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bleiben in der Residenz?

      Sie sehen, treffen und an ihr vorübergehen, wie ein Fremder?

      Welche Qual!

      Das Haus, in dem er monatelang so unendlich glücklich gewesen war, meiden, als habe er nie den Fuss über seine Schwelle gesetzt?

      Undenkbar!

      Sich und seines Herzens herbe Not dem neugierigen Geschwätz einer klatschsüchtigen Menge preisgeben? —

      Nie und nimmermehr! —

      Was liegt dort in dem Büchertisch zwischen Rangliste, militärischen Werken, russischen und französischen Wörterbüchern? —

      Ein altes, abgegriffenes Märchenbuch: „Tausend und eine Nacht“. —

      Traumverloren greift Mortimer danach und schlägt es auf.

      Prinzessin Kassandane.

      Sie! wahrlich sie! —

      Noch vor wenig Stunden sass sie ebenso, in schimmernder Pracht, vor ihm, und blickte ihn ebenso kalt und unbarmherzig, so grausam und so spottend an.

      Prinzessin Kassandane — Iris! Mortimer beisst in leidenschaftlichem Schmerz die Zähne zusammen und bedeckt stöhnend das Gesicht mit den Händen. — —

      Da steigt plötzlich ein Bild vor seiner Seele auf.

      Er sieht wieder die stille, kleine Mansardenstube, in der ein einsamer Knabe mit fiebernden Pulsen von den Wundern des Morgenlandes träumt.

      Heisse Sehnsucht, unbezwingbares Verlangen nach der goldenen, geheimnisvollen Fremde glüht durch seine Seele.

      Hinaus! hinaus!

      Leben, sehen, forschen, reisen! —

      Ach, wie brennt sein Herz vor Verlangen nach dem zauberischen Wunderland!

      Er ist ein Marken, er kann nicht daheim sitzen, es treibt ihn fort — hinaus in die lockende Welt, — gleichviel, was sie ihm geben wird, nur hinaus! hinaus, seinem Schicksal entgegen! —

      Und draussen wirbelte der Schnee ... es ist kalt, bitter kalt ... in der kleinen Mansarde aber ragen flüsternde Palmen, rauschen geheimnisvoll die Wasser des Springbrunnens, lächelt Prinzessin Kassandane mit erbarmungslosem Auge aus glitzerndem Schleier hervor!

      Mortimer springt empor und schlägt vom Schauer überwältigt die Hände vor das blasse, ernste Gesicht.

      Wieder fasst sie ihn mit zwingender Gewalt, die heisse, glühende Sehnsucht, die alle Markens hinaus in die Ferne treibt! Fort! fort! —

      Hat ihn nicht ein seltsamer Zufall gerade an diesem Tage zum reichen Mann gemacht?

      Aus welchem Grunde, wenn das Weib, das er gewinnen wollte, für das er mit seinem Gold ein lauschig sichres Nestlein bauen wollte, sich für ewige Zeiten von ihm gewandt?

      Nun ist es vorbei mit dem Sesshaftwerden auf heimatlichem Boden, nun packte ihn eine fremde, eiserne Faust und stösst ihn von der Schwelle des Glücks in trostlose Fernen hinaus!

      Trostlos? — wahrlich trostlos?

      O nein!

      Wandern, ruhelos wandern will er wie ein echter Sohn seiner unstäten Väter, und die bunte, gleissende Welt wird seine Augen blenden, dass sie nicht mehr sehen, was hinter ihnen liegt, und im Vorwärtsstürmen wird er vergessen, was ihm die Heimat angetan. Vergessen! vergessen! —

      Ach wer das könnte!

      Aber wohin fliehen vor der Erinnerung, die in seinem Herzen leben wird, so lange es schlägt? —

      Wohin? —

      Ziel- und planlos umherirren, bis Hab und Gut verbraucht sind und er gleich einem Vagabunden an der Landstrasse stirbt?

      Mit dem Bild einer Iris im Herzen?

      Heisse Schamesröte steigt brennend in seine Wangen.

      Nein, er kann und darf nicht zwecklos leben, er wird nicht jammervoll untergehen!

      Dazu ist die Liebe, die sein Inneres erfüllt, zu hoch und heilig.

      Schaffen! arbeiten! Bei allem Reisen und Wandern aber sich nützlich machen und sich seines Namens wert zeigen! —

      Sein Vater hatte seine Leidenschaft dereinst auch in den Dienst des Vaterlandes gestellt und war Afrikareisender geworden. Aber das waren andere Zeiten.

      In die Schutztruppe gehen?

      Sich nach China kommandieren lassen?

      Sowohl China wie Afrika besitzen nicht viel Reiz für ihn! Es fehlt der geheimnisvolle, märchenhafte Reiz, der ihm den Orient in so verlockendem Licht erscheinen liess.

      Wohin? — ach wohin? —

      Ein kurzes Klopfen; die Tür wird mit scharfem Ruck geöffnet und der Bursche steht auf der Schwelle.

      „Bringst du die Lampe, Krause?“

      „Nur einen Brief, Herr Leutnant! Zu Befehl.“

      „Einen Brief? — Gib her und bring’ Licht.“

      „Befehl, Herr Leutnant.“

      Die schweren Stiefel stampfen zurück und Mortimer blickt nachdenklich auf das Schreiben in seiner Hand.

      Von Tante Gustel? Oder Gretchen?

      Nein! Die bedienen sich für ihre Korrespondenz des sehr schlichten, schmalen, altmodischen Papiers mit dem gepressten Rädchen auf dem Umschlag, — des billigsten, welches zu haben ist, dieses Papier aber fühlt sich fest und sehr elegant an, und da — soviel bei dem Dämmerlicht zu erkennen ist, mehrere Marken aufgeklebt sind, kann es sich nicht um ein Schreiben aus der Stadt handeln.

      Die Türe öffnet sich.

      Heller Lampenschein flutete blendend durch das kleine Gemach und weckt grelle Funken auf gekreuzten Säbeln und Waffen an der Wand.

      Krause stellte die Lampe vor seinen jungen Gebieter auf den Schreibtisch und wartet einen Augenblick, auf etwaige Befehle harrend.

      Ein tiefes Aufseufzen.

      Marken aber hat sich bereits mit müdem Blick über den Brief geneigt und winkt nur kurz mit der Hand ab.

      Und abermals flammt es heiss über sein Antlitz und das Auge belebt sich.

      Aus Konstantinopel!

      Das Papier knistert unter seinen Fingern und sein Blick sucht die Unterschrift.

      „Dein alter Hans!“

      Schlüchtern! —

      Sonst schrieb er nur kurze Karten scherzhaften Inhalts, mit „bescheidenen Anfragen“ nach dem Ergehen der geheimnisvollen Sängerin und wie weit das Schifflein noch von dem Hafen der Ehe abtreibe, — und heute plötzlich diesen langen, ausführlichen Brief von acht Seiten! —

      Was hat das zu bedeuten?“

      Und er liest.

      Seltsam! —

      Schlüchtern teilt ihm mit, dass sein Chef unter aussergewöhnlich günstigen Bedingungen eine vortrefflich angelegte, aber durch langjährige Krankheit und Abwesenheit des vormaligen Besitzers stark vernachlässigte Plantage in Indien angekauft habe.

      Dieselbe soll gewissermassen — um sich etwas militärisch auszudrücken! — eine Art Vorposten des Geschäftsbetriebes von Skutari werden. Haulsen sei überzeugt, schon in kurzer Zeit ausserordentliche Erfolge durch dieses Hand in Hand-Arbeiten zu erzielen, — die Ernten in Indien seien hervorragend gut, Verbindung zum Hafen ebenfalls, alles tadellos nach Wunsch — nur einen Haken habe die Sache, die stark vernachlässigten Arbeiterverhältnisse! Man merke in allem, dass die energische Hand des Besitzers seit Jahren gefehlt habe. Alles verbummelt!

      Arbeiter und Aufseher gleich verloddert!

      Einmal mit eisernem Besen hindurch fegen und Ordnung schaffen, dann

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