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der Tag, an dem John Franklin mit seinen Getreuen im Dunst des nördlichen Eismeers auf immer entschwand.

      Eskimos wollten später irgendwo Männer gesehen haben, die sich taumelnd durch Nacht und Eis geschleppt haben. Aber solche Nachrichten gehörten bereits zu all dem Vagen und Spekulativen, das sich um den Untergang Franklins rankte.

      1847 hatte die Navy die ersten Suchschiffe ausgeschickt, darunter eines, das von Franklins Weggefährten aus Kanada, John Richardson, befehligt wurde, und ein anderes, das sein Freund aus den besseren Tagen von Hobart, James Clark Ross, leitete. Bald durchkämmten Suchmannschaften der Admiralität, des United States Navy Departments und Lady Franklins sowohl von Westen wie von Osten her das Meer im Norden Kanadas.

      Zwar fanden Besatzungsmitglieder der – welche Fügung! – »Lady Franklin« unter William Penny am 27. August 1850 auf der Beechey Insel die Gräber von drei Mitgliedern aus Franklins Crew. Was indessen mit den übrigen einhundertsechsundzwanzig geschehen war, konnte auch dieser Fund nicht enthüllen.

      Dass Robert John Le Mesurier McClure, nachdem er sich auf der »Investigator« von der Beaufortsee bis zur Barrowstraße vorgearbeitet hatte, dort aber sein Schiff verlassen musste, auf dem folgenden Marsch gen Osten 1854 die Nordwestpassage sozusagen en passant entdeckte – wen interessierte das? Wo doch Lady Franklins herzzerreißende Emsigkeit, das Los ihres Gatten zu klären, alle Schlagzeilen beherrschte! Als Karl Brandes 1854 sein Buch Sir John Franklin. Die Unternehmungen für seine Rettung vorlegte, benötigte er für die Aufzählung dessen, was bisher in die Wege geleitet worden war, mehr als dreihundert Seiten. Und die Suchmannschaften zogen weiterhin aus. Jahr um Jahr … Sommer wie Winter … Bis alle Mühsal zu guter Letzt belohnt wurde. Am 9. Mai 1859 fand William Robert Hobson unter einem Steinhaufen auf King William Land einen Zettel, durch den mitgeteilt wurde: »Sir John Franklin starb am 11. Juni 1847.«

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       Wie alle Offiziere der »Erebus«-und-»Terror«-Expedition von 1845 ließ sich John Franklin vor dem Start fotografieren

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       »Sir John Franklin died on the 11th June 1847« – die Notiz am äußersten rechten Rand dieses Zettels beendete das Rätselraten um John Franklins Schicksal

      Es war die Meldung vom Tod eines Mannes, der das »Unbound«-Sein gelebt hatte, das Weg-von-hier, den Wissensdrang. Und so war er am Ende auch inmitten seiner Forschertätigkeit von der einen Welt in die andere hinübergewandert. Das ist es, worauf Alfred Tennysons Spruch auf dem Ehrenmal für Sir John Franklin in der Westminster Abbey zu London anspielt:

      »Nicht hier: im Nord ist dein Gebein verscharrt,

      derweil du, Segler-Geist,

      auf Deiner glücklicheren Helden-Fahrt

      zu keinem Erd-Pol reist.«

       Detlef Brennecke

      1Ist es nicht eine seltsame Begebenheit, dass der Norweger Roald Amundsen 1899 in der nur dreißig Meilen von Spilsby entfernten Hafenstadt Grimsby eine Büchersammlung zur Entdeckungsgeschichte der Nordwestpassage erstehen sollte – eine Bibliothek, deren Studium ihn dazu befähigte, jenen Seeweg zwischen 1903 und 1905 tatsächlich zu befahren?

      2Über »Green Stockings« erfährt der Leser mehr im 3. Kapitel des vorliegenden Bandes.

      JOHN FRANKLIN

INS ARKTISCHE AMERIKA

      1. KAPITEL

       Abreise von England – Die Davis-

       Straße – York Factory

      Am 23. Mai 1819 schiffte sich die Reisegesellschaft an Bord eines der Hudson-Bay-Kompanie gehörigen Schiffs, der »Prinz von Wales«, zu Gravesend ein. – Bei der Einfahrt in das Atlantische Meer erließ ich eine Anweisung zur Nachricht und zum Verhalten der Offiziere im Laufe der uns aufgetragenen Dienstverrichtungen und erteilte ihnen über die nach meinen Instruktionen von uns erwarteten Aufklärungen und Entdeckungen nähere Auskunft. Auch gab ich ihnen Abschriften der Signale, die ich mit Parry verabredet hatte, um uns ihrer zu bedienen, falls wir die Nordküste von Amerika erreichten und zusammenträfen.

      Am 25. Juli waren wir an der Einfahrt der Davis-Straße. Hier sprachen wir mit der Mannschaft eines nach England bestimmten Walfischfahrers, der eine Ladung von vierzehn Walfischen an Bord hatte. Der Befehlshaber benachrichtigte uns, dass das Eis in dieser Jahreszeit in der Davis-Straße stärker sei, als es, solange er denken könnte, gewesen wäre; auch läge es insbesondere sehr dicht gegen Westen, wo es sich im Norden von Resolution Island der Küste angeschlossen und von dort aus bis nahe an die grönländische Küste ausgedehnt habe. Zwar habe es eine Fülle von Walfischen gegeben, doch hätten wegen des ungemein dichten Eises nur wenige erlegt werden können. Seine und mehrerer anderer Walfischfahrer Schiffe wären bedeutend beschädigt, und zwei wären zwischen ungeheuren Eismassen unter 74°40' nördlicher Breite gänzlich zerschmettert; doch sei die Mannschaft gerettet worden. Aufs Angelegentlichste, doch vergebens, erkundigten wir uns nach dem Kapitän Parry; da aber seit einiger Zeit der Wind, wie der Walfischfahrer versicherte, stark aus Norden geweht hatte, und daraus zu schließen war, dass die Baffin Bay vom Eis frei sei, so waren wir geneigt, uns von seinen Fortschritten günstige Hoffnungen zu machen.

      Die Wolken nahmen an jenem Abend so sehr den Anschein der Eisberge an, dass der größte Teil der Schiffsgesellschaft dadurch getäuscht wurde; doch war ihre Einbildungskraft durch die Mitteilung des Walfischfahrers, dass er erst zwei Tage vor unserem Zusammentreffen eine Gruppe von Eisbergen verlassen habe, aufs Äußerste gespannt.

      Am 28. kreuzten wir, um einer großen Fläche schwimmenden Eises auszuweichen. Am folgenden Tag näherten wir uns einer zweiten, und am 2. August trafen wir unter 59°58' nördlicher Breite und 59°53' westlicher Länge zum ersten Mal auf große Eisberge und wurden am Abend durch verschiedene derselben eingekreist, denen wir nur durch Kreuzen entgingen. Die kürzere Entfernung der Küste von Labrador betrug hier achtundachtzig Meilen; wir loteten, fanden aber keinen Grund.

      Am 5. August versuchten einige Offiziere, einen der größeren Eisberge zu ersteigen; doch war es wegen der steilen, glatten Abhänge nicht möglich. Dies war einer der größten, die wir sahen, und seine Höhe betrug 149 Fuß; allein diese Eismassen werden in nebliger Atmosphäre oft täuschend bis ins Unermessliche vergrößert, weshalb nicht selten Reisende ihren Umfang sehr übertrieben dargestellt haben.

      Am 7. sah man die Resolution-Insel, und nachdem man deren eisigen Küsten mit genauer Not und nicht ohne ein starkes Leck entgangen war, segelte das Schiff am 11. in die Hudson-Straße ein.

      Am 12. August erreichten wir die Saddleback-Insel, die sehr raue Umrisse hat. – Frühmorgens waren wir dem oberen, von Wilden bewohnten Teil der Insel gegenüber und näherten uns der Küste so sehr wie möglich, um den das Land bewohnenden Eskimos Gelegenheit zu geben, zum Tauschhandel an Bord zu kommen; eine Gelegenheit, die sie bald ergriffen. Schon am Vormittag umringten uns vierzig Kanus, in denen je ein Mann saß. Als wir uns nachmittags der Küste mehr genähert hatten, langten noch fünf bis sechs andere Boote an, in denen sich Weiber und Kinder befanden.

      Die Eskimos zeigten sogleich ein großes Verlangen, Tauschhandel zu treiben, und bewiesen dabei keine geringe Verschlagenheit, indem sie sich sehr hüteten, anfangs nicht zu viele Artikel zum Vorschein zu bringen. Hauptsächlich boten sie Öl, Seehundszähne, Walfischknochen, Kleidungsstücke, insbesondere Mützen und Stiefel aus Seehundsfellen und dergleichen zum Tausch an und erhielten dagegen kleine Sägen, Messer, zinnerne Kessel und Nadeln. Lustig war es anzuschauen, wie jeder, der etwas eingetauscht hatte, laut aufjauchzte und den erhandelten Gegenstand aus Freude mit der Zunge beleckte, wovon selbst die Nadeln nicht ausgenommen waren. Die Weiber brachten Abbildungen von Männern, Weibern, vierfüßigen Tieren und Vögeln, die mit Mühe und Geschicklichkeit aus Seehundszähnen geschnitzt waren; doch hatten

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