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gibt es dort drüben eine Bucht, in die ein Dreimaster gesegelt ist“, berichtete er Ben Brighton, der gerade dem Rudergänger noch einige Anweisungen gegeben hatte. „Offenbar liegt dort eine Ansiedlung, denn ich sehe neben der Bucht eine Art Steilküste, auf der ein ziemlich flacher, runder Turm steht. Entweder hat der Dreimaster die Siedlung angegriffen, oder er ist selber von den Bewohnern angegriffen worden. Das wäre ja schließlich auch nichts Neues.“

      Miguel de Pereira enterte inzwischen flink den Backbordniedergang zum Achterdeck hoch.

      „Darf ich Ihr Reich betreten, Senhor Killigrew?“ fragte er artig, als er auf der obersten Stufe angelangt war.

      „Aber natürlich“, erwiderte Hasard. „Das ist schließlich kein Heiligtum.“

      Der Portugiese hatte während des Aufenterns die Worte des Seewolfs mitgehört und wurde jetzt – wie es schien – sehr von der Neugierde geplagt.

      „Gestatten Sie mir eine Frage?“ fuhr er mit buckliger Höflichkeit fort.

      Hasard atmete tief durch, ohne den Kieker vom Auge zu nehmen. „Warum fragen Sie nicht einfach?“

      „Sehr liebenswürdig, Senhor.“ Dem Portugiesen schien die erwähnte Frage schwer im Magen zu liegen, denn er knetete nervös seine Finger. „Ist – ich meine, ist vielleicht schon zu erkennen, um welche Art von Schiff es sich handelt? Und welche Farbe es hat?“

      Hasard schwieg einen Moment und verstellte die Optik noch ein klein wenig.

      „Die Konturen des Schiffes heben sich zwar noch etwas undeutlich gegen die Küste ab“, sagte er dann, „aber ich denke, Ihre Frage läßt sich schon mit ziemlicher Genauigkeit beantworten. Es ist eine dreimastige Galeone. Was die Farbe betrifft, so möchte ich behaupten, daß sie schwarz ist – jawohl, sie ist ganz schwarz gepönt.“

      Miguel de Pereira zuckte heftig zusammen.

      „Dann ist es die ‚Madre de Deus‘!“ kreischte er aufgeregt und bekreuzigte sich. „Haben Sie mich verstanden, Senhor Killigrew? Das – ist – mein – Schiff!“

      „Sie waren nicht zu überhören, mein Freund“, erwiderte Hasard mit einem Lächeln. „Außerdem funktioniert mein Gehör noch ausgezeichnet.“

       6.

      Miguel de Pereira schrie in einem derart lauten Befehlston nach seinem dürren Leidensgenossen, daß sich einige Arwenacks grinsend fragten, ob der entmachtete portugiesische Kapitän wohl das Kommando über die Schebecke übernommen hätte.

      Rafael Cegos stolperte halbblind den Niedergang zum Achterdeck hinauf und starrte seinen Kapitän aus geröteten und immer noch tränenden Augen an.

      „Zur Stelle, Senhor!“ meldete er überflüssigerweise.

      De Pereira zeigte mit ausgestrecktem Arm hinüber zur Küste. „Unser Schiff! Die ‚Madre de Deus‘! Was sagen Sie dazu, Cegos?“

      Cegos rieb sich die Augen, riß sie dann weit auf und blickte in die angezeigte Richtung.

      „O Santa Clara!“

      „Bestätigen Sie Kapitän Killigrew, daß dies unser Schiff ist!“ fügte de Pereira mit Kommandostimme hinzu.

      Hasard fiel dem aufgeregten Portugiesen ins Wort. „Aber wozu denn, Senhor de Pereira? Denken Sie, ich glaube Ihnen nicht?“

      „Beim heiligen Felipe – das ist tatsächlich die ‚Madre de Deus‘!“ murmelte Cegos und starrte wie hypnotisiert zu der Bucht, auf die die Schebecke mit achterlichem Wind zulief.

      Hasard seufzte, und bevor Cegos noch weitere Heilige männlichen oder weiblichen Geschlechts bemühen konnte, sagte er: „Dann hätten wir diesen Punkt also zu aller Zufriedenheit geklärt. Ich schlage vor, daß wir nun zur Sachlage übergehen, bevor wir auf Schußweite heran sind und uns die ersten Kugeln um die Ohren fliegen. Da die ‚Madre de Deus‘ von Meuterern übernommen wurde, dürfte klar sein, daß sie das Dorf angegriffen haben, dessen Häuser bereits am Ufer der Bucht zu erkennen sind.“

      „Daran gibt es keinen Zweifel, Senhor Killigrew“, bestätigte de Pereira eifrig. „Dieser Jorge Alameda ist ein sehr habgieriger und hinterlistiger Bursche …“

      „Außerdem scheint er von der schnellen Truppe zu sein“, unterbrach ihn Hasard. „Wenn man bedenkt, daß die Meuterei erst heute morgen stattgefunden hat, sind die Burschen mit ihrem ersten Raid ganz schön fix bei der Hand. Man könnte fast meinen, sie hätten Übung darin.“

      Miguel de Pereira zuckte fast unmerklich zusammen.

      „Was wollen Sie damit sagen, Senhor?“ Ein neugeborenes Kind hätte kein unschuldigeres Gesicht zustande bringen können als de Pereira in diesem Augenblick.

      „Ich habe lediglich festgestellt, daß die ehemaligen Mitglieder Ihrer Mannschaft sehr entschlußfreudig sind“, erwiderte Hasard mit unbewegtem Gesicht. „Kaum hatten die Meuterer Sie und Senhor Cegos über Bord geworfen, stürzten sie sich auch schon ins erste Abenteuer, so, als hätten sie es gar nicht erwarten können.“

      Während der dürre Cegos vorzog, sich aus allem rauszuhalten, räusperte sich de Pereira nachhaltig.

      „Das alles paßt zu Alameda“, erklärte er. „Es gab schon früher ständig Ärger mit ihm, und offenbar hat er es verstanden, die Mannschaft heimlich gegen mich aufzuwiegeln. Das ist ja kein Kunststück, wie Sie mir bestätigen werden, Senhor …“

      „Meinen Sie?“ unterbrach ihn Hasard. „Dann versuchen Sie das mal an Bord dieses Schiffes.“

      „Aber ich bitte Sie, Senhor Killigrew!“ entgegnete der Portugiese entrüstet. „Es gibt doch in jeder Mannschaft Leute, die mit irgend etwas unzufrieden sind. Selbst ein Koch kann es nicht jedem recht machen. Und gerade bei diesen Nörglern beginnen meiner Meinung nach die heimlichen Aufwiegler, ihren verderblichen Samen auszustreuen.“

      Der Seewolf lächelte süffisant. „Was die Köche betrifft, kann ich Ihre Meinung bestätigen. Doch finde ich, daß zwischen der Unzufriedenheit über die Verpflegung und dem Ausbruch einer Meuterei ein sehr weiter Weg liegt.“

      Der Kanonenschuß, der jetzt drüben in der Bucht krachte und irgendein Ziel am Ufer traf, das von Bord der Schebecke aus mit bloßem Auge noch nicht zu erkennen war, kam den Portugiesen sehr gelegen. Der Schuß lenkte das immer peinlicher werdende Gespräch rasch in andere Bahnen.

      „Wenn ich mich nicht getäuscht habe, wurde eins der vier großen Boote getroffen, die neben den kleineren Fischerbooten liegen“, sagte Ben Brighton, der die Vorgänge mit dem Spektiv im Auge behalten hatte.

      „Dann scheinen sie uns noch nicht bemerkt zu haben“, sagte Hasard. „Die Burschen konzentrieren sich offenbar voll auf ihr schmutziges Handwerk.“

      „Wie werden Sie im weiteren vorgehen, Senhor Killigrew?“ fragte de Pereira hastig, als wolle er verhindern, daß der Engländer an das vorausgegangene Gespräch anknüpfte.

      Der Seewolf antwortete mit einer Gegenfrage: „Was würden Sie unternehmen, wenn sie Kapitän auf unserem Schiff wären, Senhor de Pereira?“

      Der Portugiese fühlte sich geschmeichelt und hatte sofort eine Antwort parat.

      „Ich würde die ‚Madre de Deus‘ entern, sie wieder unter meinen Befehl bringen und die Meuterer der Strafe zuführen, die das Gesetz unseres Landes für solches Gesindel vorsieht: Ich würde sie samt und sonders hängen.“

      „Das hört sich, was den Ablauf der Dinge betrifft, sehr einfach an“, sagte Hasard. „Nur bleiben einige Fragen dabei ungeklärt.“

      „Und die wären?“ fragte de Pereira spitz.

      „Dem Entern geht in der Regel ein hartes Gefecht voraus, sofern sich nicht die günstige Gelegenheit bietet, den Gegner völlig zu überraschen. Danach sieht es in diesem Fall nicht aus. Bei einem Gefecht aber fliegen in der Regel die Fetzen, so daß

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