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einen eigenen Hausstand zu gründen. Seine Mutter hat ganz recht, daß es ihr damit nicht eilt. Sie scheinen sich ja ganz wohl zu fühlen, wie es jetzt ist, und wenn sie sich jetzt schon nach einer Frau für ihn umsähe, würde sie’s wahrscheinlich bereuen. In sechs Jahren, wenn er dann ein braves Mädchen vom gleichen Stand findet, mit etwas Geld, ist es vielleicht ganz willkommen.«

      »In sechs Jahren! Liebe Miss Woodhouse, dann wäre er ja dreißig Jahre alt!«

      »Nun, eher können die meisten Männer, die nicht von Haus aus vermögend sind, es sich gar nicht leisten, zu heiraten. Ich könnte mir denken, daß Mr. Martin sich erst noch eine Grundlage erarbeiten muß, er kann noch gar nicht aus dem Gröbsten heraus sein. Einerlei, wieviel Geld ihm sein Vater hinterlassen hat, als er starb, und wie hoch sein Anteil am Familienbesitz ist, es ist bestimmt alles noch nicht greifbar, alles noch in der Wirtschaft angelegt; und wenn er mit der Zeit, sofern er fleißig ist und Glück hat, auch ganz wohlhabend werden kann, ist es doch so gut wie unmöglich, daß er’s jetzt schon zu was gebracht hat.«

      »Freilich, das ist wahr. Aber sie leben sehr gut. Sie haben zwar keinen Knecht für die Arbeit im Hause, aber sonst fehlt ihnen nichts; und Mrs. Martin meint, sie würden nächstes Jahr einen jungen Burschen nehmen.«

      »Ich wünsche dir nur, daß du nicht in Verlegenheit kommst, Harriet, wenn er eines Tages heiraten sollte . . ., ich meine, wenn du dann mit seiner Frau bekannt wirst . . .; denn wenn auch gegen seine Schwestern, die ja eine bessere Erziehung genossen haben, im ganzen nichts einzuwenden ist, er könnte doch eine Frau heiraten, die gar nicht der geeignete Umgang für dich wäre. Das Malheur mit deiner Geburt sollte dich besonders vorsichtig machen in der Wahl deines Umgangs. Du bist zweifellos die Tochter eines Gentleman, und du mußt deinen Anspruch auf diesen Rang mit allem, was in deinen Kräften steht, behaupten, sonst würden sich viele Leute ein Vergnügen draus machen, dich zu demütigen.«

      »Ja, freilich . . ., mag sein, daß es solche Leute gibt. Aber solange ich in Hartfield verkehre und Sie so freundlich zu mir sind, ist mir vor keinem Menschen bange.«

      »Du hast also schon ganz gut begriffen, was einflußreiche Beziehungen vermögen, Harriet, aber ich möchte dich so fest in der guten Gesellschaft verankert wissen, daß du selbst von Hartfield und Miss Woodhouse unabhängig wirst. Ich möchte, daß du gute Verbindungen hast, die von Dauer sind – und dazu ist es nötig, daß du dich möglichst wenig mit unpassenden Bekanntschaften einläßt; und deshalb, sage ich, falls du noch hier in der Gegend sein solltest, wenn Mr. Martin heiratet, möchte ich, daß du nicht durch die Freundschaft mit seinen Schwestern gezwungen wirst, auch mit seiner Frau zu verkehren, die wahrscheinlich nur eine ungebildete Bauerntochter sein wird.«

      »Freilich, ja. Nicht, daß ich glaube, Mr. Martin würde eine heiraten, die nicht einigermaßen gebildet und sehr gut erzogen ist. Doch ich will Ihnen nicht widersprechen – und mir wird gewiß nichts daran liegen, seine Frau kennenzulernen. Ich werde die beiden Miss Martin immer sehr gern haben, besonders Elizabeth, und es täte mir leid, wenn ich sie aufgeben müßte, denn sie sind ebenso gut erzogen wie ich. Aber wenn er eine ganz unwissende, gewöhnliche Frau heiratet, werde ich sie natürlich lieber nicht besuchen, wenn ich’s vermeiden kann.«

      Emma ließ sie bei dieser wankelmütigen Rede nicht aus den Augen, nahm aber keine alarmierenden Zeichen von Verliebtheit wahr. Der junge Mann war Harriets erster Verehrer, aber sie vertraute darauf, daß es kein engeres Band zwischen den beiden gab, und daß sich auf Harriets Seite keine ernstlichen Schwierigkeiten gegen freundschaftliche Arrangements ihrerseits ergeben würden.

      Gleich am nächsten Tage, als sie auf der Straße nach Donwell spazierengingen, begegneten sie Mr. Martin. Er kam zu Fuß daher, und nach einem sehr ehrerbietigen Blick zu Emma hin schaute er mit unverhohlener Freude ihre Begleiterin an. Emma war diese Gelegenheit, sie zu beobachten, nicht unwillkommen. Während die beiden miteinander sprachen, ging sie ein paar Schritte weiter, musterte Mr. Martin mit flinken Augen und wußte bald hinlänglich über ihn Bescheid. Sein Äußeres war sehr anständig, und er machte durchaus den Eindruck eines vernünftigen jungen Mannes, aber weiter wies seine Erscheinung keine Vorzüge auf, und wenn man ihn einem Gentleman gegenüberstellte, müßte er – so dachte sie – allen Boden verlieren, den er in Harriets Herz gewonnen hatte. Harriet war nicht unempfindlich für feine Umgangsformen, sie hatte die vornehme Art ihres Vaters mit Bewunderung und Staunen bemerkt. Und Mr. Martin sah nicht danach aus, als ob er eine Ahnung von feinen Sitten hätte.

      Sie blieben nur ein paar Minuten beieinander stehen, denn man durfte Miss Woodhouse nicht warten lassen. Und dann kam Harriet lächelnd gelaufen, in einer freudigen Erregung, der Miss Woodhouse schleunigst einen Dämpfer aufzusetzen gedachte.

      »Nein, daß wir ihn so unverhofft getroffen haben! Wie sonderbar! Es ist reiner Zufall, sagte er, daß er nicht über Randalls gegangen ist. Er hätte nicht gedacht, daß wir hier spazierengingen, er meinte, wir gingen meistens auf Randalls zu. Die Waldromanze hat er sich noch nicht besorgen können. Als er das letzte Mal in Kingston war, hatte er so viel zu tun, daß er es ganz vergaß, aber er geht morgen wieder hin. Wie merkwürdig, daß wir uns so zufällig treffen mußten! Nun, Miss Woodhouse, sieht er so aus, wie Sie ihn sich vorgestellt haben? Was halten Sie von ihm? Finden Sie ihn sehr einfach?«

      »Er ist ein ganz einfacher Mann, zweifellos – das sieht man auf den ersten Blick. Aber das ist nichts gegen seinen völligen Mangel an Lebensart. Ich hatte ja kein Recht, viel zu erwarten, und habe auch nicht viel erwartet, aber daß er derart bäurisch wäre, so ohne jeden Schliff, konnte ich nicht ahnen. Ich muß gestehen, ich hatte ihn mir doch ein bißchen feiner vorgestellt.«

      »Freilich«, sagte Harriet mit gepreßter Stimme, »er ist nicht so fein wie ein richtiger Gentleman.«

      »Ich meine, Harriet, seit du uns kennst, bist du wiederholt mit ein paar echten Gentlemen zusammengekommen, so daß dir selber der Unterschied gegen Mr. Martin in die Augen springen muß. Du bist in Hartfield Musterbeispielen von gebildeten, wohlerzogenen Männern begegnet. Ich würde mich wundern, wenn du danach wieder mit Mr. Martin zusammenträfst, ohne zu erkennen, wie tief er unter ihnen steht, und ohne dich über dich selber zu wundern, daß er dir jemals sympathisch war. Spürst du das denn jetzt nicht? Bist du nicht betroffen gewesen? Du mußt doch betroffen gewesen sein von seiner Plumpheit und seiner rauhen Art – und von seiner groben Stimme; ich hörte sie, während ich hier stand; die zarteren Töne gehen ihr gänzlich ab.«

      »Freilich, er ist nicht wie Mr. Knightley. Er sieht nicht so vornehm aus und hat auch nicht einen so schönen Gang wie Mr. Knightley; den Unterschied seh ich deutlich genug. Aber Mr. Knightley ist auch ein so feiner Herr!«

      »Mr. Knightley ist eine so vornehme Erscheinung, daß es nicht fair ist, Mr. Martin gerade mit ihm zu vergleichen. Unter hundert fändest du nicht einen, dem der Gentleman so deutlich auf der Stirn geschrieben steht wie Mr. Knightley. Aber er ist ja nicht der einzige Gentleman, mit dem du in letzter Zeit umgehst. Was sagst du zu Mr. Weston und zu Mr. Elton? Vergleiche Mr. Martin mit einem von diesen beiden, mit der Art, wie sie sich halten, wie sie gehen, wie sie sprechen, wie sie schweigen. Du mußt doch den Unterschied sehen!«

      »O ja, es ist ein großer Unterschied. Aber Mr. Weston ist beinah ein alter Mann. Mr. Weston muß doch schon zwischen vierzig und fünfzig sein.«

      »Darum ist sein gutes Benehmen nur um so höher zu schätzen. Je älter ein Mann wird, Harriet, desto wichtiger ist es, daß er keine schlechten Manieren hat, desto auffälliger und widerwärtiger wird alles laute, grobe, plumpe Benehmen. Was bei jungen Leuten noch passabel ist, wird bei einem älteren abstoßend. Mr. Martin ist jetzt schon derb und rauh; wie wird er erst sein, wenn er in Mr. Westons Alter ist?«

      »Ja, das kann man nicht wissen«, erwiderte Harriet sehr ernsthaft.

      »Aber es läßt sich ziemlich leicht erraten. Er wird ganz und gar ein grobschlächtiger, gewöhnlicher Bauer geworden sein, dem es gänzlich einerlei ist, wie er wirkt, und der nichts anderes als Gewinn und Verlust im Kopfe hat.«

      »Meinen Sie wirklich? Das wär ja schlimm!«

      »Wie sehr ihn sein Beruf jetzt schon vergröbert, siehst du deutlich daran, daß er vergessen hat, sich nach dem Buch zu erkundigen, das du

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