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      Marie Louise Fischer

      Das Geheimnis des Medaillons

      Roman

      SAGA Egmont

      Das Geheimnis des Medaillons

      Genehmigte eBook Ausgabe für Lindhardt og Ringhof A/S

      Copyright © 2017 by Erbengemeinschaft Fischer-Kernmayr, (www.marielouisefischer.de) represented by AVA international GmbH, Germany (www.ava-international.de)

      Originally published 1963 by Hestia Verlag, Germany

      All rights reserved

      ISBN: 9788711718483

      1. Ebook-Auflage, 2017

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt og Ringhof und Autors nicht gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk – a part of Egmont www.egmont.com

      1

      Das Unwetter dauerte schon drei Tage. Unaufhörlich schlugen die gelbgrauen Wellen die Deiche hinauf. Vom Festland war nichts zu sehen. Rings um die Insel herrschte eine eigenartige Dämmerung, die Himmel, Erde und Meer nicht unterscheiden ließ. Der Sturm jagte Wolkenfetzen, riß an den niedrigen strohgedeckten Dächern des Fischerdorfes.

      Drinnen in der Wirtsstube des Deichkruges brannte ein Torffeuer. Der große holzgetäfelte Raum mit der tiefen Decke war warm erleuchtet. Wiebke Jans, die Wirtin, stand rund und prall hinter dem Schanktisch und bereitete dampfenden Teepunsch.

      Die Burschen hockten mit mürrischen Gesichtern beieinander, wußten nichts Rechtes mit sich anzufangen. Ole Peters klapperte mit den Würfeln in der Tasche, versuchte seine Freunde zu einem Spiel zu ermuntern; aber niemand zeigte Lust.

      »Tranfunzeln seid ihr, alle miteinander«, sagte er ärgerlich. »He, Frau Wirtin, noch eine Runde! Auf meine Rechnung – aber tu mehr Rum als Wasser in den Punsch, du weißt: Wasser ist nicht gesund für die Nieren.«

      Das Gelächter seiner Freunde klang schwach.

      Ole Peters drehte sich um und sah einen der beiden Männer an, die im Hintergrund des Raumes dicht beim Feuer saßen. »Wie ist es, Jakobus Schwenzen«, sagte er herausfordernd, »jetzt kannst du mal zeigen, ob du bist, was du vorgibst. Mach uns ein besseres Wetter, dann will ich auch an deine Kunst glauben.«

      Seine Freunde lachten, verstummten aber sofort, als Jakobus Schwenzen seinen stechenden Blick auf sie richtete. »Du redest, wie du’s verstehst«, sagte er langsam, »aber ich versichere dir: Schon mancher hat Jakobus Schwenzen verspottet und ist vierundzwanzig Stunden später angekrochen gekommen, ihn um Hilfe zu bitten.«

      Ole Peters wollte eine trotzige Antwort geben, aber Wiebke Jans, die die Gläser mit Punsch auf den Tisch setzte, ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Sei still«, sagte sie, »versündige dich nicht …«

      Frank Ostwald, der junge Mann neben Jakobus Schwenzen, warf eine Geldmünze auf den Tisch. »Zahlen!« Auf seiner Stirn zeigte sich eine steile Falte.

      Jakobus Schwenzen beugte sich vor. »Sie wollen doch nicht im Ernst – bei dem Wetter?«

      »Mein Vater erwartet mich.«

      Die Wirtin kam näher, strich die Münze ein. »Versucht’s nur«, sagte sie, »aber Ihr werdet es nicht schaffen. Beide Fähren sind seit drei Tagen eingestellt – bis zum Harmshof kommt Ihr nie.«

      »Ich werde mir ein Boot leihen.«

      Die Wirtin warf einen bewundernden Blick auf seine hohe Gestalt, die breiten, kräftigen Schultern. »Euch trau’ ich es zu«, sagte sie, »Euch und sonst niemand. Aber«, fügte sie mit einem kleinen Lächeln hinzu, »ob es Antje Nyhuus recht ist, wenn Ihr das Leben wegen nichts und wieder nichts aufs Spiel setzt?«

      »Seid vernünftig, Herr«, sagte Jakobus Schwenzen, »trinkt lieber noch einen mit mir. Es ist besser, bei diesem Wetter unterm Dach zu bleiben. Ich weiß wohl, Ihr glaubt nicht an irgendwelchen Spuk. Aber ich sage Euch, in einer Nacht wie dieser, wo die Elemente sich gegen die Ordnung aufbäumen, in die sie gebannt sind, da gehen auch böse Geister um. Sie liegen auf der Lauer und wollen ihr Opfer haben. Hört nur, wie sie wimmern und ächzen, die verfluchten …«

      Er hob die Hand, legte den Kopf mit halbgeschlossenen Augen in den Nacken.

      Unwillkürlich lauschten alle – die jungen Burschen mit weit aufgerissenen Augen, die Wirtin schaudernd und Frank Ostwald mit ärgerlicher Ungeduld aber auch er konnte sich der Faszination, die von den Worten und Gebärden dieses seltsamen Mannes ausging, nicht ganz entziehen.

      In diesem Augenblick fegte eine besonders starke Sturmbö heran. Das alte Haus, das Hunderte von Unwettern und Springfluten überstanden hatte, schien in seinen Grundfesten zu beben.

      Dann flog die Tür zur Wirtsstube mit so gewaltigem Schwung auf, daß sie fast aus den Angeln gerissen wurde. Ein Strom eiskalter Luft drang in den Raum. Die Burschen waren aufgesprungen. Jakobus Schwenzen machte eine beschwörende Geste zur Tür hin. In dieser Sekunde hatte jeder das Gefühl, daß etwas Ungeahntes geschehen müßte.

      Frank Ostwald hatte sich als erster gefaßt. Er ging mit großen Schritten zur Tür, wollte sie schließen – da taumelte ein junges Mädchen herein, wankte zum Schanktisch, brach fast zusammen.

      Die jungen Burschen wichen zurück. Wiebke Jans preßte erschrokken die Hand vor den Mund.

      »Das hätte ich mir denken können!« murmelte Jakobus Schwenzen vernehmlich.

      Frank Ostwald drückte die Tür ins Schloß. Er stemmte sich mit der Schulter dagegen, bis sie eingeschnappt war.

      »Undine Carstens«, sagte die Wirtin, »was suchst du hier? In dieser Nacht?«

      »Mein Vater«, stammelte das junge Mädchen mit zitternden Lippen, »es geht ihm sehr schlecht – einen Arzt …«

      Die Stille draußen löste sich, der Sturm setzte in gewohnter Stärke ein. Die Burschen begannen, als ob ein Bann gebrochen wäre, albern zu lachen.

      »Du hast uns schön erschreckt, Jakobus Schwenzen«, rief Ole Peters, der am lautesten lachte. »Spuk und Geisterkram – und das alles wegen einer kleinen Dirn. Mit so einer lütten Hexe werden wir noch allemal fertig.«

      »Der Doktor ist selber krank, weißt du das nicht?« sagte die Wirtin zu dem Mädchen. »Er wird deinem Pflegevater nicht helfen können.«

      »Aber er muß!« rief Undine verzweifelt und warf ihr einen flammenden Blick zu. »Lassen Sie mich mit ihm telefonieren. Er muß kommen.«

      Die Wirtin zuckte die Schultern, drehte die Scheibe des Telefons, das hinter dem Schanktisch stand, stellte eine Verbindung zu dem alten Doktor her, gab Undine den Hörer. »Hier hast du ihn, aber du wirst schon sehen …«

      Undine nahm den Hörer, gab Wiebke Jans ein Geldstück, begann aufgeregt zu sprechen.

      Die Wirtin ließ das Geld in die Schublade des Schanktisches verschwinden.

      »Sehr unvorsichtig!« raunte Jakobus Schwenzen kopfschüttelnd. »Wiebke Jans hätte besser daran getan, sich da nicht einzumischen. Wer von einer Hexe was annimmt, gerät in ihre Gewalt.«

      Frank Ostwald starrte den anderen an. »Sie wollen doch nicht behaupten, dieses hübsche junge Mädchen wäre eine Hexe?«

      »Sie sind fremd hier, Herr, deshalb wissen Sie’s vielleicht nicht. Aber glauben Sie mir, es ist, wie ich es sage. Sie ist eine Hexe, eine wahre Teufelsbraut. Fragen Sie, wen Sie wollen. Fragen Sie das Mädchen selber. Sie leugnet es ja gar nicht.«

      Frank Ostwald holte tief Atem. »Das ist wirklich der verdammteste Unsinn, den ich je

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