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etwa so gefühlvoll wie ein Dudelsack. Tja, Sir, er war wie wir alle. Jedes Mal, wenn sein Blick auf meinen Gefangenen fiel, sah ich, wie der Knochensäger vor Übelkeit bleich wurde, so groß war seine Lust, ihn umzubringen. Ich wusste, was ihm durch den Kopf ging, genauso wie er es von mir wusste, und weil Umbringen nicht in Frage kam, machten wir das Nächstbeste. Wir sagten dem Mann, wir könnten und würden so einen Skandal aus der Sache machen, dass sein Name von einem Ende Londons bis zum anderen stinken würde. Falls er Freunde habe und einen guten Ruf, würden wir dafür sorgen, dass er sie verlor. Und die ganze Zeit, während wir puterrot auf ihn einredeten, hielten wir, so gut es ging, die Frauen von ihm fern, weil die so wild wie Furien waren. Noch nie habe ich in eine Runde so hasserfüllter Gesichter geblickt, und in der Mitte, da stand mit irgendwie finsterer, spöttischer Unverfrorenheit der Mann – auch verängstigt, das konnte ich sehen –, aber ohne mit der Wimper zu zucken, mein Lieber, ganz wie Satan persönlich. »Wenn Sie es vorziehen, aus einem Unfall Kapital zu schlagen«, sagte er, »bin ich natürlich machtlos. Ein Gentleman wünscht jedes Aufsehen zu vermeiden«, meinte er. »Nennen Sie Ihre Summe.« Also trieben wir ihn hoch auf hundert Pfund für die Familie des Kindes, und deutlich sah man, wie gern er sich davor gedrückt hätte. Doch war da etwas in unserer Runde, das nichts Gutes verhieß, und so gab er schließlich nach. Als nächstes galt es, das Geld zu beschaffen. Und glauben Sie, er führte uns zu einem anderen Haus als jenem mit der Tür? – einen Schlüssel gezückt, ging er hinein und kam kurz darauf zurück mit zehn Pfund in Gold und einem bei Coutts einzulösenden Scheck über den Restbetrag, zahlbar an den Überbringer und unterschrieben mit einem Namen, den ich nicht nennen kann, auch wenn er einer der springenden Punkte in meiner Geschichte ist, ein wohlbekannter und oft zu lesender Name war es jedenfalls. Es war eine ziemliche Summe; allerdings war die Unterschrift noch mehr wert, wenn sie nur echt war. Ich nahm mir die Freiheit, meinen Gentleman darauf hinzuweisen, dass das ganze Prozedere zweifelhaft wirkte und dass zumindest im echten Leben ein Mensch nicht um vier Uhr morgens durch den Kellereingang in ein Haus ging und mit einem Scheck über fast hundert Pfund, den ein anderer ausgestellt hatte, wieder herauskam. Er aber war die Ruhe selbst und spottete bloß. »Seien Sie ganz beruhigt«, meinte er. »Ich werde bei Ihnen bleiben, bis die Banken öffnen, und den Scheck persönlich einlösen.« Also machten wir uns zusammen auf den Weg, der Arzt, der Vater des Kindes und unser Freund und ich. Wir verbrachten die restliche Nacht in meiner Kanzlei, und nachdem wir gefrühstückt hatten, gingen wir am nächsten Morgen alle gemeinsam zur Bank. Ich selbst gab den Scheck ab und sagte, ich hätte allen Grund zur Annahme, dass er gefälscht sei. Nicht die Spur. Der Scheck war echt.«

      »Ts, ts«, versetzte Mr. Utterson.

      »Ich sehe, du hast das gleiche Gefühl wie ich«, sagte Mr. Enfield. »Ja, ist eine üble Geschichte. Denn mein Mann war ein Bursche, mit dem keiner etwas zu tun haben möchte, ein wirklich abscheulicher Mensch. Und derjenige, der den Scheck ausgestellt hatte, ist nicht nur die Anständigkeit in Person, sondern auch allseits bekannt und (was das Schlimmste ist) einer von deinen Leuten, die, wie sie es nennen, Gutes tun. Erpressung, vermute ich; ein ehrenwerter Mann, dem man für eine seiner Jugenddummheiten Geld aus der Tasche zieht. Darum nenne ich das Haus mit dieser Tür auch das Erpresserhaus.Obwohl das natürlich bei weitem nicht alles erklärt«, fügte er hinzu und verfiel darauf in nachdenkliches Schweigen.

      Aus diesem Grübeln riss ihn Mr. Utterson, indem er recht unvermittelt fragte: »Und du weißt nicht, ob der Aussteller des Schecks dort wohnt?«

      »Eine passende Adresse, findest du nicht?«, gab Mr. Enfield zurück. »Aber zufällig kenne ich seine Anschrift. Er wohnt an einem Platz irgendwo.«

      »Und du hast dich nie erkundigt – nach dem Haus mit der Tür?«, fragte Mr. Utterson.

      »Nein, Sir – es war mir peinlich«, lautete die Antwort. »Überhaupt stelle ich nur sehr ungern Fragen, ich komme mir dann immer wie am Tag des Jüngsten Gerichts vor. Mit jeder Frage bringt man etwas ins Rollen, ganz so, als wäre sie ein Stein. Friedlich sitzt man oben auf einem Hügel, und schon geraten die Steine ins Rollen und reißen andere mit, und ehe man sich’s versieht, wird irgend so ein gutmütiger alter Tropf (der letzte, an den man gedacht hat) im Garten hinter seinem Haus auf den Kopf getroffen, woraufhin die gesamte Familie den Namen ändern muss. Nein, Sir, mein Grundsatz lautet: Je verdächtiger etwas aussieht, desto weniger frage ich.«

      »Ein sehr guter Grundsatz, durchaus«, sagte der Anwalt.

      »Ich selbst allerdings habe mir das Haus sehr genau angesehen«, fuhr Mr. Enfield fort. »Haus kann man es kaum nennen. Es gibt keine andere Tür, und durch diese eine geht niemand hinein oder kommt heraus außer selten und unregelmäßig der Gentleman meines Abenteuers. Im ersten Stock gibt es drei Fenster zum Hof hinaus, unten keine. Die Fenster sind immer geschlossen, sind aber sauber. Und es gibt einen Schornstein, aus dem meistens Rauch kommt, also muss dort jemand wohnen. Und doch ist das gar nicht so sicher. Denn um diesen Hof herum stehen die Gebäude so dicht beieinander, dass schwer zu sagen ist, wo das eine aufhört und das andere anfängt.«

      Wieder gingen die beiden schweigend eine Weile weiter. »Enfield«, sagte Mr. Utterson irgendwann, »ein wirklich guter Grundsatz, den du da hast.«

      »Ja, ich denke auch«, gab Enfield zurück.

      »Und trotzdem«, fuhr der Anwalt fort, »eine Frage möchte ich noch stellen: Ich möchte dich nach dem Namen des Mannes fragen, der das Kind umgerannt hat.«

      »Tja, ich weiß nicht, was dagegen spricht«, sagte Mr. Enfield. »Es war ein Mann namens Hyde.«

      »Hm«, machte Mr. Utterson. »Nach welcher Sorte Mensch sieht er denn aus?«

      »Er ist nicht leicht zu beschreiben. An seiner äußeren Erscheinung stimmt etwas nicht – etwas Unangenehmes, etwas regelrecht Widerwärtiges hat er an sich. Noch nie ist mir jemand begegnet, der mir so zuwider war, und doch weiß ich kaum, warum. Irgendwo muss er missgebildet sein, jedenfalls vermittelt er einen starken Eindruck von Missbildung, obwohl ich nicht genau sagen könnte, woran es liegt. Er ist ein Mann, der ganz außergewöhnlich aussieht, und doch fällt mir absolut nichts ein, was anders an ihm wäre. Nein, Sir, ich kriege es nicht zu fassen, ich kann ihn nicht beschreiben. Und das nicht, weil ich ein schlechtes Gedächtnis hätte, denn ich versichere dir, jetzt und hier kann ich ihn vor mir sehen.«

      Wieder ging Mr. Utterson weiter, wortlos und sichtlich in tiefes Nachdenken versunken. »Du bist dir sicher, dass er einen Schlüssel benutzte?«, fragte er schließlich.

      »Mein lieber Sir …!«, rief Enfield aus, so verblüfft war er.

      »Ja, ich weiß«, sagte Utterson, »ich weiß, es klingt sonderbar. Nur ist es so, dass ich dich deshalb nicht nach dem Namen des anderen Beteiligten frage, weil ich ihn bereits kenne. Du siehst, Richard, du bist mit deiner Geschichte genau an den Richtigen geraten. Solltest du irgendwo nicht ganz exakt gewesen sein, wäre es gut, das zu korrigieren.«

      »Ich finde, du hättest mich warnen können«, entgegnete der andere mit einem Anflug von Verstimmtheit. »Ich für mein Teil war jedenfalls pedantisch exakt, wie du es nennst. Der Kerl hatte einen Schlüssel, und, was wichtiger ist, er hat ihn noch. Keine Woche ist es her, da habe ich gesehen, wie er ihn benutzte.«

      Mr. Utterson seufzte tief, sagte aber nichts weiter, und so war es der junge Mann, der das Gespräch wieder aufnahm. »Da lerne ich mal wieder, dass es besser ist, überhaupt nichts zu sagen«, sagte er. »Ich schäme mich für meine lose Zunge. Wir wollen nie wieder ein Wort darüber verlieren, abgemacht?«

      »Von Herzen gern«, sagte der Anwalt. »Ich gebe dir meine Hand darauf, Richard.«

      Zweites Kapitel

      Die Suche nach Mr. Hyde

      An jenem Abend kam Mr. Utterson in düsterer Stimmung nach Hause in seine Junggesellenwohnung und begab sich ohne Appetit zu Tisch. Sonntags nach dem Essen setzte er sich für gewöhnlich nah an den Kamin, vor sich auf dem Lesetisch irgendeinen trockenen Band über Theologie, bis die Uhr der benachbarten Kirche zwölf schlug und er nüchtern und dankbar zu Bett ging. An diesem Abend allerdings nahm er, sobald abgeräumt war, eine Kerze und ging in sein Arbeitszimmer. Dort öffnete

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