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Pferdeglück. Lise Gast
Читать онлайн.Название Pferdeglück
Год выпуска 0
isbn 9788711509869
Автор произведения Lise Gast
Издательство Bookwire
Freilich, solche wie seine mußten es sein. Hatte es jemals auf der Welt schon zwei solche Mädchen gegeben wie die seinen? Gisela schon ein bißchen Dame, das hatte sie von seiner Seite, Brigge war großartig, aber eine Dame würde sie nie werden. Und Schimmel noch so eine reizende Mischung aus Pferdejungen, Kind und erwachender Eva.
Nein, diesen Tag gab er zu, um der Töchter willen. Wenn es auch mit Brigge nicht ging – er hatte sich das Wiedersehen eben doch anders ausgemalt gehabt –, wenn es mit ihr auch immer Streit gab und geben würde: Da waren die Töchter. Vielleicht mußte man älter werden, um Töchter richtig würdigen zu können; er war damals doch enttäuscht gewesen, daß es keine Söhne waren. Brigge hatte jetzt Söhne, aber nun, ganz nette Bengels waren sie vielleicht, aber doch, ehrlich, gegen seine Töchter fielen sie ab. Henner lehnte sich im Bett zurück und schloß die Augen, merkte nicht, daß der Kaffee auf dem Tablett überschwappte, während er seinen Töchtern nachträumte.
Es gab eben doch eine Stimme des Blutes. Er hatte es oft abgeleugnet, wenn jemand davon sprach. Wo bitte blieb die Stimme des Blutes bei unehelichen Kindern? Sie schwieg in allen Sprachen der Welt. Und waren nicht nach dem Krieg viele Männer aus jahrelanger Gefangenschaft zurückgekommen und hatten ihren Kindern hilflos und fremd gegenübergestanden? Dennoch –
Man mußte es nur selbst erleben. Nie, nie im Leben war solch ein süßer und zärtlicher Strom durch sein Herz geflutet wie beim Anblick dieser beiden Mädchen, die ein anderer Mann vielleicht „recht niedlich, aber doch im ganzen recht durchschnittlich“ gefunden hätte. Durchschnittlich! Henner war auf den andern Mann, den er sich vorstellte, rechtschaffen wütend und hätte nichts dagegen gehabt, ihn heftig zur Rede zu stellen. Wie konnte jemand seine Töchter durchschnittlich finden!
Er lag und atmete tief. Er war so müde, dabei schmeckte der Kaffee stark und gut und hätte eigentlich munter machen müssen. Nun ja, gestern abend war er lange nicht eingeschlafen, zu vieles war ihm durch den Kopf gegangen. Er wollte auch jetzt nicht wieder schlafen, sondern weiter an die Mädchen denken, an Giselas schönes, weiches Haar, aber Schimmels blanke braune Beine – –
„Na also! Genau wie ich voraussagte: Kaffee Hag schont dein Herz und deinen Schlaf. Zumal wenn man sowieso abgehetzt ist wie ein Droschkengaul. Und gematscht hat er auch. Vorsicht, Gisela! Halt das Tablett gerade, sonst läuft es über den Rand und doch noch aufs Bett. Igitt, die Männer! Schlafen ein mit dem Frühstück auf der Heldenbrust statt im Magen!“
Gisela lachte, während sie den Vater vorsichtig von seiner Last befreite.
„Wollen wir ihn nicht wecken?“
„Kein Gedanke, im Gegenteil, gut, wenn er weiterschläft. Er kann nachessen, um so besser. Er ist Privatgast und braucht nicht am allgemeinen Tisch mitzuessen.“
Gisela fand das schade. Sie verstand ihre Mutter in diesem Punkt nicht. Vater war endlich da, nun sollte er auch vorgeführt werden, den Gästen, den Leuten in der Stadt, allen. Nicht, daß sie ihn bildschön fand, aber er hatte solch zärtlichen und verschmitzten Zug um die Augen, wenn er einen ansah. Und erzählen konnte er, das wußte sie noch von früher. Niemand konnte so erzählen wie er. Und alles hatte er selbst erlebt.
Gestern hatte er natürlich vor allem mit Mutter sprechen wollen. Aber heute gehörte er ihr, deshalb hatte sie ja auch Schule geschwänzt. Und nun verschlief er bereits die erste Hälfte des Tages. Er verschlief sie wirklich. Erst am Nachmittag erschien er unten, ein bißchen gekränkt, daß sich keiner um ihn gekümmert hätte, aber doch bald versöhnt, als Gisela ihm ein wunderbares Essen servierte. Schimmel, die ja nun auch wieder da war, saß leider daneben, Gisela hatte also keinen Vorsprung von ihrer Mogelei gehabt, ätsch! In einem aber waren sie einig: Jetzt mußte Vati mit zur Reitbahn. Brigge hatte doch erzählt, wie gut er ritt.
„Brigge?!“
Ja, sie sei fort, mit den Jungen. Zum Baden, hätte sie gesagt. Und sie hätte auch gesagt, Vati bliebe ja noch. Sie sollten schön grüßen.
„Danke“, sagte Henner, ein wenig verärgert. Immerhin, nun hatte er Zeit für die Töchter. Sie sahen mit Spannung zu, wie er aß, und kaum hatte er die letzte Mirabelle des vorzüglichen Kompotts verschluckt, als sie schon Teller und Bestecke an sich rissen und in Eile fortbrachten, um ihn dann in ihre Mitte und zum Stall mitzunehmen. Heute ritten keine Gäste, gottlob! Überhaupt, die Gäste!
„Ich wünschte, wir hätten keine!“ murrte Schimmel unter dem Pferdebauch hervor, wo sie nach dem Gurt fischte, „immerfort wollen sie rauf. Und wir?“
„Ich denke, dazu habt ihr die Pferde? Für die Gäste?“ fragte Henner und streichelte die Nase von Prinz.
„Ja, leider. Wenn ich später mal ein Pferd hab’, laß ich keinen andern rauf“, sagte Gisela. Henner sah sie an.
„Auch mich nicht?“
„Doch, dich ja!“ sage Gisela schnell und verschämt. Schimmel dagegen wiegte den Kopf.
„Kommt drauf an, wie du reitest“, sagte sie sachlich, „jemand kann furchtbar nett sein und im Sattel unmöglich. Man will sein goldiges Pferd doch nicht verderben lassen, das ist doch klar.“
„Erlaube, verderben!“ sagte der Vater. Er war tatsächlich etwas gekränkt. Schimmel merkte es.
„Na, ich meinte ja nur so im allgemeinen“, sagte sie und sah ihn von unten her an, „übrigens sagte Brigge ja, du rittest fabelhaft“, setzte sie erleichtert hinzu.
„Hat sie das gesagt?“
„Ja, und was für ein Jäger du wärst! Und vielleicht könntest du hier auch auf die Jagd. Sicher sogar. Wir kennen den Forstmeister.
Henners Gesicht hellte sichtlich auf. Vergnügt folgte er den Töchtern, die, rechts und links vom Pferdekopf, die Box verließen. Die Mausi prustete und schüttelte den Kopf. Er ging noch rasch zu ihr hin und liebkoste sie. Ach, was tat es wohl, wieder Pferde zu fühlen, Pferdestall zu riechen, Sattelzeug in der Hand zu spüren. In geborgten Reithosen – die Mädchen hatten sie ihm übereifrig gebracht, Stiefel hatte er selbst mit – ging er den dreien nach. Er war sich darüber klar, daß er jetzt eine Prüfung zu bestehen haben würde, und obwohl es ihm ein wenig lächerlich vorkam, saß doch etwas Lampenfieber darunter. Kennt man ein neues Pferd? Jedes ist ein neues Abenteuer, eine neue Aufgabe. Und blamieren wollte er sich auf keinen Fall.
Aufgesessen. Im Schritt angeritten. Ach, alles fiel im Nu von einem ab. Das Pferd versammelt, immer mehr, jetzt hatte der Prinz schon einen schönen Kragen, trug die Nase ein wenig vor der Senkrechten, und jetzt trabte er an. Wie weich, wie weich er warf und fing, warf und fing! Wie er die Beine zu strecken begann, die Ohren aufstellte, als wollte er auf Zuruf oder Flüsterwort oder Zungenschlag lauschen – oh, es war eine Wonne! Schimmel und Gisela standen still beiseite und sahen andächtig zu. Erst als Henner nach einem schönen, weichen Galopp durchparierte, den Prinz im Schritt gehen ließ und ihm am langen Zügel den Hals klopfte, kamen sie heran.
„Wunderbar, Vati, und jetzt ich!“ jubelte Schimmel. Aber Gisela machte vom Vorrecht ihrer Erstgeburt Gebrauch und siegte nach kurzem Schwesternkampf. War es zu glauben, daß diese beiden Pferdemädchen noch etwas lernen konnten? Oh, viel, viel, kein Reiter lernt je aus. Henners Gemüt badete in einem See von Vater- und Lehrergefühlen.
Zuletzt wurde ihm sogar noch vergönnt, was er sich heimlich die ganze Zeit über gewünscht hatte: Er saß gerade zu Pferde, als Brigge mit den Jungen erschien. Nun konnten sie ihn bewundern. Stolz bescheiden saß er schließlich ab und begrüßte sie.
„Na also!“ strahlte Brigge. Peter jedoch, Prinz am Zügel haltend, sagte im Abgehen trocken:
„Gut, daß du so ein Gewichtsträger bist, Prinz. Leute mit Bauch sollten eigentlich nicht reiten, finde ich.“
Brigge war sich nicht ganz klar darüber, ob Henner es gehört hatte. Sie bummelten ein Stück in die Heide hinein. Keiner sagte etwas. Die Mädchen folgten im Abstand.
„Ihr dürft euch verziehen, habt heute