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      ULRICH H. J. KÖRTNER

       FÜR DIE VERNUNFT

      Wider Moralisierung und

       Emotionalisierung in Politik und Kirche

      Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

      © 2017 by Evangelische Verlagsanstalt GmbH · Leipzig

      E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2017

      Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.

      Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

      Cover: FRUEHBEETGRAFIK · Thomas Puschmann · Leipzig

      Satz: makena plangrafik, Leipzig

      ISBN 978-3-374-05000-0

       www.eva-leipzig.de

       VORWORT

      Immer schon waren die Sprache der Moral und die Emotionen, die sie zu wecken vermag, ein Mittel der Politik. Gegenwärtig greifen Moralisierung und Emotionalisierung in Politik und Gesellschaft jedoch in einem für die moderne Demokratie bedenklichen Ausmaß um sich. Der moralische Imperativ hat Hochkonjunktur, auch auf dem Buchmarkt. »Empört euch!«, »Entrüstet euch!«, »Entängstigt euch!« Solche Buchtitel finden reißenden Absatz. Es lebe der moralische Imperativ! Sich aus hochmoralischen Gründen empören oder entrüsten zu dürfen, verschafft ein gutes Gefühl, enthält doch der moralische Imperativ die frohe Botschaft: Wir sind die Guten! Wer dagegen wie Max Weber für die Unterscheidung – nicht Trennung! – von Politik und Moral plädiert und Politik als nüchternes Handwerk, als beharrliches Bohren dicker Bretter versteht, hat in der moralisch aufgeladenen Gegenwartsstimmung einen schweren Stand.

      Auch in den Kirchen lässt sich das Phänomen der Moralisierung beobachten. Vielerorts verbreitet ist die These, das Christentum sei in der Moderne in sein ethisches Zeitalter eingetreten. Die Umformung dogmatischer Gehalte in eine Ethikotheologie begünstigt die Gleichsetzung von Religion und Moral beziehungsweise die Reduktion des neutestamentlichen Evangeliums auf moralische Handlungsanweisungen, die in erhöhtem Ton vorgetragen werden.

      Wie es die Aufgabe der Ethik ist, vor zu viel Moral und ihren Ambivalenzen zu warnen, so ist es die Aufgabe der Theologie, die Unterscheidung zwischen Religion und Moral in Gesellschaft, Politik und Kirche bewusst zu machen – in der Sprache der reformatorischen Tradition: die Unterscheidung zwischen Gesetz und Evangelium. Diese Unterscheidung ist das Herzstück der theologischen Vernunft und fördert die politische Vernunft. Ohne theologische und politische Vernunft ineinanderfallen zu lassen, sind doch beide in ein konstruktives Verhältnis zu setzen, um der Tyrannei des moralischen Imperativs in Politik und Kirche Einhalt zu gebieten.

      Györgyi Empacher-Mili, Mag. Ulrike Swoboda, Mag. Marcus Hütter und Severin Jungwirth waren mir bei den Korrekturen behilflich. Dafür sei ihnen herzlich gedankt. Dr. Annette Weidhas danke ich für die intensiven Gespräche, die den Anstoß zu diesem Buch gegeben haben, und auch für die kritische Begleitung der Niederschrift.

      Wien, im Februar 2017

       Ulrich H. J. Körtner

       Inhalt

       Cover

       Titel

       Impressum

       Vorwort

       Willkommen im postfaktischen Zeitalter!

       Moral und Hypermoral

       Politik der Gefühle

       Re-Theologisierung der Politik

       Verlust der Zukunft

       Politische Vernunft

       Theologische Vernunft

       Öffentliche Theologie

       Gesinnung und Verantwortung

       Für Recht und Frieden sorgen

       Die Welt verschonen

       Zurück in die Zukunft

       Anmerkungen

       Weitere Bücher

       WILLKOMMEN IM POSTFAKTISCHEN ZEITALTER!

      Die politische Vernunft ist in Gefahr. Was heute als postfaktische Politik beschrieben und diskutiert wird, läuft auf die Paradoxie einer entpolitisierten Politik hinaus, in der nicht mehr die Kraft des Argumentes zählt, sondern die Macht von Emotionen und Effekten. Immer schon haben Gefühle in der Politik eine wichtige Rolle gespielt. Ohne die Kunst der Beredsamkeit, die das Argument mit Emotionen zu verbinden weiß, ist eine politische Debattenkultur nicht vorstellbar. Das lehren schon die Klassiker der Rhetorik, Gorgias, Aristoteles und natürlich vor allem Cicero. Allerdings bestand immer schon ein Unterschied zwischen Überzeugungsrede und Überredungskunst, die sich der Mittel der Verführung und der Lüge bedient. Auch über diesen Unterschied und den bisweilen schmalen Grat zwischen Überzeugen und Überreden belehren uns die Klassiker, allen voran die platonischen Dialoge, die uns Sokrates in der Auseinandersetzung mit den Sophisten zeigen. Postfaktische Politik aber bestreitet in Theorie und Praxis genau diesen Unterschied und ebnet ihn planvoll ein. Sie ist also im Grunde gar kein neuartiges Phänomen, sondern begegnet uns schon in der Antike.

      Postfaktische Politik führt zur »Niederlage des Denkens« (Alain Finkielkraut) und gefährdet mit der Vernunft die Humanität in Politik und Gesellschaft. Politische Vernunft hält es hingegen für möglich und notwendig, zwischen Wahrheit und Lüge, Fakten und Deutungen zu unterscheiden, so schwierig diese Unterscheidung im Einzelfall auch zu treffen sein mag. Sie ist nicht nur davon überzeugt, dass die Wahrheit den Menschen zumutbar ist (Ingeborg Bachmann), sondern auch davon,

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