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      Er hielt sich nur kurz auf, liess den Obersten von Löwenstein das verkünden, was er auf der Juno gesagt hatte, und hinzufügen, dass die Flotte des Regiments samt und sonders von Stund an unter englischem Seekriegsrecht stehe, als dessen Vertreter die Kapitäne der Schiffe zusammen mit den für jedes Schiff vorgesehenen Offizieren des Regiments zu betrachten seien. Am Besanmast sei die britische Flagge zu hissen.

      Und da er eins der dänischen Schiffe zuerst betrat, fügte er gleich einen Sermon über den misshandelten Sauerkohl hinzu: Sauerkraut sei nach Ansicht der englischen Marineärzte das beste Mittel gegen Skorbut. Cooks berühmte Weltreisen letzthin hätten es bewiesen, kein Mann sei, obwohl Jahre unterwegs, an Krankheit gestorben.

      Mit neugeschwellter Brust nahmen die Kapitäne ihren Posten wieder ein.

      Von Strafen war vorerst nicht die Rede, es wurde Essen gefasst, die Kaffeeholer walteten ihres Amtes, es wurde Rum verteilt, welch letzterer dazu beitrug, aller Herzen vertrauensvoller der Himmelsrichtung nach Jamaika zuzuwenden.

      Die Sonne machte sich bereit, genau im Westen und mitten über der Strombreite in eine flanellrote Wolkenbank zu sinken. Die Damen oben in den Parks erschauerten. Es wehte eine abendliche Kühlte von Süden herüber und roch nach Heidekraut und Einsamkeit. Die Pfiffe der Bootsleute schrillten über die Decks. Matrosen enterten in die Masten, glitten an den Rahen hin und banden die Segel los. Das Klickklack der Gangspills begann und das Aufsingen des Ankers mit Vorsänger und Chor.

      Aho, sein Baby ist schwarz;

      Aho, Kuddel Duttel sein auch am Bauch,

      Das ist in die Westindies so Brauch.

      Sie wollten los, ehe die Flut sich ganz verlaufen hätte und die Blankeneser Barre unpassierbar würde. Es zeigte sich nun aber, dass sich die Lotsenboote, die sowohl von oberhalb als unterhalb des Ufers dagewesen waren, wieder verzogen hatten. Da nützte kein Signal. Die Oberlotsen hatten sich nicht einigen können, ob die Blankeneser oder die Oevelgönner am Törn seien. Der Tumult hatte überdies beiden Brüderschaften den Appetit verdorben, da sie fürchten mussten, unversehens ausserhalb der Reling zu landen. Ohne Lotsen aber zwischen den Sandbänken der Elbe umherzugondeln, hatte für die grossen Schiffe keinen Sinn. Zudem war der Wind flau wie eine Tasse Kindertee. Somit liess man die Anker wieder fallen und geite die Segel wieder auf.

      Herr Parish war nicht guter Laune. Seine lange türkische Pfeife hüllte ihn in Gewitterwolken. Er versorgte zwar den Transportagenten mit trockenen Kleidern, warf ihn dann aber hinaus, liess später anspannen, fuhr mit dem Hamburger Kapitän, der ihm die Klemme gemeldet, bis zum Oevelgönner Mühlenweg, kletterte die Elbschlucht hinunter in das am Stromufer lang hingefädelte Dorf und sprach selber mit den Lotsen, die im Fährhaus sassen und den Fall beklönten. Gegen einen Sonderpreis wurde die nächste Tide verabredet.

      Herr Parish fuhr seufzend zurück.

      Als sie bei Rittschers Wirtschaft vorbeikarriolten, sassen da die französischen Emigranten in hellen Haufen, einstige Kammerherren mit vornehmen Gesten und Kardinäle, die jetzt mit Möbeln und Mehl handelten, Generäle, die Klavierunterricht gaben, Prinzessinnen, die Kattunmuster entwarfen, um zu leben; sie tranken auf die Niederlage der Republik in Westindien, abwechselnd aber ebenso auf die der Engländer; der grosse Monsieur, der König im Exil, er solle daherfegen und beide verschlingen. Ein paar Heisssporne riefen hinter Parish her: „Verräter! Neutralitätsbrecher!“

      Herr Parish knurrte verächtlich: „Windbeutel! Altes Suppenzeug! Macht eure Franken stabil wie die Pfunde, dann werde ich Hoheit zu euch sagen, Exzellenz, admirable Majestät, ihr galligen Piephähne!“

      Er war schlechter Laune.

      Sir Popham machte ihm klar, dass die zur Beruhigung der Truppen versprochenen Mehrkosten der Feldzulage ab Ritzebüttel von der Reederei zu tragen seien. Die Schwierigkeit mit den Lotsen kam hinzu, und auch war es leider Tatsache, dass der Hamburger Senat bisher die Ausreisepässe nicht genehmigt habe, um bei den Franzosen kein Ärgernis zu erregen. Er würde ja auch ohne Erlaubnis auf eigene Verantwortung fahren lassen, sein Handelshaus war das grösste am Platze, man würde ihm schon sachte kommen. Aber unangenehm war es doch.

      Auch hatte Popham ihm geraten, die Offiziere des Regiments nicht zum Liebesmahl nach oben zu laden, um die Truppe nicht von ihrer Aufsicht zu entblössen.

      Parks, Strand und Strasse wurden leer, die Neugierigen verschwanden, da es nichts mehr zu sehen gab. Es dunkelte. Das französische Orchester war in langen Stuhlwagen zur Stadt zurückbefördert worden; die Oper begann dort um sechs Uhr.

      Im Saale des Hauses Parish fanden sich privat ein Kniebas und eine Flöte zum Cembalo. Sie spielten unermüdlich die neuesten Anglaisen, Quadrillen und Walzer, auch mal ein Menuett für die älteren Herrschaften. Man wartete immer noch auf die Offiziere, denen zu Ehren Bänder in hannöverschen und englischen Farben von den Wandleuchtern hingen. Auch wiesen zwei Transparente darauf hin, eins mit dem springenden Welfenross, das andere mit einer phantastischen Inselgruppe in einem türkisblauen Meer, in welchem „Antillen“ geschrieben stand. Die Damen, in grosser Überzahl gebeten, langweilten sich. Die paar Tänzer in Zivil mühten sich schwitzend, voran die beiden älteren Söhne des Hauses, John und Richard; aber die enttäuschte Sehnsucht nach den Uniformen, nach der Männlichkeit des Soldatischen, nach Adel und der Gewissheit, wie ein Stern lange Zeit aus der Nacht des Abschieds in eine tapfere, im Namen des Königs der unbekannten Fremde zueilenden Seele zu leuchten, machte die Gnädigen ungnädig. Als beim späten Essen die Gedecke endgültig zusammengerückt wurden, war die Stimmung lange vor dem Eis auf den Gefrierpunkt gelangt. Die Unterhaltung erstarrte. Man hörte vom Strom die Soldaten: „Ach, wie ist’s möglich dann —“ singen.

      Parish raffte sich auf, seine schöne, würdevolle Frau hatte ihm zugenickt. Dann war es immer Zeit, etwas zu reden und für die Stimmung zu tun. „Gastfreiheit, lieben Gäste“, äusserte er daher, „ist ein zwiespältliches Unterfangen, dessen zu rühmen sich auch mein Freund, nennen wir ihm Lang-lebe-Er, den Ehrgeiz brennen liess. Sein Leumund seines gebildeten Geistes und guten Essens und Trinkens lief über in ganz Deutschland, England und so weiter, bei denen Gelehrten und schönen Künsten, wie wir oft es lobten. Im geheimen aber würden alle die mit Erröten ihren Freitisch bezahlen, sollten sie, ohne dass ich dazu beitragen will, in Erfahrung bringen, wie sehr er betrieb unter seine Freunde, wozu auch ich die Ehre hatte, mich zu rechnen, die Einrichtung eines gesonderten, eigenen Hauses für diese, die er Schulfüchse, Federfüchser, Bilderschmierer, Versefritzen und Singefinken zu bezeichnen vorging, sie darin abzufüttern, ohne dass sie einem ins Haus liefen.

      Nun, wenn ich mich dessen zu erinnern getraue, so sang dieses Lied, das uns durch die Fenster vom Transporte schallt, sehr hübsch die Schwiegertochter eines gewissen Herrn Forster, der nach England und zu den alten ehrlichen Käptn Cook als Naturforscher mit ihm ging, was mich auf die Gastfreiheit meines verstorbenen Freundes L. brachte. Als Herr Forster aus England zurückkam, musste er ein Souper erster Klasse bei ihn einnehmen und ging in Bezauberung von der ganzen Humanität nach Hause, denkend unter seiner Hand, dieser edle Gönner, geschätzt mit Wahrscheinlichkeit auf über eine Million, werde es geniessen, ihn aus einer Verlegenheit zu ziehen. Ging also hin, morgens ins Kontor, und entwickelte sein Anliegen der Reise, sie fortzusetzen zur Heimat. Mein L. lachte ihm ins Gesicht. Er hatte nicht die Manieren eines Gentlemans. Herr Forster antwortete: ‚Mein Gott, Ihr Essen gestern muss das Doppelte gekostet sein, als womit Sie dringlichste Not im Augenblick von einer ehrlichen Familie wenden könnten.‘ Ein Argument, das mein L. sehr unverschämt erachtete und ihm die Hälfte schliesslich anbot, welche Forster aber als Ehrenmann kaum genommen haben wird. Mein L. wollte mit berühmte Namen segeln und Prunk machen. Aber darüber weg gab es nichts als zue Knöpfe. Darum Prost, Prost, Prost die verehrlichen Gäste!“

      „Ach der!“ schmunzelte jemand anderes nach dem Tusch und setzte das nicht sehr glücklich gewählte Thema fort. „War nicht auch, um auf unser Militär zu kommen, der berühmte Baron Trenck bei ihm?“ Und er erzählte folgendes: „Kaum war Baron Trenck in Hamburg angekommen, so erhielt er eine dringende Einladung, sich zu einem Prunkdiner einzufinden. Er nahm die Aufforderung an, schrieb aber dem Kaufmanne zugleich: Seine zuvorkommende Gefälligkeit gegen einen Unbekannten lasse ihn nicht zweifeln, dass er ihm gegen einen Wechsel

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