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Ekkehard. Joseph Victor von Scheffel
Читать онлайн.Название Ekkehard
Год выпуска 0
isbn 9783966510820
Автор произведения Joseph Victor von Scheffel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
ne lâzet in uéllin.
Imo sint fûoze
fûodermâze,
imo sint búrste
ébenhó fórste.
únde zéne sîne
zwélifélnîge.«
– und war zusehends artiger, denn, wie die Griechin einmal ihren Schritt hemmte, um einer Drossel Schlag zu belauschen, hielt auch Romeias geduldig an, wiewohl ihm sonst ein Singvogel ein viel zu erbärmlich Stück Wild war, als dass er ihn großen Aufmerkens gewürdigt. Und wie Praxedis sich nach einem schönen Goldkäfer bückte, der im rötlichen Moos herumkletterte, wollte ihr Romeias dienstwillig den Käfer mit schwerbesohltem Fuß zur Hand schieben, und dass er ihn bei solcher Gelegenheit zertrat, war nicht seine Absicht.
Sie stiegen einen düstern Bergpfad hinauf; über zerklüftete Nagelfluhfelsen rann die Schwarza zu Tale. An jenem Abhang war einst der heilige Gall in die Dornen gefallen und hatte zum Begleiter, der ihn aufrichten wollte, gesprochen: Lasst mich liegen, hier soll meine Ruhe sein und mein Haus für alle Zeit! Sie waren nicht lang bergan geklommen, da kamen sie an einen freien, tannwaldumsäumten Platz. An schirmende Felswand angelehnt, stand dort eine schlichte Kapelle in Form eines Kreuzes. Nah dabei war ein viereckig Häuslein gemauert, das mit der Rückseite auch an den Fels anstieß; nur eine einzige niedere Fensteröffnung, mit einem Holzladen verschließbar, war dran zu schauen; nirgends eine Tür oder ein anderweiter Eingang, und war nicht abzusehen, wie ein Mensch in solch Gebäu Einlass finden mochte, wofern er nicht durch eine Luke im Dach von seiten der Felswand sich hinabließ. Gegenüber stand ein gleiches Gelass, so ebenfalls nur ein einziges Fensterlein hatte.
Es war ein häufiger Brauch dazumal, dass solche, die Neigung zum Mönchsleben verspürten und die sich, wie der heilige Benedikt sagt, stark genug fühlten, den Kampf mit dem Teufel ohne Beihilfe frommer Genossenschaft auf eigene Faust zu bestehen, sich in solch einen Gaden einmauern ließen. Man hieß sie Reclausi, Eingeschlossene, Klausner, und war ihre Nutzbarkeit und Lebensabsicht der der Säulenheiligen in Ägyptenland zu vergleichen; scharfer Winterswind und Schneefall machten freilich diesseits der Alpen die Absperrung in frischer Luft unmöglich, das Anachoretengelüst war nicht minder stark.
Wer hat ein härteres Los als Hartker, der Klausner, getragen,
Der in beengender Haft sich dreißig Jahre kasteite?
Immerdar stand er gebückt, so niedrig war die Bedachung,
Kissen des Kopfs war ein Stein. Auf diesem schlief und entschlief er. Und in Kreuzesgestalt die gemagerten Arme entbreitend
Wandt' er zum Himmel den Blick und befahl dem Herrn seine Seele.
In den vier engen Wänden hier auf dem Irenhügel hauste nun die Schwester Wiborad, eine vielgepriesene Klausnerin ihrer Zeit.
Sie stammte aus Klingnau im Aargau und war eine stolze, spröde Jungfrau gewesen, in mancher Kunst bewandert, und hatte von ihrem Bruder Hitto alle Psalmen lateinisch beten gelernt und war ehedem nicht abgeneigt, einem Mann sein Leben zu versüßen, wenn sie den Rechten finden mochte, aber die Blüte aargauischer Landeskraft fand keine Gnade vor ihren Augen, und sie tat eine Wallfahrt gen Rom. Und dort muss ihr unstet Gemüt durchschüttert worden sein, keiner der Zeitgenossen hat erfahren wie; – drei Tage lang rannte ihr Bruder Hitto das Forum auf und nieder, und durch die Hallen des Kolosseums und unter Konstantins Triumphbogen durch bis zum vierstirnigen Janus an der Tiber unten, und suchte seine Schwester und fand sie nicht; am Morgen des vierten Tags kam sie zum salarischen Tor herein und trug ihr Haupt hoch und ihre Augen leuchtend und sprach, es sei alles nichts auf der Welt, solang nicht dem heiligen Martinus die Ehre erwiesen werde, die seinem Verdienst gebühre.
Wie sie aber zurückkehrte in die Heimat, verschrieb sie ihr Hab und Gut der Bischofskirche zu Konstanz mit dem Bedingnis, dass die geistlichen Herren jeweils am elften jedes Herbstmonats dem heiligen Martin ein besonder Fest halten sollten; sie selber trat in ein eng Häuslein, wo die Klausnerin Zilia sich sesshaft gemacht, und führte ein klösterlich Leben. Und wie es ihr dort nimmer zuträglich war, verzog sie sich ins Tal des heiligen Gallus; der Bischof selbst gab ihr das Geleit und tat ihr den schwarzen Schleier um und führte sie an der Hand in die Zelle am Irenhügel und sprach den Segen darüber; mit der Mauerkelle tat er den ersten Schlag auf die Steine, mit denen der Eingang vermauert ward, und drückte viermal sein Siegel auf das Blei, damit sie die Fugen löteten, und schied sie von der Welt, und die Mönche sangen dazu, als würd' einer begraben, dumpf und traurig.
Die Leute ringsum aber hielten die Klausnerin hoch in Ehren; sie sei eine hartgeschmiedete Meisterin.sagten sie, und an manchem Sonntag stund Haupt an Haupt auf dem Wiesenplan, und Wiborad stund an ihrem Fensterlein und predigte ihnen, und andere Frauen siedelten sich in die Nähe und suchten bei ihr Anleitung zur Tugend.
Wir sind an Ort und Stelle, sprach Romeias. Da blickte Praxedis mit ihren Begleiterinnen um. Kein menschliches Wesen war zu sehen; verspätete Schmetterlinge und Käfer summten im Sonnenschein, und die Grille zirpte flügelwetzend im Gras. An Wiborads Zelle war der Fensterladen angelehnt, so dass nur ein schmaler Streif Sonnenlicht hineinfallen konnte. Dumpfes, langsam und halb durch die Nase gesungenes Psalmodieren tönte durch die Einsamkeit.
Romeias klopfte mit seinem Jagdspieß an den Fensterladen, der blieb, wie er war, angelehnt; das Psalmodieren tönte fort. Da sprach der Wächter: Wir müssen sie anderweitig herausklopfen!
Romeias war ein Mann von ungeschliffener Lebensart, sonst hätte er nicht getan, was er jetzt tat.
Er begann ein Lied zu singen, womit er oftmals die Klosterschüler ergötzte, wenn sie in seine Turmstube entwischten, ihn am Bart zu zupfen und mit dem großen Wächterhorn zu spielen. Es war eine jener Kantilenen, wie deren, seit dass es eine deutsche Zunge gibt, auf freier Heerstraße, an Wegscheiden und Waldecken und draus auf weiter Halde schon manches gute Tausend in den Wind gesungen und wieder verweht worden, und lautete also:
Ich weiß einen Stamm im Eichenschlag,
Der steht im grünsten Laube,
Dort lockt und lacht den ganzen Tag
Eine schöne wilde Taube.
Ich weiß einen Fels, draus schillt und schallt
Nur Krächzen und Geheule,
Dort haust fahlgrau und missgestalt
Eine heisre Schleiereule.
Des Jägers Horn bringt süßen Klang,
Des Jägers Pfeil Verderben:
Die Taube grüß ich mit Gesang,
Die Eul' muss mir ersterben!
Romeias' Lied hatte ungefähr die Wirkung, als wenn er einen Feldstein in Wiborads Laden geworfen. Alsbald erschien eine Gestalt an der viereckigen Fensteröffnung, auf hagerem Halse hob sich ein blasses, vergilbtes Frauenantlitz, in dem der Mund eine feindselige Richtung aufwärts gegen die Nase genommen; von dunklem Schleier vermummt, beugte sie sich weit aus dem Fensterlein, die Augen glänzten unheimlich. Schon wieder, Satanas? rief sie.
Da trat Romeias vor und sprach mit gemütlichem Ausdruck: Der böse Feind weiß keine so schönen Lieder wie Romeias, der Klosterwächter. Beruhigt Euch, Schwester Wiborad, ich bring ein paar feine Jungfräulein, die Herren im Kloster lassen sie Euch zu annehmlicher Unterhaltung empfohlen sein.
Hebt euch weg, ihr Truggestalten! rief die Klausnerin. Wir kennen die Schlingen, die der Versucher legt. Weichet, weichet!
Praxedis aber näherte sich der Zelle und neigte sich sittig vor der dürren Bewohnerin: sie komme nicht aus der Hölle, sondern vom hohen Twiel herüber, setzte sie ihr auseinander. Ein wenig falsch konnte das Griechenkind auch sein, denn wiewohl ihre Kenntnis von der Klause im Schwarzatal sich erst von heute herschrieb, fügte sie doch bei, sie hätte von dem auferbaulichen Wandel der Schwester Wiborad schon so viel vernommen, dass sie die erste Gelegenheit genutzt, bei ihr anzusprechen.
Da schien es, als wollten sich einige Runzeln auf Wiborads Stirn glätten.