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Reiterferien mit Anja und Petra. Lise Gast
Читать онлайн.Название Reiterferien mit Anja und Petra
Год выпуска 0
isbn 9788711509951
Автор произведения Lise Gast
Издательство Bookwire
„Nur – ich dachte, wenn wir zu Fuß kommen, fährt uns Stine vielleicht mit dem Ponywagen zurück oder doch wenigstens ein Stück. Ich würde sehr gern mal Ponywagen fahren.“
„O Vater, ich auch!“
Da hatte er doch wahrhaftig wieder einmal gewonnen. Anja hätte es eigentlich wissen müssen – Vater mit seiner Ruhe und seinem verschmitzten Humor schaffte es immer. Sie lief hinaus zu Petra. Und Petra war natürlich einverstanden.
Es wurde ein schöner Marsch. Vater kannte viele der Lieder, die Anja und Petra liebten, und sie sangen immer alle Verse durch. So merkten sie auch nicht, wie weit der Weg war. In den Ackerfurchen lag noch alter Schnee, aber die Luft roch nach Frühling. Schließlich kamen sie an die Unterführung, durch die sie damals gefahren waren, nicht ohne Angst, daß es gutgehen, daß kein Zug kommen und die Ponys scheuen lassen würde. Es kam dann eine Lok, aber die war schnell vorbei, und sie hatten die Unterführung auch schon ein Stück hinter sich. Sie erzählten Vater das alles und malten ihm jede Kleinigkeit aus. Und dann waren sie auf der großen Straße, die überquert werden mußte, und bogen in den schmalen Weg ein, der zum Seehof führte.
„Siehst du den Brunnen, da rechts?“ fragten sie aufgeregt. „Und dort, das ist die Scheune. Und in dem Haus links wohnen die Ferienkinder, wenn welche da sind.“ Anja und Petra nahmen sich gegenseitig das Wort aus dem Mund. Nun waren sie endlich da.
Ja, und da standen auch schon ein paar von den Hauptbewohnern des Gestüts, ein paar Rösser. Stine züchtete vor allem Welsh-Ponys, die etwas größer als Shettys, aber kleiner als Großpferde sind. Rechts, am Brunnen, war der Boden gepflastert, damit man nicht im Matsch stehen mußte, dahinter konnte man eine dicke Ouerstange sehen. Dort wurden die Pferde und Ponys angebunden, wenn man sie sattelte oder absattelte, wenn man sie im Sommer wusch oder wenn sie, wie jetzt, auf den Schmied warteten. Der Schmied war nämlich da. Er hatte seinen kleinen tragbaren Ofen, der vor sich hin fauchte, neben sich stehen und paßte gerade ein glühend gemachtes Eisen auf den Huf des Pferdes, dessen Bein Stine angewinkelt festhielt. Es zischte, qualmte, stank – aber es war ein wundervoller Gestank, nach verbranntem Horn, so beißend, daß man es nie vergaß. Viele Leute, die in ihrer Kindheit mit Pferden zu tun hatten und sich darum rissen, „aufhalten“ zu dürfen, verdrehten noch als Erwachsene die Augen, wenn sie etwas Ähnliches rochen. „Wie in der Schmiede“, sagten sie, und wer es nicht kannte, schüttelte verständnislos den Kopf. Vater schüttelte ihn nicht, sondern sog den Geruch mit Genuß ein.
„Herrlich, ja, so muß es riechen. Guten Tag, wir dürfen doch zusehen?“ Sie waren alle drei an Stine und den Schmied herangetreten. Stine sah aus ihrer gebückten Stellung hoch und lachte.
„Ach, Petra und Anja, die beiden Hochzeitspagen. Grüß euch! Und euren Vater habt ihr mitgebracht?“
Stine sah wieder aus, daß den beiden das Herz hüpfte vor Bewunderung und Begeisterung: Stiefel, alte Reithosen, ein kariertes Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln, ein verrutschtes Kopftuch auf dem kurzen Haar, im Gesicht schwarz geschmiert wie des Teufels rußige Großmutter.
,So möchte ich auch aussehen dürfen‘, dachte Anja. ,Immer heißt es: Wasch dich und ziehe dich ordentlich an!‘ Dabei war es bei Stine nicht nachlässig, sondern ,richtig‘. Stine war richtig, wie sie zufaßte, ruhig und trotzdem fest, und wie sie Vater zulachte.
Aufhalten ist keine leichte Sache, aber das wußte Anja noch nicht. Schmiede, heutzutage sehr gefragte Leute, sind sehr streng. Man darf ein einmal gefaßtes Pferdebein nicht wieder loslassen, wenn das Pferd anfängt zu schlagen, sonst macht es das beim nächstenmal von Anfang an. Da gilt es oft, Stöße oder Schläge einzustecken, und immer muß man die Ruhe behalten. Dieses Pferd hier stand wie eine Eins, brav und geduldig. Der Schmied lobte es auch. Dann aber –
„Komm, bring mir den Ramses, da steht er, er muß ausgeschnitten werden“, sagte Stine, sich aufrichtend, zu Petra, „und du, Anja, bring die Kachel weg. Sie kann auf die Hausweide dort drüben.“ Sie deutete mit der Hand in die Richtung. „Und nun endlich: Guten Tag!“ Damit gab sie Vater die Hand. „Sie verstehen, wir müssen erst einmal dranbleiben, wenn unser Hochverehrter hier ist.“ Sie blinzelte dem Schmied zu. Der lachte.
„Die beiden noch? Und nur ausschneiden? Das dauert keine Ewigkeit mehr.“
Petra hatte Ramses, das eine Hengstfohlen, das an der Querstange stand, schon losgebunden und führte es her. Anja ging mit Kachel – das war ein Spitzname – hinüber zur Weide. Vater blieb stehen und sah zu, wie Ramses erstmals das Abenteuer Schmied bestand.
Nicht sehr pannenlos, das mußte man zugeben. Zwar war Stine immer darauf bedacht, jedes Fohlen an das so nötige Fußgeben zu gewöhnen, manches aber gewöhnte sich nur langsam oder auch gar nicht. Es gibt Pferde, die nie schmiedefromm werden, wie man es nennt. Und Ramses schien zu diesen zu gehören. Er trat aufgeregt hin und her, wollte keins seiner Beine heben, feuerte aus und stieg. Stine versuchte es auf jede erdenkliche Weise, sprach mit ihm, streichelte ihn, hob immer und immer wieder einen Vorderhuf auf – Ramses aber zitterte und zeigte das Weiße im Auge. Schließlich trat Petra hinzu, hob auf Stines zustimmenden Blick hin eins der Hinterbeine an, ein wenig nur, Stine versuchte es wieder vorn. Der kleine Hengst, nun auf zwei diagonal stehenden Füßen balancierend, konnte sich nicht mehr recht wehren, denn er riskierte es umzufallen. Petra stemmte mit der Schulter gegen – richtig, jetzt hielt er endlich still. Der Schmied hatte sein Messer schon parat, er fuhr damit um den Rand des Hufes, dann in die Mitte hinein, schnipselte, rundete.
„Jetzt den anderen“, befahl er. Stine setzte ab, auch Petra, und nun ging es an den nächsten Huf. Diesmal hielt Ramses eher still, er hatte ja gemerkt, daß es nicht weh tat. Mißtrauisch war er noch immer, warf den Kopf, schlug einmal, als sie wechselten, Stine unters Kinn, so daß ihr ein heftiger und nicht sehr salonfähiger Fluch entfuhr, dann aber war der eine und endlich auch der andere Hinterhuf behandelt. Aufseufzend ließen sie beide los. Der Schmied richtete sich auf, fuhr mit dem Ärmel über das schweißnasse Gesicht und machte ein Zeichen: „Der nächste!“
Vater hatte den andern kleinen Hengst schon abgebunden und führte ihn dem Schmied zu. Petra stand auf der Lauer. Nun war auch Anja wieder da und wartete gespannt.
Diesmal ging es leichter. Der kleine Hengst gab den ersten, dann den zweiten Fuß – Petra brauchte gar nicht in Aktion zu treten. Auch bei den Hinterhufen klappte es einigermaßen. Stine bekam zwar noch einen Schlag, war aber geschickt ausgewichen, so daß er sie nur streifte.
„Danke, das wär’s für heute“, sagte sie abschließend. Der Schmied nickte ihr zu und begann, seine Habseligkeiten einzusammeln.
„Ist mir lieb, daß wir nicht weitermachen. Ich hab’ heute meinen Buben nicht mit, der liegt zu Hause mit Grippe im Bett. Zu anderen Leuten wäre ich ohne ihn überhaupt nicht gekommen, aber bei Ihnen weiß man ja, daß Sie zufassen.“ Er sah Stine an. „An Ihnen ist ein guter Hufschmied verlorengegangen.“
„Danke für das Kompliment!“ Stine lachte. Der Schmied bestieg sein Auto und brummte davon, und Stine führte mit Vater das zweite Hengstfohlen seiner Box zu. Sie öffneten die Tür und schoben es hinein, richtiger: sie wollten es hineinschieben, das brave Tier aber schien plötzlich von seiner Tugend verlassen zu sein. Es senkte den Kopf, schlüpfte zwischen Vater und Stine durch und raste über den Hof mit triumphierend gehobenem Schweif. Anja, die nichts ahnend herangeschlendert kam, wurde einfach umgerissen. Sie lag auf der Erde, ehe sie begriff, was los war. Und dann sah man nur noch das davonspringende junge Pferd.
„Dann geht es eben auf die Weide zu den anderen“, sagte Stine ungerührt, „schieb mal das Querholz dort beiseite, Petra. Geht‘s? Das zweite auch. Und jetzt – warten Sie, ich laufe – bleiben Sie hier und sperren Sie ab!“ Stine hatte sich bereits hinter das jetzt still stehende junge Pferd gemogelt. Petra lauerte mit ausgebreiteten Armen, Anja hatte sich längst aufgerappelt und sperrte die dritte Seite ab. Der kleine Hengst sah sich umgeben von freundlich auf ihn einsprechenden, sacht scheuchenden Menschen. Willig ging er ein paar Schritte auf das Koppeltor zu, noch ein paar –
„So, den hätten wir“, sagte Petra und schob die obere Stange wieder in ihre Halterung, während Anja