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Читать онлайн.„Also Constanze —” sagte Sempach. Und nach einer nachdenklichen Pause: „Hören Sie, Constanze, was soll aus Ihnen werden?”
„So Gott will, eine Könnerin auf dem Klavier.”
„Also Klaviervirtuosin? Hm.”
„Sie glauben es nicht?”
„Doch, doch —”
Constanze blieb stehen und sah dem Professor fest in die Augen. Wer weiß, woher sie den Mut dazu nahm. „Herr Professor, Sie haben mich noch nie spielen hören und sind schon ungläubig — Warum?”
„Weil Sie’s zu sehr ergreift. Und —” Sempachs Habichtgesicht lächelte gütig, „weil Sie zu schade sind, an der Kunst kaputt zu gehen. Sie sind zu Schönerem geboren!”
„Gibt es etwas Schöneres als die Kunst?”
„Manchmal für manche — ja.”
„Da kommt der 3er! Mein Autobus! Ich möchte nach Haus!”
„Ich komme mit.”
Sie sprangen auf den schon losfahrenden Autobus.
„Ja, Herr Professor?” fragte Constanze. Sie verstand nicht, daß Sempach solches Interesse an ihr nahm.
„Ich wohne immer, wenn ich in Berlin bin, in einem Pensionat am Bayerischen Platz,” erklärte er, den Anlaß ihrer Verwunderung erratend.
„Ich wohne auch dort! In der Salzburgerstraße —” sagte Constanze. Und als sie die Fahrkarten gelöst hatten, fuhr sie fort: „Das Jahr beginnt schön für mich.”
„Für mich auch, Fräulein Constanze. Entschuldigen Sie, Ihren Familiennamen habe ich vergessen.”
Constanze, mit einem Arm am Haltestrang hängend — sie standen im vollbesetzten Wagen einander gegenüber — lächelte.
Als sie am Wartburgplatz ausstiegen und Sempach Constanze heimbegleitete, fragte sie: „Was meinten Sie vorhin im Tiergarten mit Ihrer Antwort: „Manchmal für manche ja?”
Sempach antwortete nicht sofort. Dann sah er sie mit einem kalten harten Blick an: „Wer für die Liebe geboren ist, ist für die Kunst verloren. Und wer für die Kunst geboren ist, ist für die Liebe verloren. Sie aber sind so sicher für die Liebe geboren wie ich für die Kunst. Leider — für die Kunst, sage ich, wenn ich Sie anschaue in Ihrer beseligenden Anmut —”
„Herr Professor!” wehrte Constanze ab. „Ich will aber eine Künstlerin werden und pfeif auf die Liebe!”
„Wie alt sind Sie?”
„Einundzwanzig.”
„Ein — und — zwan — zig —” Sempach kostete die Zahl wie einen feurigen Wein.
Constanze blieb stehen. Sie waren vor ihrem Haus angelangt. Salzburgerstraße 10.
„Es wird Ihnen nichts nützen.”
„Ich werd Ihnen schreiben, wennn ich’s schaffe —”
„Gut! Schreiben Sie! Aber wundern Sie sich nicht, wenn ich erst nach Wochen und Monaten antworte. Ich habe selten solche Stunden frei wie diese.”
Constanze wußte nichts darauf zu sagen. Sie ergriff nur Sempachs Hand.
„Nun möchte ich doch Ihren Familiennamen wissen.”
„Constanze Dornbühl. Weshalb?”
„Bei wem lernen Sie?”
„Bei Professor Dämpfinger.”
„Oha — bei Ignatz! Großartig. Er ist mein Freund. Ich werd ihn bitten, sich Ihrer besonders anzunehmen.”
„Herr Professor —!” jubelte Constanze auf. Am liebsten wäre sie ihm um den Hals gefallen. Sie schüttelte ihm wenigstens kräftig die Hand zum Dank.
„Nun gehen Sie schlafen. Schlafen Sie gut ins neue Jahr hinein.”
„Danke, Herr Professor. Ich weiß, es wird mir Glück bringen. Auch Ihnen soll es Glück bringen — Gute Nacht!”
„Gute Nacht, Constanze Dornbühl!”
Als Sempach allein zum Bayrischen Platz weiterschritt, hielt er sinnend den Blick am Boden. „Vielleicht wirst du Glück haben, süßer Botticelli-Engel. Vielleicht —” dachte er. „Aber anders als du meinst. In der Liebe. Vielleicht. In der Kunst —?”
III
Constanze erwachte am Neujahrsmorgen mit einem großen Glücksgefühl. Zuerst war ihr, als hätte sie nur einen glücklichen Traum gehabt, von dem sie im Aufwachen — seine Bilder vergessend — nur noch den Duft in sich spürte, aber dann wurde ihr klar: das Glück blühte aus wirklichem Erleben. Das Gespräch mit Tasso Sempach im Tiergarten und hier vor dem Haus klang so beglückend in ihr nach.
Sie knipste den kleinen Rundfunkapparat an, den sie auf dem Nachttisch stehen hatte; ja, sie war zu guter Stunde aufgewacht, obwohl die kleine Pendeluhr im Zimmer nebenan 2 Uhr schlug, als sie sich ins Bett legte und sofort einschlief, selig wie als Kind. Aus dem Radio schallten ihr die frischen Kommandos des Gymnastiklehrers entgegen. Sie sprang aus dem Bett, öffnete das Fenster, das nur einen Spalt offen hatte, ganz weit und zog den Tüllvorhang vor, warf den Pyjama ab und machte brav die befohlenen Kniebeugen, Armschwingungen und Körperdrehungen. Sie hüpfte kunstgerecht zwischen den Möbeln hin und her. Plötzlich blieb sie erstarrt vor Charlos Bett stehen, das hinter einer spanischen Wand ganz im Winkel des Zimmers stand, während Constanze in der Nähe des Fensters schlief. Sie brauchte die frische Luft; Charlo dagegen fror leicht und hatte sich daher in ihre „Kabüse”, wie sie ihren Bettwinkel nannte, zurückgezogen.
Doch Charlo war in der Kabüse nicht zu finden. Constanze knipste den Rundfunk aus, warf einen leichten hellblauen Seidenmantel über, und öffnete die Tür nach nebenan, wo die „unheilige Cäcilie” auf einer Couch schlief. Die unheilige Cäcilie erhielt von Stefan Klodwig diesen Spitznamen, weil sie im Gegensatz zu Constanze und Charlo, die diese möblierte Wohnung sich gemietet hatten und darin nun (endlich ohne Wirtin!) selber wirtschafteten, gänzlich unmusikalisch war. Dennoch war das Zimmer, in dem Cäcilie schlief, voller musikalischer Dinge: das Klavier stand hier und Charlos Saxophon, Notenpulte, Notenständer und in zwei Regalen eine kleine musikwissenschaftliche Bibliothek. Dazu ein Rundfunkapparat. Und zu alledem: Schnurri, der fröhlichste aller Kanarienvögel.
Von all diesen Dingen hatten eigentlich nur die Couch, auf der Cäcilie Stumpf schlief, und dieser lustige Schnurri, der ihr persönliches Eigentum war, etwas mit ihr zu tun. Ansonsten war Cäcilie völlig unmusikalisch, konnte mühsam „Fuchs, du hast die Gans gestohlen” richtig singen (allenfalls im Chor traf sie den rechten Ton) — gerade deshalb war sie die herrlichste Wohngenossin für die andern beiden. Oft, wenn Constanze und Charlo den ganzen Nachmittag abwechselnd geübt hatten, schmiß die temperamentvolle Charlo dann abends die Tür zu: „Ich kann den ganzen Schmeißdreck nicht mehr sehen!” (Charlo war nicht sehr wählerisch in ihren Ausdrücken.)
Dann lachte Cäcilies rundes frisches Bubengesicht so hell auf, daß ihre lustigen Augen, deren Iris immer in einem unbestimmbaren Grüngraublau schillerten, ganz klein wurden: „Mich stört der Kram nicht. Gegen den Maschinenlärm in unsrer Fabrik ist das, was ihr beiden Lämmerchen vollführt, ein lustiges Gequieke!”
Constanze fuhr dann mit gemachter Empörung auf: „Unerhört! Wenn Charlo Wildhofer — „die” Wildhofer, wie es schon in der Hochschule höchst prominent heißt — eine Beethovensonate spielt, daß man ganz elektrisiert ist, das nennt die unheilige Cäcilie „lustiges Gequieke”. Wie kam denn deine Mutter darauf, dich nach der Schutzpatronin der Musik Cäcilie zu taufen?”
„Sie hatte gerade einen Roman gelesen, in dem die Heldin Cäcilie hieß —”
„Ein neuer Beweis für