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mir einen Grautrist vor“, raunte Laurus Flora zu, und Flora merkte, wie es ihr ganz unheimlich im Nacken kribbelte.

      Der nächste Tag war genauso sonnig und warm, wie es die vorigen gewesen waren. Am liebsten hätte Flora nur noch im Fluss gebadet, aber stattdessen musste sie in die Schule gehen. Doch zum Glück hatte Frau Boswelia heute für ihre Klasse eine Überraschung zu verkünden. „Morgen werden wir einen großen Klassenausflug machen. Über drei Tage!“, begann sie und wurde gleich vom Jubel der Hexenschüler überstimmt. Alle liebten Ausflüge.

      Frau Boswelia wartete lächelnd und erzählte dann weiter. „Wir übernachten im Freien und schwimmen in Seen und werden ein anderes Hexendorf besichtigen. Das Dorf der Gauklerhexen. Ich dachte mir aber, es wäre gut, wenn es kein Flug wird, sondern eine Wanderung. Wir werden nur zu Fuß unterwegs sein!“ Frau Boswelia strahlte ihre Klasse an. Aber nun war bloß ein Murren die Antwort.

      „Warum nicht fliegen?“, maulte Majoranus, der Sohn des Zeitungsmachers. Und bald nörgelten immer mehr Kinder. Warum sollten sie alle zu Fuß gehen, wo sie doch Besen hatten? Und dann auch noch die Rucksäcke schleppen! Wie anstrengend!

      „Ihr sitzt ohnehin alle viel zu viel auf euren Besen“, wandte Frau Boswelia ein. „Ich habe gestern noch mit der Heilerin Anemona Floribunda gesprochen. Sie meinte auch, ihr solltet mal nur zu Fuß unterwegs sein. So eine Wanderung ist ein gutes Training für die Beine und die Ausdauer.“

      Flora rutschte unbehaglich auf ihrem Stuhl herum. Was hatte sich Mama denn da einmischen müssen?

      „Na super, das war also die Idee von deiner Mutter“, murrte Majoranus Flora prompt an.

      „Packt nur so viel ein, wie ihr unbedingt braucht“, riet Frau Boswelia. „Hier ist eine Liste mit Dingen, die jeder von euch mitnehmen sollte. Die Zauberstäbe bleiben, ebenso wie die Besen, zu Hause. Wir werden drei Tage lang ‚zauberstabfasten‘. Das heißt, es wird nichts gehext, sondern alles selbst gemacht. Morgen früh, pünktlich um acht, treffen wir uns und wandern los. Übrigens wird uns die dritte Klasse der Helfenschule begleiten.“

      Am Nachmittag flog Flora gleich in den Birkenwald, um Hille zu suchen. Die kleine Helfe saß in einer Birkenblattschaukel und sang mit ihrer rauen Stimme ein fröhliches Lied. Hille schien äußerst guter Laune zu sein.

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      „Ich freue mich so auf den Klassenausflug!“, verkündete sie gleich. „Nur dass es für uns Hexenkinder kein Ausflug, sondern eine Wanderung zu Fuß sein wird“, meinte Flora und rollte mit den Augen.

      „Das ist doch gut“, fand Hille. „Dann können wir Helfen wenigstens mit euch Schritt halten. Also, ich meine, wir würden ja niemals nachkommen, wenn ihr auf euren Besen unterwegs wäret.“

      Das sah Flora ein. Sie fand es großartig, dass Hille auch dabei sein würde. Die nächsten Tage würde sie Tag und Nacht mit ihren besten Freunden zusammen sein! Wenn sie daran dachte, wurde sie ganz zappelig. Vor Freude hob sie Hille aus ihrer Schaukel, setzte sie auf ihre Schulter und machte dann einen rasend schnellen Flitzeflug über den ganzen Birkenwald. Hille krallte sich an Floras Haar fest und kreischte vor Vergnügen.

      Oh, wie Flora sich jetzt auf morgen freute!

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      Ausflug ohne Besen

      Es war Punkt acht und alle Kinder der dritten Klasse hatten sich auf dem Schulhof eingefunden. Niemand war zu spät gekommen und das gestrige Gemurre wegen der Besen war verflogen. Alle waren guter Laune. Mit vollgestopften Rucksäcken wanderten sie los. Frau Boswelia ging voran und Herr Sambucus, der Kunstlehrer, bildete das Schlusslicht.

      Die Sonne kam erst hinter den Hügeln hervor und so war es noch angenehm kühl. Trotzdem fand Flora es ungewohnt und anstrengend, zu Fuß laufen zu müssen. Noch dazu mit einem schweren Rucksack. Bei der ersten Flussbiegung kam ihnen die dritte Klasse aus der Helfenschule entgegen. Wie ein geschäftiger Schwarm Bienen schwirrten die Helfenjungen und -mädchen auf die Hexen zu. Sie hatten ebenfalls Rucksäcke dabei, die sie sich auf den Bauch geschnallt hatten. So konnten sie besser fliegen. Hille flatterte gleich zu Flora, Malte und Laurus und sie begrüßten sich stürmisch. Dann ging es gemeinsam weiter.

      Kurz vor dem Efeuwald rief Frau Boswlia schließlich: „Wir machen eine Pause!“

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      „Zu nahe am Wald lassen wir uns aber lieber nicht nieder“, empfahl Herr Sambucus.

      „Weil es im Efeuwald spukt“, ergänzte Salvia, ein Mädchen aus Floras Klasse. Mit einem beunruhigten Blick auf die dichten Tannen ließ sie ihren Rucksack vom Rücken gleiten und kramte dann zögernd ihren Proviant hervor.

      Die anderen Kinder taten es ihr gleich. Herr Sambucus breitete ein riesiges Tuch aus und alle ließen sich darauf nieder.

      „Hat es im Efeuwald immer schon gespukt?“, wollte Borrago wissen. Er war ein Junge, der Schauergeschichten über alles liebte.

      „Nein“, antwortete Frau Boswelia. „Früher war es ein ganz normaler Wald. Aber vor etwa fünfzig Jahren hat es dort zu spuken begonnen. Schlimme Dinge sind hier passiert. Leute sind verschwunden und nie wieder aufgetaucht. In Vollmondnächten hört man jämmerliches Winseln aus dem Wald.“

      Nun meldete sich Majoranus und erzählte, dass er einmal durch den Efeuwald geflogen wäre und es hätten ihn schreckliche, riesenhafte Untiere angefallen. „Sie hatten Zähne, so lang wie die Paddel von einem Ruderboot, und sie stießen schreckliche, röhrende Laute aus. Mit ihren riesigen Pranken haben sie mich einfach durch die Luft geschleudert.“

      Flora, Malte, Hille und Laurus tauschten belustigte Blicke aus. Im Efeuwald gab es keine Untiere. Für die ganzen Gruselgeschichten, die sich die Hexenrosler seit Jahren erzählten, waren ganz allein die niedlichen Feuxe verantwortlich: freche Moosmännchen, die den Efeuwald bewachten. Sie waren es auch gewesen, die versucht hatten, Majoranus ein bisschen Angst einzujagen. Aber die Feuxe hatten weder lange Zähne noch hatten sie Majoranus durch die Luft geschleudert. Nur ein bisschen gekitzelt hatten sie ihn und ihm die Augen verbunden, damit er sie nicht sehen konnte. Flora schmunzelte. Majoranus ließ doch wirklich keine Gelegenheit aus, sich bei den anderen wichtig zu machen.

      In diesem Augenblick ging ein heftiges Rauschen durch den Efeuwald und eine tiefe Stimme war zu hören. „Verschwindet-det, sonst wird es euch schlecht ergehen-ehen!“ Die Bäume bogen sich alle zur einen Seite und dann zur anderen, obwohl gar kein Wind ging. Dann war ein Jammern und Heulen zu hören. Es klang abscheulich!

      „Es spukt!“, riefen alle Kinder aufgeregt durcheinander. „Nichts wie weg hier!“ Hektisch fingen alle an, ihre Sachen zusammenzupacken. Herr Sambucus und Frau Boswelia trieben die Kinder zur Eile an.

      Flora, Laurus und Malte war es nur recht, wenn alle an den Spuk glaubten. So konnten sie sicher sein, dass das Versteck ihres Geheimbundes im Efeuwald weiterhin unentdeckt bleiben würde. Wie stellten es diese kleinen Feuxe nur an, so unheimlich zu klingen? Wahrscheinlich heulten sie in den hohlen Stamm des mächtigen Baumes hinein, der in der Mitte des Efeuwaldes wuchs.

      Die Sonne stand hoch am Himmel, als die Schüler mit ihren Lehrern ein kleines Hexendorf erreichten. Es bestand aus Holzhäusern, die um einen Weiher erbaut waren. Rings um das Dorf breiteten sich Kürbis- und Maisfelder aus und überall wucherten bunte Blumen aus den Blumenkästen. Fast aus jedem Haus erklang fröhliche Musik.

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      „Das ist das Dorf der Gauklerhexen“, erklärte Frau Boswelia. „Die Leute hier lieben Musik und Tanz und alle Arten von Kunststücken.

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