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ein Brunnen stand. Er plätscherte vor sich hin, richtig romantisch. Links und rechts lagen kleine alte Fachwerkhäuser, gegenüber eine Scheune. An der rankte sich Wein empor. Drei Hunde standen auf dem Hof und sahen ihnen entgegen: ein Basset, niedrig, lang, schwarzbraunweiß gefleckt, ein kohlschwarzer Riesenschnauzer und einer, dessen Rasse Petra nicht feststellen konnte. Vielleicht war sie überhaupt nicht festzustellen, auch von Kennern nicht, besser: von Kennern erst recht nicht. Der große schwarze Schnauzer fing jetzt an zu bellen, tief, grollend. Petra und Anja sprangen vom Rad und blieben stehen.

      Aus dem linken Fachwerkhaus ertönte jetzt ein „Tina, hierher!“, und der Schwarze verstummte. Eine junge Frau trat in die offene Tür, in Jeans und einem bunten Hemd, und winkte den beiden.

      „Kommt, sie tut euch nichts, wenn ich dabei bin.“

      Petra und Anja folgten. Die Frau führte sie in eine niedrige Küche, und die Hunde folgten. Die Küche war holzgetäfelt und richtig gemütlich, fanden die beiden Mädchen sofort. Am Tisch saß ein kleiner Junge und blies Blockflöte, immerzu dieselbe Zeile einer Melodie, die sie auch kannten; ein anderer kroch auf der Erde einer Katze nach, ein Gipsbein hinter sich herziehend. Der dritte hatte eine Trillerpfeife im Gang, die einem in die Ohren gellte. Tina murrte und grollte noch, und auf dem Herd zischte es. Die ganze Küche roch nach Birnen und Zimt, herbstlich süß, und nach Pferden. Der Hausherr, ein junger Mann mit dunklem Haar und freundlichem Gesicht, stand am Tisch und versuchte mit einem Brotmesser eine Schraube an einem Türschloß zu lösen.

      „Warum nimmst du nicht den Schraubenzieher?“ fragte seine Frau, und er antwortete friedlich:

      „Weil ich ihn nicht finde, Stine, mein Goldkind.“

      Petra mußte lachen. Sie wußte, wie sehr sich ihr Vater immer ärgerte, wenn jemand sich erfrecht hatte, an sein Handwerkszeug zu gehen. Lag das nicht genau an seinem vorbestimmten Platz, so gab es ein furchtbares Donnerwetter ...

      „Warte, hier. Ich hatte –“ Stine griff hinter sich und reichte ihm dann einen Schraubenzieher, der in einer Pellkartoffel gesteckt hatte, die dampfend in einem Topf auf dem Herd standen. „Ich wollte sehen, ob sie gar sind.“

      „Danke. Ja, so geht’s besser. Und was möchte unser lieber Besuch?“

      „Wir möchten – wir haben angerufen“, schoß Petra los, „wir haben Sie mal vierspännig fahren sehen, mit dem Pferdeschlitten – mit Ponys –“

      „Ach so.“ Holle, damit war Stines Mann gemeint, legte die Schraube auf den Tisch und das Türschloß daneben. „Ich weiß. Stine, diese beiden jungen Damen möchten eine andere junge Dame vierspännig zur Hochzeit fahren.“

      „Hoffentlich auch einen jungen Herrn dabei“, sagte Stine vergnügt. „Wo, wann, wen?“

      Petra berichtete, und Anja gab immer einmal ein Wort oder einen Satzteil dazu. Hier waren sie richtig, merkten beide schnell, hier würden sie mit ihrem Wunsch Verständnis finden. Das junge Ehepaar mit den drei kleinen Jungen schien daran gewöhnt zu sein, daß man sie um merkwürdige Dinge bat, die die Ponys betrafen, und Stine stellte den Topf mit den Kartoffeln erst einmal zum Abkühlen vors Fenster. Sie sagte:

      „Kommt! Ihr wollt doch sicherlich die Ponys sehen.“

      Anja und Petra nickten begeistert. Der älteste der drei kleinen Jungen, Johannes, genannt Jo, legte die Flöte weg und Moritz, der Trillerpfeifer, sein Lärminstrument ebenfalls. Da schrie auch der mit der Katze, Thomas, der jüngste, er wolle mit. Petra angelte ihn unterm Tisch hervor und nahm ihn auf den Arm. Himmel, war das Gipsbein schwer!

      „Du kannst ihn noch nicht tragen“, mahnte Stine.

      „Wohl kann ich!“ eiferte Petra, ihn hochhievend, „ich hab’ auch einen kleinen Bruder zu Hause, den ich manchmal rumschleppen muß, auch ohne Gipsbein ist der schwer –“

      Stine lachte und half ihr, den Kleinen auf den Rücken zu nehmen.

      „Huckepack mag es gehen, ja, so. Nun kommt. Die Ponys sind auf der Koppel, sie müssen sowieso rein. Wir haben sie im Elektrozaun, und der muß umgesetzt werden.“

      „Wir helfen!“ sagten Anja und Petra sofort. Sie gingen über den Hofplatz an einem niedrigen selbstgebauten Stall entlang und dann einen schmalen Weg, der zum Wald führte. Nach etwa achthundert Metern sahen sie die Ponys von weitem auf einer Wiese stehen. Da rannte auch Petra mit ihrem Gipsbein-Jungen auf dem Rücken los. Wer kann schon langsam gehen, wenn er eine Herde winziger Ponys sieht, dick bebuscht, die Nasen sofort wendend, als sie Menschen und Hunde kommen hörten.

      „Nein, so was Hübsches! So was Nettes! Nein, sind die süß!“ rief Anja, und Stine begann sogleich Namen zu nennen und Eigenschaften aufzuzählen: Lettchen war die älteste, dreiundzwanzig Jahre alt, aber beim Ziehen noch fleißig und vorbildlich; Erie, der kleine Schimmel, manchmal frech und im Geschirr etwas faul, aber gut zum Reiten; Nikolo, jener Scheck, noch jung und eben erst eingefahren; Peuke zuverlässig unterm Reiter und unermüdlich. Der Stolz der Herde, der weiße Hengst Winnetou, stand ein wenig abseits und beobachtete seine Herde mit ruhiger Würde. Dann gab es noch ein paar Halbwüchsige, zwei Jährlinge und zwei Zweijährige.

      „Dürfen wir sie reinführen?“ fragten Petra und Anja wie aus einem Munde.

      „Führen? Wir reiten sie immer rein“, antwortete Jo ein wenig von oben herab, „oder wollt ihr lieber nicht?“

      Und ob sie wollten! Stine lachte zwar und warnte sie.

      „Sobald ich den Zaun aufmache, gibt’s ein großes Wettrennen nach Hause, wo sie Kraftfutter und Lecksteine vermuten. Traut ihr euch zu, oben zu bleiben? Reiten tut ihr doch, im Reitverein, sagte Holle. Also?“

      „Auf einem Pony hab’ ich noch nie gesessen“, gab Anja zu, „aber schwieriger als Pferde sind sie doch sicherlich nicht, oder?“ Sie wollte natürlich unter gar keinen Umständen zurückstehen. Petra hatte schon auf kleinen Pferden gesessen, wie sie sagte.

      „Galopp ist doch leicht. Wenn sie wirklich sofort angaloppieren –“

      „Das tun sie, darauf könnt ihr euch verlassen. Also, wer nimmt wen?“

      „Ich die Erie, bitte, bitte –“

      „Ich den Peuke –“

      „Ich –“ schrien die kleinen Jungen durcheinander und hopsten an Stine hoch. Die nahm Petra erst einmal den kleinen Gipsbeinigen vom Rücken. Aber der schrie Protest und zappelte und wollte auch reiten.

      „Also, Augenblick. Ich schalte zunächst den Strom aus.“ Stine ging an den Zaun, wo die Batterie stand und sich am Draht ein Griff befand, knipste an dem Kasten und fühlte dann am Draht.

      „So, in Ordnung. Nun rauf auf eure Rösser. Jo, du nimmst am besten Winnetou, mit dem können die andern nicht.“ Jo war schon unterm Draht durchgeschlüpft und beim Hengst angelangt. Wupp, saß er drauf.

      „Und Mo den Nikolo –“

      „Ja, reitet ihr denn ohne Zügel?“ fragte Anja etwas perplex. Daß man diese kleinen Pferde nicht sattelte, hatte sie erwartet, aber ohne Zügel – da wußte man doch gar nicht, wohin sie liefen.

      „Die laufen zum Stall, unter Garantie!“ Stine lachte. „Festhalten muß man sich an der Mähne. Dazu hat der liebe Gott sie ja wachsen lassen.“

      Ja, wenn man die Mähnen der kleinen Pferde mit denen der großen verglich, dann konnte man allerdings sagen: Hut ab! Das waren dicke, meist nach beiden Seiten herabhängende Mähnen, struppig und ein wenig gewellt, hart anzufassen. Stine war seitlich über den Zaun gesprungen, ging zu Peuke, einem breiten kleinen Sommerrappen ... und faßte ihn vorn an seinem dicken Schopf. „So, steh schön, mein Dicker, und du steig auf. Auf so einen kommst du auch ohne Bügel“, sagte sie freundlich zu Anja, „ich halt’ ihn solange.“

      Petra hatte sich bereits eiligst, als habe sie Angst, daß doch noch ein Nein kommen könnte, auf den Scheck geschwungen. Moritz sprang gerade auf Lettchen. Da gab sich Anja einen Ruck und stemmte sich – komme, was wolle – auf Peuke. Natürlich kommt man auf ein so kleines

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