel­te sich der Or­kan zur schlimms­ten Wut. Die Yacht flog da­hin, als wäre sie völ­lig in Was­ser ein­ge­taucht. Scharf drang dann und wann der Schrei ei­nes Sturm­vo­gels durch die Luft. Von de­ren Er­schei­nen konn­te man je­doch kei­nes­wegs auf die Nähe ei­nes Lan­des schlie­ßen, denn man be­geg­net den­sel­ben oft meh­re­re hun­dert See­mei­len von der nächs­ten Küs­te. Üb­ri­gens au­ßer­stan­de, ge­gen den Sturm auf­zu­kom­men, folg­ten die Vö­gel die­sem viel­mehr eben­so wie der Scho­ner, des­sen Schnel­lig­keit kei­ne mensch­li­che Kraft zu hem­men ver­mocht hät­te.

      Eine Stun­de spä­ter hör­te man an Bord wie­der et­was zer­rei­ßen. Der Rest des Fock­se­gels war in Stücke ge­gan­gen und die Lein­wand­fet­zen flat­ter­ten gleich rie­si­gen Mö­wen durch die Luft.

      »Nun ha­ben wir kein Se­gel mehr«, rief Do­ni­phan, »und ein an­de­res zu set­zen ist ganz un­mög­lich.«

      »Tut nichts!« ant­wor­te­te Bri­ant. »Ver­lass dich dar­auf, dass wir doch noch eben­so schnell vor­wärts kom­men.«

      »Eine schö­ne Ant­wort!« er­wi­der­te Do­ni­phan. »Wenn das dei­ne Art und Wei­se zu ma­nö­vrie­ren ist …«

      »Ach­tung auf die Wel­len von rück­wärts!« un­ter­brach ihn Moko. »Fest­ge­hal­ten oder wir wer­den weg­ge­schwemmt …«

      Er hat­te den Satz kaum be­en­det, als meh­re­re Ton­nen Was­ser über das Back­bord her­ein­stürz­ten. Bri­ant, Do­ni­phan und Gor­don wur­den ge­gen die Trep­pen­kap­pe ge­schleu­dert, wo sie sich zum Glück noch an­klam­mern konn­ten. Der Schiffs­jun­ge da­ge­gen war ver­schwun­den mit der Was­ser­mas­se, wel­che sich in bro­deln­dem Schwall von hin­ten nach vor­ne über den »Sloug­hi« er­goss und da­bei einen Teil des Mast­wer­kes, die bei­den Boo­te und die Jol­le — ob­wohl die­se ganz her­ein­ge­holt wa­ren — so­wie meh­re­re Schiffs­bal­ken und das Kom­pass­häus­chen mit fort­riss. Da je­doch gleich­zei­tig die Schanz­klei­dung stre­cken­wei­se zer­stört war, konn­te das Was­ser schnell wie­der ab­flie­ßen, was die Yacht vor dem Un­ter­gan­ge durch die­se un­ge­heu­re Über­las­tung be­wahr­te.

      »Moko …! Moko!« rief Bri­ant, so­bald er wie­der ein Wort spre­chen konn­te.

      »Ist er etwa ins Meer ge­schleu­dert wor­den?« frag­te Do­ni­phan.

      »Nein; doch man sieht und hört nichts von ihm«, er­klär­te Gor­don, der sich über die Re­ling hin­aus­ge­beugt hat­te.

      »Wir müs­sen ihn ret­ten — ihm eine Ret­tungs­bo­je oder Stri­cke zu­wer­fen!« ant­wor­te­te Bri­ant.

      Und mit lau­ter Stim­me, wel­che wäh­rend ei­ni­ger ru­hi­ge­rer Se­kun­den kräf­tig wi­der­hall­te, rief er noch ein­mal:

      »Moko …! Moko.«

      »Hier­her …! Zu Hil­fe!« er­klang die Ant­wort des klei­nen Ne­gers.

      »Er liegt nicht im Meer«, sag­te Gor­don. »Sei­ne Stim­me kommt vom Vor­der­teil des Scho­ners her.«

      »Ich wer­de ihn ret­ten!« rief Bri­ant.

      Noch ein­mal hör­te er die Stim­me des Jun­gen, dann war al­les still.

      Mit größ­ter An­stren­gung war es Bri­ant ge­lun­gen, die Trep­pen­kap­pe des Volks­lo­gis zu er­rei­chen.

      Er rief laut …

      Kei­ne Ant­wort.

      War Moko etwa durch eine neue hef­ti­ge Schiffs­be­we­gung über Bord ge­schleu­dert wor­den, nach­dem er den letz­ten Schrei aus­ge­sto­ßen? In die­sem Fall muss­te der un­glück­li­che Bur­sche schon weit von ih­nen, weit hin­ter dem Win­de trei­ben, denn die Wel­len­be­we­gung konn­te ihn nicht mit glei­cher Schnel­lig­keit wie der Sturm den Scho­ner mit fort­ge­tra­gen ha­ben; dann war er ver­lo­ren …

      Der Schiffs­jun­ge war es, halb ein­ge­klemmt zwi­schen die an der Spit­ze zu­sam­men­lau­fen­de Schanz­klei­dung. Ein His­stau, das er mit al­ler Kraft von sich ab­zu­drän­gen such­te, schnür­te ihm den Hals zu. Erst zu­rück­ge­hal­ten durch die­ses His­stau, als die ge­wal­ti­ge Woge ihn weg­spül­te, war er jetzt nahe dar­an, durch das­sel­be er­würgt zu wer­den.

      Bri­ant riss sein Mes­ser her­aus, und nicht ohne Mühe ge­lang es ihm, das Hanftau, wel­ches den Schiffs­jun­gen fest­hielt, zu durch­schnei­den.

      Moko wur­de nach dem Hin­ter­teil zu­rück­ge­führt.

      »Dan­ke, Herr Bri­ant, dan­ke!« sag­te er, so­bald er die Spra­che wie­der­er­langt hat­te.

      Dann nahm er sei­nen Platz am Steu­er­rad wie­der ein, und alle vier ban­den sich fest, um ge­gen die Was­ser­ber­ge, wel­che sich hin­ter dem »Sloug­hi« auf­türm­ten, ge­si­chert zu sein.

      Ent­ge­gen der An­nah­me Bri­ants hat­te sich die Ge­schwin­dig­keit der Yacht doch et­was ver­min­dert, seit­dem vom Fock­se­gel gar nichts mehr üb­rig war — und dar­in lag eine neue Ge­fahr. Die jetzt schnel­ler als jene lau­fen­den Wel­len­ber­ge konn­ten über das Hin­ter­teil her­ein­bre­chen und sie mit Was­ser an­fül­len. Doch war da­ge­gen nichts zu tun und je­den­falls an das Auf­his­sen ei­nes Se­gels gar nicht zu den­ken.

      Auf der süd­li­chen Halb­ku­gel der Erde ent­spricht der März dem Mo­nat Sep­tem­ber auf der nörd­li­chen, und die Näch­te sind noch nicht zu lang. Da es jetzt um die vier­te Mor­gen­stun­de war, konn­te es nicht mehr lan­ge wäh­ren, bis der Ho­ri­zont im Os­ten, also in der Rich­tung, nach der der »Sloug­hi« ge­trie­ben wur­de, sich auf­hel­len muss­te. Vi­el­leicht nahm die Ge­walt des Stur­mes mit an­bre­chen­dem Tage et­was ab. Vi­el­leicht kam auch ein Land in Sicht und das Los die­ser Kin­der­ge­sell­schaft ent­schied sich bin­nen we­ni­gen Mi­nu­ten. Wir wer­den das er­fah­ren, wenn das Mor­gen­rot erst die Tie­fen des Him­mels färbt.

      Ge­gen vier­ein­halb Uhr glitt ein schwa­cher Licht­schein bis zum Ze­nit em­por. Un­glück­li­cher­wei­se be­schränk­te der Dunst in der Luft den Ge­sichts­kreis auf kaum eine Vier­tel­mei­le. Man fühl­te es fast, dass die Wol­ken mit un­ge­heu­rer Schnel­lig­keit da­hin­eil­ten. Der Or­kan hat­te nichts an Kraft ver­lo­ren, und weit hin­aus ver­schwand das Meer un­ter dem Schaum der sich über­stür­zen­den Wo­gen­käm­me. Kam der Scho­ner in ho­ri­zon­ta­le Lage mit die­sen, so wäre er, der jetzt ein­mal auf dem Schei­tel ei­ner Wel­le tanz­te und dann in das Tal der­sel­ben hin­un­ter­ge­stürzt wur­de, wohl zwan­zig­mal ge­ken­tert.

      Die vier Kna­ben be­trach­te­ten un­ver­wandt das Cha­os der durch­ein­an­der wir­beln­den Flu­ten. Sie ahn­ten wohl, dass ihre Lage, wenn das Meer sich nicht bald be­ru­hig­te, eine ver­zwei­fel­te

Скачать книгу