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deren sie sich vor dem Beginn des Luftkampfes entledigen konnten.

      Natürlich erkannten auch die Deutschen die Notwendigkeit eines Langstreckeneinsatzes für ihre Me 109 E. Die Tatsache, daß die meisten Ziele in Britannien außerhalb der Reichweite der Me 109 E lagen, bedeutete, daß die Bomber über den Zielen ohne Jagdschutz ankamen, und daher steht außer Frage, daß die geringe Reichweite der Me 109 – in der Luftschlacht um England nie verbessert – einer der Hauptgründe für die fürchterliche Niederlage der Luftwaffe war, eine Niederlage, die als einer der Wendepunkte des Krieges angesehen werden kann. Die Me-109-Jäger hatten nie mehr als zwanzig Minuten, in denen sie ihre Bomber gegen angreifende englische Jäger verteidigen konnten. Hätte die Me nur dreißig Minuten mehr Flugzeit besessen, wäre die Luftschlacht von einer kleineren Zahl als der von der Geschichte überlieferten gewonnen worden.«

      Bei wolkenlosem Himmel überfliegt die Kampfgruppe den Kanal ohne Feindberühung, aber kurz vor der Küste wird die Formation von Spitfires und Hurricanes abgefangen und gesprengt. Da sich die Piloten des Fighter Command nicht an die Befehle des deutschen Reichsmarschalls halten, kommt die Gruppe, in wilde Luftkämpfe verwickelt, doch noch zu ihrer eigentlichen Bestimmung.

      Bei der wilden Kurbelei gelingt Michalski der Trick, den ihm so leicht keiner nachmacht: Er fährt die Landeklappen aus, drosselt den Motor bis zum Äußersten, reißt die Me 109 in die denkbar engste Schleife und kommt von unten, statt aus der Überhöhung anzugreifen. Er überrumpelt den R.A.F.-Piloten, dem man auf der Jagdschule eingetrichtert hat: »Denk an den Hunnen in der Sonne.«

      Ein kurzer Feuerstoß.

      Michalski verfolgt, wie die brennende Spit nach unten trudelt.

      Über Sprechfunk gibt er seinen Leuten den Befehl, die Luftkämpfe abzubrechen und ihre gejagten Schützlinge wieder einzuholen.

      Unter ihm liegen normannische Kirchen, idyllische Wasserläufe, Dörfer mit Strohdächern; in 4000 Meter Höhe überfliegt der Oberleutnant eine Kathedrale, deren Türme mit greisen Fingern nach oben zeigen, zum Himmel, der zur Hölle wird. In rollenden Einsätzen, in gestaffelten Höhen greifen seit Stunden Bombenflugzeuge mit dem Balkenkreuz Ziele in Südengland an, werden abgedrängt oder kommen durch, werfen ihre Bombenteppiche ins Ziel oder setzen sie wahllos ins Gelände. Mitunter sieht die Erde von oben aus, als trüge sie eine Gänsehaut.

      Kurz bevor die Staffel Michalski umkehren und den Ju-88-Verband sich selbst überlassen muß, gerät die Kampfeinheit in eine Flakfalle. Die erste Ju platzt in der Luft. Feldwebel Sack versucht, im Bügeleisenwalzer aus den Sprengwölkchen herauszukommen. Eine Granate reißt seine linke Tragfläche auf. Aus. Keiner kann hinterher sagen, ob der Pilot noch aus der Maschine gekommen ist oder nicht. Die Begleitjäger müssen jetzt umdrehen, die Ju-88-Gruppe erleidet das über Südengland typische Schicksal. »In 4000 m sind die Lagen noch mittelmäßig, nur störend. In 2000 m und darunter stark und gutliegend«, schreibt in seinem Buch »Kampfgeschwader 51« Wolfgang Dierich. »Immer mehr unserer Kameraden scheren getroffen durch Jäger oder Flak aus. Dreizehn Besatzungen unseres Verbandes kommen nicht zurück. Eine Hurricane der 213. Squadron schießt um 12 Uhr 30 die Maschine des Kommodore ab. Oberst Dr. Fisser fällt, sein Beobachter, Oberleutnant Lüderitz, und Leutnant Schad geraten schwer verwundet in Gefangenschaft.

      Die I. Gruppe verliert vier Besatzungen, die II. Gruppe zwei, die III. Gruppe sechs. Nur wenige überleben und geraten in englische Gefangenschaft.

      Als der Verband abdreht, stürzen sich Spitfires, Hurricanes und Defiants wie Habichte auf die Zurückkehrenden. Außer den dreizehn abgeschossenen Maschinen werden fast alle durch MG- und Kanonentreffer zum Teil erheblich beschädigt. Major Marienfeld, Kommandeur der III. Gruppe, und Oberleutnant Lange, 9. Staffel, schießen mit ihrer Besatzung je eine Spitfire ab. Besatzung Leutnant Unrau wird über dem Kanal von drei Hurricanes verfolgt. Sein Bordfunker, Feldwebel Winter, schießt eine Hurricane ab. Nachdem ein Motor der Ju ausgeschossen worden war, erreichte sie mit Mühe die französische Küste und konnte – als auch der zweite Motor stehen blieb – nur mit fliegerischem Geschick eine Bauchlandung am äußersten Rand der Steilküste durchführen. Sie zählten, unverletzt ausgestiegen, allein 180 Treffer an ihrer Maschine.«

      Über Dünkirchen wurde den sieggewohnten Geschwadern der Luftwaffe der eine oder andere Zahn gezogen; über Südengland fürchten sie jetzt den Biß zu verlieren. Die heimkehrenden Jäger müssen nun selbst sehen, wie sie durchkommen, und sie wissen, daß das englische Fighter Command auch sie angreift, wenn sie auf dem Rückflug wegen Spritmangels keine großen Sprünge mehr machen können. Die Spits und Hurris lauern in großer Höhe, schießen aus der Sonne heran und knallen ab, was ihnen vor ihre acht MGs kommt.

      Die Battle over Britain hatte am 13. August 1940 begonnen. Mitte September sollte dann der Seelöwe auf die Insel springen. Die Luftwaffe bot auf, was sie hatte: In Scharen zogen Bomber, Jäger, Zerstörer und Stukas aus frontnahen Basen westwärts. An jedem Tag, an dem es das Wetter erlaubte, war es zu einem beispiellosen Gemetzel gekommen. Immer wieder hatten sich die Staffeln des Fighter Command durch die Verbände der Kampfflieger gepflügt und, ihr Opfer im Visier, abgedrückt, bevor die mit gedrosselten Motoren fliegenden Mes überhaupt eingreifen konnten. Sie flogen ihnen entgegen, und allmählich hatten die deutschen Besatzungen den Eindruck, sie kämpften nicht gegen Engländer, sondern gegen Gespenster.

      »Sie stehen immer richtig. Sie verfehlen die Angreifer nie«, schreibt in seinem Buch »Augen durch Nacht und Nebel« Cajus Bekker. »Wenn einer abgeschossen ist, tauchen zwei neue dafür auf. Sie scheinen genau zu wissen, wo die Bomber einfliegen, sie scheinen sogar ihre Zahl schon im voraus zu kennen.

      Wie machen sie das? Woher nehmen sie diese verblüffende Sicherheit? Welche geheimnisvolle Kraft gestattet es ihnen, den Flugweg der deutschen Verbände immer wieder zu erkennen?

      Auf den Fliegerhorsten in Frankreich zerbrechen sich die Kommandeure der deutschen Kampffliegergruppen den Kopf über diese täglich neu und täglich dringender gestellten Fragen. Denn die Abschußziffern sind hoch, viel zu hoch. Manchmal kommen 20 oder gar 30 Prozent der eingesetzten Maschinen nicht zurück. Andere erreichen nur mit letzter Kraft schwer beschädigt französischen Boden. Doch die Materialverluste wird man noch ausgleichen können. Unersetzlich ist der Verlust der Menschen, der erfahrenen, eingeflogenen Besatzungen.

      Sie haben damit gerechnet, daß dieser Kampf nicht leicht werde, daß er nicht in wenigen Tagen siegreich überstanden sein wird. Aber sie haben nicht mit dieser unsichtbaren, unfaßbaren Überlegenheit des Gegners gerechnet, mit diesem ständigen Zur-Stelle-Sein, zur rechten Zeit am rechten Ort.«

      Über dem Kanal kommt es zur üblichen Jägeransammlung. Jeder ist mit sich selbst beschäftigt, starrt gebannt auf die rote Lampe, die den Benzinmangel anzeigt. Auf einmal ist auch die Gruppe Steinhoff zur Stelle, von den Engländern respektvoll die »Abbéville Boys« genannt. Man stiehlt sich von der Front zurück zum E-Hafen. Es herrscht strikte Funkstille, um die Engländer nicht auf die Spätheimkehrer, die ihre Minuten verschossen und ihren Sprit verflogen haben, aufmerksam zu machen.

      Hinrichs, der Cuprex-Kamerad, ist zurückgeblieben. Er gerät in Panik. »Ich bin allein, ganz allein«, jammert er, entgegen dem Befehl, in sein Bordmikrophon.

      »Halt’s Maul, du dummer Hund«, erwidert einer, der sich heimwärts stiehlt. »Du bist nicht allein. Eine Spitfire hängt an deinem Arsch!«

      Möllner stürzt 200 Meter von der Küste entfernt in den Kanal und wird aufgefischt. Dann stellt sich heraus, daß Feugele fehlt. In Gedanken buchen sie ihn schon ab; aber dann meldet er sich von einem anderen E-Hafen, Überlebender einer Bauchlandung wegen Spritmangels. Kurze Zeit später wird der Feldwebel von einem Kübelwagen herangeschafft.

      »So hätt’s nun auch wieder nicht pressiert«, sagt Hinrichs, nachdem er ihm zu seinem Fliegergeburtstag gratuliert hat, und schaut nach oben, wo sich der Himmel mit Wolken überzieht wie die Milch mit einer Haut; das heißt, daß morgen endlich wieder einmal Waffenruhe herrschen wird.

      Gegen Mittag fahren sie nach Abbéville. Inzwischen ist der kleine Fritzmann seinen Brandwunden erlegen und kann zusammen mit den anderen auf dem Heldenfriedhof beigesetzt werden, und Feugele fragt sich, was es für eine Verschwendung sei, den Hauptmann Feuerbach in

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