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aller lutherischen Meinung, daß der Glaube größer sei, größer auch als die guten Werke, die hier aus erdenfroher Seele angestrebt werden. Von dem Gewerbe der Reepschläger blieb nur das Berauschende, das in den harzigen Spitzen der „Cannabis femella“, der weiblichen Hanfpflanze, wohnt, und das als flüchtigster unmerklicher Haschischhauch allem anhaftet, was Tauwerk heißt und mit Tauwerk umgeht.

      Strick

      bindet

      und befreit

      zugleich. Niemand sprach

      jemals laut vom Rausch der Fessel.

      *

      Fleurs du Mal

      Keine Blume blüht

      und kein Vogel singt

      auf der schattenlosen See ...

      Kein Wunder, daß auf der Vergnügungsseite des Hafens im kurzen Landeglück der Seefahrt der Umsatz an zarter Flora nicht unbedeutend ist. Eine „Vierländerin“, eine Blumenverkäuferin, in einer Tracht aussterbender Chinoiserie, geht mit flachem Henkelkorb von Tisch zu Tisch. Eine Ahnung allem Lärm entrückter seefahrtsferner Gärten mischt sich – so wie das angebliche Kind vom Lande unter die aufgezäumten Asphaltschönen – in den Dunst vegetabiler Aufbereitung, die da heißt: Tabak, Parfüm und Alkohol.

      Nichts aber ist rührender auf dieser rauhen Erde, als wenn die Hand Hein Seemanns aus jenem Korbe wählt, einen Strauß Veilchen etwa oder Maiglöckchen, einen treibhausblassen Flieder, ein Bund knalliger Nelken, ein paar mit Spargelkraut verzierte, mit Draht gestützte Rosen, und er nun, unnennbar behutsam, zuinnerst überströmend und es sich selber verlegen, fast mürrisch nicht eingestehend, das Angebinde der flüchtigen Gefährtin überreicht.

      O, stillste, verschämteste, innigste, wehmütigste aller Hamburger Gartenlust! Über die Lust des Fleisches triumphiert einen Pulsschlag lang die Zartheit der Blumen wie die Stimme des Engels über das Brodeln des Fegefeuers.

      Und wenn auch die Holde unaufhaltsamer als jede Windsbraut schon in der nächsten Viertelstunde das Präsent gegen ein Geringes der Toilettenfrau überläßt und es als zufällig verloren meldet, indes es schon wieder im Korb der „Vierländerin“ landet, gemäß dem Kreislauf der Tide und allem, was die Drehscheibe des Hafens berührt ... dennoch: O Augenblick aus Ewigkeit, o fleurs d’amour! ...

      Welch

      Kult denn

      o Seele

      verkündet dir zart:

      Seelen wandeln sich zu Blumen?

      *

      Zartgärten

      Bis zur Entdeckung Amerikas fehlen uns Nachrichten über andere als Kohl- und Kräutergärten in Hamburg. Dennoch werden die „Zartgärtlein“ – im Süden des Vaterlandes seit der Gotik oft erwähnt – hier nicht ganz gefehlt haben, obschon die Ritterminne, die ihrer mit Rosen, Lilien und Geißblattlauben bedurfte, hier kaum blühte. Hatte man doch mit Köln guten Verkehr, das noch Überlieferungen römischer Gartenkultur pflog, und hatte sicher von des weltweiten Geistes Albertus Magnus Gärten gehört, der schon Gewächshäuser und im Januar blühende Violen besaß und Bäumchen mit reifem Obst zu Johanni.

      Immerhin ergeben frühe Kämmereirechnungen, daß Amtsräume auf Kosten der Stadt mit frischen Sträußen geschmückt wurden. Diese wichtige Tatsache darf nicht übersehen werden. Doch wurden die Mittel dafür 1790 gestrichen. Erst heute beginnt man, die mehr als freundliche, die fürs Amtsgemüt äußerst dienliche Gewohnheit neu zu beleben.

      In Staphorsts Kirchengeschichte heißt es 1496, daß man in Hamburg „enen lustbarlyken Garden, de dar ys vul Fyolen, Rosen unde Lilien“ wohl zu schätzen wisse. Und schon vorher besaß das Johanniskloster der Dominikaner dort, wo heute die Stelle des Ehrenmals sich erhebt, einen Alstergarten voll weißer Rosen.

      Der Ausspruch des Erasmus von Rotterdam über seinen Garten zu Basel wird selbst den Kaufleuten der Wasserkante nicht fremd geblieben sein. Er besagt: Der Ort ist dem ehrbaren Vergnügen geweiht, die Augen zu ergötzen, die Nase zu erfrischen, den Geist anzuregen.

      Alle alten Ansichten von Hamburg weisen es als Gartenstadt aus.

      Der Schlangenkreis

      Kultur und Mode, abseits aller Gewalttaten, sind das Reizvolle an der Menschheitsgeschichte; die leise luftige Entwicklung, die neben den mühsamen Stiefeln der Politik einhertänzelt, sie allein bleibt dem Weisen beachtenswert. In dieses Gebiet gehören auch die Gärten.

      Welche Flut schöner Vorstellungen erwacht beim Blick auf die Entwicklung der Gartenkunst! Vom Gehege zum Hof, vom Zartgärtlein zum Park, von den Terrassen der Semiramis zum Lustgarten des poetischen Ratsherrn Brockes, vom Schnurgarten zur freien Landschaftsanpassung.

      Soweit die unabsehbare Gartenfülle bis ins Dunkel des Altertums zu verfolgen ist, geht wellenförmig der Wechsel zwisehen Enge und Weite, Strenge und Lockerung, Regelmäßigkeit und Landschaftlichkeit, Architektonik und Park.

      Kunst, Mode, Weltanschauung und Regierungsformen laufen dem parallel.

      Unsere modernen Stadtplanungen sind teils den babylonischen Wolkenkratzern, teils den riesigen persischen Gartenstädten näher als irgendwelchen Siedlungsgründungen zwischen damals und jetzt.

      Auf einer Schlangenlinie bewegt sich der kulturelle Fortschritt im Kreise.

      Halb

      nur ist

      alle Form.

      Sie zu ergänzen,

      schon harrt in ihr der Gegensatz.

      Wesen und Anwesen

      Seit je haben wohlhabende Städter Neigung gespürt, verschuldete Bauernhöfe zu erwerben und sie für ihre Sommerfreuden herzurichten. Den nahrhaften Betrieb überließ man gewöhnlich einem Pächter, ließ für diesen das alte Strohdachhaus stehen und setzte ein bequemes Landhaus daneben. Solches geschah in Hamburg zuerst an der Bille und an der Elbe oberhalb der Stadt.

      Die Häuser waren anfangs in Fachwerk errichtet, oft noch mit Reet, später mit Pfannen gedeckt, mehrstöckig, mit steilem Kreuzdach, die vier Giebel über den First verlängert, die Spitzen mit Geknaufe verziert. Die Fenster waren vorerst Butzenscheiben. Um in der Einsamkeit sicherer zu sein, umgab man den Besitz an der Landseite gern mit Planke und Wassergraben, fügte auch manchmal, in Anlehnung an die holsteinischen Rittergüter, eine Zugbrücke hinzu.

      Ein Gärtnerhaus mit Stallung schloß sich an; denn Wagen und Pferde mußten untergebracht werden, und der Garten bedurfte der fachmännischen Pflege. Ein zierliches Laubenzelt, Treibhäuser und Orangerien fügten sich ein, und bald überwog die Kunst die Natur. So, in den weiten Marschenwiesen erhoben sich die sonderbaren Oasen der Städter und dehnten sich auch bald auf den Geestrücken aus, der von Oben Borgfelde über Hamm und Horn gen Bergedorf führt.

      Man nannte solch ländliches Gartengrundstück ein „Wesen“, und das war in einer Zeit, da dieses Wort noch den alten Sinn des „Innewohnenden“ hatte. Heute sagt man „Anwesen“ oder „Gewese“. Es scheint damit die innere Beziehung zu derartigen Gartenbesitzungen dem Worte nach veräußerlicht und, wenn auch kaum bewußt, vergangenheitlicht zu sein, was an der wachsenden Zwiespältigkeit des menschlichen Befindens auch in anderen Beziehungen zum Dasein seit Mitte des vorigen Jahrhunderts erkennbar wird.

      Memento te esse florem

      Johannes Rist, Pastor zu Wedel und namhafter Poet dazu, pflegte seine Verehrer im Laubengange seines Gartens zu bewirten. Es wurde ländlich gespeist zu Zerbster Bier oder einem Gläschen roten Franzenwein mit einem selbstgebrauten himmelblauen Aquavit vorauf, und die Hausfrau verschönte die schlichten Schüsseln durch prächtigen Tafelschmuck, so daß unter den windhuschenden Spalierschatten alles auf Blüten zu schaukeln schien.

      Danach traten zwei Gärtner mit Körben voll kleiner

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