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Erfolg zurück in den Hofeingang.

      Die Schritte kamen rasch näher, und als sie in die Straße einbogen, wurden sie mit einem Mal sehr laut. Indem er um die Ecke spähte, konnte der Anwalt in dem Durchgang bald sehen, mit welcher Sorte Mensch er es zu tun hatte. Er war klein und sehr einfach gekleidet, und sein Anblick ging dem Beobachter selbst aus dieser Entfernung irgendwie mächtig gegen den Strich. Dennoch hielt er zielstrebig auf die Tür zu und überquerte die Fahrbahn, um Zeit zu sparen, und wie einer, der nach Hause kam, zog er noch im Gehen einen Schlüssel aus der Tasche.

      Mr. Utterson trat vor und berührte ihn, als er vorbeiging, an der Schulter. »Mr. Hyde, richtig?«

      Mr. Hyde schrak zurück, wobei er zischend den Atem einzog. Aber sein Schreck dauerte nur einen Augenblick; und obwohl er dem Anwalt nicht ins Gesicht blickte, erwiderte er kühl und vollkommen ruhig: »Das ist mein Name. Was wollen Sie?«

      »Ich sehe, Sie wollen grad hineingehen«, gab der Anwalt zurück. »Ich bin ein alter Freund von Dr. Jekyll – Mr. Utterson aus der Gaunt Street –, Sie werden von mir gehört haben. Und da ich Sie gerade treffe, dachte ich, Sie könnten mich hineinlassen.«

      »Sie werden Dr. Jekyll nicht antreffen. Er ist ausgegangen«, antwortete Mr. Hyde, indem er den Schlüssel ins Schloss steckte. Plötzlich aber fragte er, noch immer ohne aufzublicken: »Wie haben Sie mich erkannt?«

      »Zunächst«, sagte Mr. Utterson, »würden Sie mir Ihrerseits einen Gefallen erweisen?«

      »Mit Vergnügen«, antwortete der andere. »Worum geht es?«

      »Würden Sie mich Ihr Gesicht sehen lassen?«, fragte der Anwalt.

      Mr. Hyde schien zu zögern, fuhr dann aber, wie nach einem plötzlichen Einfall, mit trotziger Miene herum, und wie gebannt starrten die beiden einander ein paar Sekunden lang an. »Jetzt werde ich Sie wiedererkennen«, sagte Mr. Utterson. »Könnte von Nutzen sein.«

      »Ja«, gab Mr. Hyde zurück, »überhaupt ist es gut, dass wir uns begegnet sind. Apropos: Besser, Sie haben meine Adresse.« Und er nannte die Nummer einer Straße in Soho.

      »Gütiger Gott!«, dachte Mr. Utterson, »ist es möglich, dass er genauso an das Testament gedacht hat?« Aber er behielt seine Empfindungen für sich und grummelte bloß zum Dank für die Adresse.

      »Und jetzt«, sagte der andere, »wie haben Sie mich erkannt?«

      »Aufgrund einer Beschreibung«, lautete die Antwort.

      »Wessen Beschreibung?«

      »Wir haben gemeinsame Freunde«, sagte Mr. Utterson.

      »Gemeinsame Freunde?«, wiederholte, etwas heiser, Mr. Hyde. »Wen denn?«

      »Zum Beispiel Jekyll«, sagte der Anwalt.

      »Nichts hat der erzählt!«, schrie Mr. Hyde und wurde vor Zorn rot. »Ich hätte nicht geglaubt, dass Sie lügen würden!«

      »Ich denke«, sagte Mr. Utterson, »Sie vergreifen sich im Ton.«

      Der andere brach lauthals in ein wildes Lachen aus, und mit unfassbarer Schnelligkeit hatte er im nächsten Moment die Tür aufgeschlossen und war in dem Haus verschwunden.

      Nachdem Mr. Hyde ihn zurückgelassen hatte, stand der Anwalt noch eine Weile da, ein Inbild der Unruhe. Dann schritt er langsam die Straße hinauf, hielt aber alle paar Schritte inne und fasste sich an die Stirn wie ein Mensch, der sich keinen Rat mehr weiß. Das Problem, das ihn nicht losließ, während er so dahinging, war eines von denen, die selten gelöst werden. Mr. Hyde war bleich und zwergenhaft, er machte einen missgestalteten Eindruck, ohne dass man irgendeine Missbildung hätte benennen können, sein Lächeln war unangenehm, er hatte sich gegenüber dem Anwalt mit einer Art mörderischen Mixtur aus Scheu und Unverschämtheit aufgeführt, und er sprach mit belegter, wispernder, etwas brüchiger Stimme. Alle diese Punkte ließen sich gegen ihn einwenden, konnten aber auch zusammengenommen das unbegreifliche Gefühl aus Ekel, Widerwillen und Furcht nicht erklären, mit dem Mr. Utterson ihn betrachtete. »Dahinter muss noch etwas anderes stecken«, sagte sich der Gentleman in seiner Ratlosigkeit. »Es steckt noch mehr dahinter – wenn ich nur wüsste, wie ich es nennen soll. Bei Gott, der Mann hat kaum etwas Menschliches an sich! Wirkt er nicht wie ein Höhlenmensch? Sollte es sein wie in der alten Geschichte von Dr. Fell? Oder schimmert da bloß eine verkommene Seele durch, die eben dabei ist, ihre irdische Hülle ganz zu entstellen? Ja, das wird es sein – denn ach, mein armer alter Harry Jekyll, habe ich je Satans Signatur auf einem Antlitz gesehen, dann auf dem deines neuen Freundes.«

      Um die Ecke der Seitenstraße lag ein Platz, an dem lauter alte schöne Häuser standen, die jetzt aber größtenteils heruntergekommen und etagen- oder zimmerweise an Leute jeder Art und jedweden Berufes vermietet waren: Landkartenstecher, Architekten, Winkeladvokaten und die Vertreter zweifelhafter Unternehmen. Ein Haus allerdings, das zweite von der Ecke, war noch immer vollständig bewohnt, und vor der Tür dieses Hauses, das unverkennbar Wohlstand und Komfort ausstrahlte, war es abgesehen vom Oberlicht jetzt auch in Dunkelheit getaucht, blieb Mr. Utterson stehen und klopfte. Ein gepflegter älterer Diener öffnete.

      »Ist Dr. Jekyll zu Hause, Poole?«, fragte der Anwalt.

      »Ich werde nachsehen, Mr. Utterson«, sagte Poole und führte den Gast, noch während er sprach, in eine große behagliche Diele mit niedriger Decke und gefliestem Boden, die (nach Art eines Landhauses) von einem hellen, offenen Kaminfeuer erwärmt wurde und mit kostbaren Eichenschränken eingerichtet war. »Wollen Sie hier am Kamin warten, Sir, oder soll ich Ihnen im Speisezimmer Licht machen?«

      »Hier ist gut, danke«, sagte der Anwalt, trat näher und lehnte sich gegen das hohe Kamingitter. Diese Diele, in der er nun allein zurückblieb, war der liebste Ort seines Freundes, des Doktors, und Utterson selbst nannte sie gern den angenehmsten Raum in ganz London. An diesem Abend aber schauderte ihn. Schwer lastete Hydes Gesicht auf seiner Erinnerung. Er verspürte (was selten vorkam) Ekel und Lebensüberdruss, und in seiner düsteren Stimmung glaubte er, in dem Geflacker des Feuerscheins auf den polierten Schränken und dem ruhelosen Hin und Her des Schattens an der Zimmerdecke eine Bedrohung zu lesen. Er schämte sich seiner Erleichterung, als Poole kurz darauf zurückkehrte, um ihm zu melden, dass Dr. Jekyll ausgegangen sei.

      »Ich sah Mr. Hyde durch die Tür des alten Anatomiesaals hineingehen, Poole«, sagte er. »Hat das seine Richtigkeit, wenn Dr. Jekyll nicht da ist?«

      »Durchaus, Mr. Utterson, Sir«, gab der Diener zurück. »Mr. Hyde hat einen Schlüssel.«

      »Ihr Herr scheint diesem jungen Mann ziemlich großes Vertrauen entgegenzubringen, Poole«, meinte der andere nachdenklich.

      »Ja, Sir, tut er«, sagte Poole. »Wir wurden alle angewiesen, ihm zu gehorchen.«

      »Ich bin Mr. Hyde wohl nie begegnet?«, fragte Utterson.

      »Oh, aber nein, Sir. Er speist nie hier«, gab der Butler zurück. »Tatsächlich sehen wir ihn sehr selten in diesem Teil des Hauses. Meistens kommt und geht er durch das Laboratorium.«

      »Also dann, gute Nacht, Poole.«

      »Gute Nacht, Mr. Utterson.«

      Und so machte sich der Anwalt mit einem mehr als schweren Herzen auf den Heimweg. »Armer Harry Jekyll«, dachte er, »ich müsste mich sehr täuschen, wenn er nicht bis zum Hals in Schwierigkeiten steckt! Er war wild, als er noch jung war; natürlich, lange her. Nur gibt’s nun mal vor Gott keine Verjährungsfrist. Ja, das wird es sein – das Gespenst einer alten Sünde, das Geschwür einer lange geheimgehaltenen Schande: Jahre, nachdem das Gedächtnis den Fehltritt vergessen und die Eigenliebe ihn verziehen hat, kommt pede claudo die Strafe.« Und erschrocken über diesen Gedanken, grübelte der Anwalt eine Zeitlang über die eigene Vergangenheit nach und kramte in jedem Winkel seines Gedächtnisses, ob nicht irgendwo der Springteufel einer alten Missetat zufällig ans Licht käme. Seine Vergangenheit war nahezu makellos, so sorglos wie er konnten nur wenige Menschen im Buch ihres Lebens blättern. Und dennoch belastete ihn viel Schlechtes, das er getan hatte, auch wenn er sich dann wieder an einer bescheidenen und furchtsamen Genugtuung

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