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der Organist aus der nahen Kirche ein heiteres Pastorale erbrausen ließ.

      1642 wurden Haus und Gärten zu Wedel durch die Kriegsvölker verwüstet. Pastor Rist ergab sich der Schwermut, als Wohlbeleibter aber zirkulär von heftigen Ausbrüchen der Lebenslust übermannt. Er fand Gesellschaft in einem trunksüchtigen Gutsverwalter und dessen leichtlebiger Ehehälfte und von letzterer viel Anbetung, zumal wegen seiner Komödie Adam und Eva im Paradies, die sie mit ihm, wenn ihr Mann nicht zu Hause war, vor fidelen Gästen „ganz abgekleidet, auch die Hemder ausgezogen“ gelegentlich aufgeführt haben soll. Es war Krieg, die Moral nicht stabil, selbst bei Pastoren und Poeten nicht.

      Gelegentlich fand Rist Ersatz für sein zerstampftes Erdenparadies. Das war auf einem kleinen einsamen Hügel beim Fischerhafen Schulau. Er nannte ihn den Parnaß und ließ zwischen Eichen, wilden Apfelbäumen, Erlen und Haseln einen Grastisch mit Bänken ausstechen. Von dort ergötzte ihn der Blick auf den Strom, wo unter Segeln, Salut und Geschrei die Schiffe gen See in die ferne Barbarei glitten. Und es gelang ihm der gewaltige Choral „O Ewigkeit, du Donnerwort“.

      Er gründete auch einen Schriftstellerverband zur Pflege des verwilderten deutschen Sprachgartens, den Elbschwanenorden. Dirks Paulun, poetischer Nachkomme großer Hamburger Kaufmannsgeschlechter und Gartenliebhaber, fernöstlich geboren, hat kürzlich vorgeschlagen, den Elbschwanenorden zu einer Auszeichnung zu erheben und ihn am blauen Blumenbande den Veteranen des Hamburger Schrifttums für fünfzigjähriges Ausharren in der Vaterstadt zu verleihen.

      Von

      Knollen

      zu Blüten,

      so wurzelt geheim

      im Dunkel das Heitere auch.

      Fernöstlicher Widerschein

      Im Dreißigjährigen Kriege hatte sich der Wohlstand in Hamburg sprunghaft entwickelt, und damit entwickelte sich die Gartenkultur, die immer ein Maßstab für Wohlstand bleiben wird. Die Gartenliebhaber strebten, sobald die Zeitläufte es erlaubten, aus der Umwallung hinaus aufs „Land“. Dort wandelten sich die engen Hecken der Stadtgärten in weite Laubengänge. Die Mitte der staudengeschmückten Lustquartiere,

      ... auf zierlich ausgeschweiften Fluren

      in rankenförmigen Figuren ...,

      wie Brockes beschreibt, nahm ein Wasserbecken mit Goldfischen ein. Die Lusthäuschen wandelten sich in chinesische Türme, aber gemalte Prospekte täuschten an Endpunkten von Alleen oder Irrgärten überraschendere Fernblicke und Perspektiven vor, als die wirkliche Landschaft bot.

      Der Einfluß des Fernost ist unverkennbar, den der Handel der Ostindischen Compagnien auf Europa ausübte, wo das bezopfte Rokoko sich wie eine östliche Maske über die vergehende Wiedergeburt der römischen Kultur stülpte, ohne daß die muntere Stilvermengung mit der Statuenfreudigkeit der Antike Einbuße litt. Die Bildhauer hatten gute Zeit. Sie lieferten in Sandstein oder Alabaster die Weltteile sowohl wie den Prinzen Eugen, die Kardinalstugenden wie auch die immer leichter geschürzten Göttinnen eines verlorenen Olymp. Aus Taxus und Buchsbaum wurden Figuren gestutzt, Tiere, Menschen, Schiffe und Urnen. Man sieht derlei heute noch in allerletzten Hof- und Fürstengärten. Doch fand ich auch auf Madeira droben im Garten des Monte-Hotels eine ungeheuerliche Taube kunstvoll aus einem gewaltigen Buchsbaum geschnitten.

      Republik der Republiken

      So sollte ein Garten sein, in seinen Wundern zahlreich, bunt und geschmackvoll und mit immer neuen Überraschungen Jahr für Jahr wie die Briefmarken der ältesten Republik der Welt, San Marino.

      Sind aber nicht alle Gärten dieser Erde von ihrem Ursprung her noch älter und freiheitlicher und friedlicher selbst als San Marino?

      Die Gärten dieser Welt, sie sind zusammen die Republik der Republiken und die schönste dazu.

      Laut

      ist mein

      Garten nicht,

      aber tausendfalt

      leise und darum verständlich.

      Christine liest zu Wandsbek Virgil

      Christine, Königin von Schweden, pflegte gern unangemeldet und „fast unbekannt“ auf dem Wege von Wismar, Paris oder Rom im freimütigen und lebenssaftigen Hamburg einzukehren. In Mannskleidern ritt sie durchs Tor, und der Rat der Stadt blieb, bis sie entdeckt war, mit seinem üblichen Gastgeschenk an „Silberwerk“ in Verzug. Sie überließ solcherlei Aufmerksamkeit aber gewöhnlich ihrem Bankier, dem reichen portugiesischen Israeliten Texeira, wohnte auch in dessen Hause hinter der Michaeliskirche.

      1654 folgte sie der Einladung des Landgrafen von Hessen auf den Garten eines Herrn Albert Baltzer-Lerens nach Wandsbek. Es war Mitte Juli und ein schöner Tag, so daß sie die Predigt in der Petrikirche, obwohl sie ihr zu Ehren von der Königin zu Saba handelte, voreilig und ohne die angesetzte Orchestermusik abzuwarten, verlassen hatte. Dabei war auf ihrem teppichbelegten Platz im Kirchenstuhl ein Buch liegengeblieben. Der Ratsschenk wurde ihr nachgeschickt, den vermeintlichen Gebetspsalter abzuliefern. Sie nahm das Büchlein, wie der Chronist meldet, mit „höhnisch lächelnder Miene“, ließ aber dem Pastoren eine goldene Kette übermitteln.

      Und dann, in den herrlichen Anlagen des Gartens, las sie aus dem Buche. Es war, kostbar in Saffian und Goldschnitt, ein Band Virgil, und zwar die Georgica. Da las sie denn laut über das Glück des ländlichen Lebens und die Freuden der Gärten und die Wunder des geordneten Weltalls, das, wie sie anschloß, das eine Wunder versäumt habe, nämlich sie zur Zeit des Königs Salomo und zu Arabien ins Dasein zu rücken.

      Man war begeistert und tafelte so arabisch als virgilisch im Freien und so weidlich, daß es Mitternacht wurde, ehe die Königin mit ihrem Gefolge wie der wilde Jäger davonstob. Beim geschlossenen Steintore lärmte sie so lange, bis die halbe Stadt erwachte und ihr geöffnet wurde.

      Sie hatte übrigens wenige Wochen vorher, ohne daß man es zu Hamburg schon ahnte, auf ihre Regierungswürde verzichtet. Und ein Jahr später trat sie, die Tochter Gustav Adolfs, zum Katholizismus über. Rom ließ sich diesen Erfolg etwas kosten und zahlte ihr eine Jahresrente von zwölftausend Skudi.

      Fürst,

      wo bleibt

      dein Vorrang?

      Heute gilt einzig

      der Adel hoher Tüchtigkeit.

      *

      Tumult im Vorgarten

      1668 war ein neuer Papst gewählt worden. Christine feierte das Ereignis zu gebührender Aufmerksamkeit mit großem Glanze in den Räumen Texeiras. Als es dunkelte, erleuchteten sechzig Wachskerzen auf vergoldeten Armen ein Schild am Giebel des Hauses, darauf das päpstliche Wappen gemalt war nebst der Inschrift: Clemens IX Pontifex Maximus vivat!

      Im Vorgarten, zwischen antiken Standbildern, spendeten zwei Springbrunnen roten und weißen Wein fürs Volk. Einige Stadtsoldaten regelten den durstigen Andrang, doch ohne hindern zu können, daß einige Bootsknechte sich maßlos betranken. In der daraus folgenden Neigung zum Radau nahm die Menge plötzlich Anstoß an der „katholschen Illumination des Judenpalais“. War man nicht protestantisch in dieser Freien und Hansestadt? Gewiß war man auch tolerant. Aber war nicht Texeira der Mann, der das Geld herlieh zur Anwerbung jungen deutschen Moskitofutters für die höllische Hollandsche Fremdenlegion?

      Der Janhagel begann, die Festespracht mit Steinen zu bewerfen. Die Wachtposten wurden ins Haus gedrängt. Und als nun gar aus einem der Fenster ein Pistolenschuß fiel – und wahrscheinlich von Christine selber – und schließlich sogar aus Falkonetten gefeuert wurde und es Tote und Verwundete gab, da kannte die Straße kein Halten mehr. Alle Scheiben und Leuchter zerklirrten, und das Haus wäre gestürmt worden, hätte nicht der energische Stelzfuß und vormalige Schwedenoberst, der Prinz von Homburg – der in Wahrheit dem Kleistschen nicht glich – die Unruhe mit lutherisch kräftigen Beschwörungen zu dämpfen vermocht.

      Vermummt in einen Regenmantel entkam die Ex-Königin

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