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Drachentöter. Rudolf Stratz
Читать онлайн.Название Drachentöter
Год выпуска 0
isbn 9788711507223
Автор произведения Rudolf Stratz
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Die grüne Limousine mässigte ihre Fahrt und bog auf den Feldweg ein. Hier, auf dem weichen Boden, rollte sie langsam. Aber sie kam näher und näher. Die Blicke der beiden hingen an ihr . . .
„Na wartet . . . wenn ich in München bin . . .“ sagte er halblaut vor sich hin.
„Katzengrün muss die Sache deixeln!“ rief der vorbeieilende galizische Jüngling von vorhin und fuchtelte mit den Armen. „Sie kennen doch den Rechtsanwalt Katzengrün — den grossen Lizenzkäufer — auf holländische Rechnung . . . oder ist’s schwedisches Geld . . . Da schauen’s die Wolken im Westen! Wenn die Sonne weggeht, derfen wir uns die ganze Reiterschlacht sauer kochen lassen! Dös weiss die Bagasch’ da — die ölendige! . . .“
Das Auto . . . das Auto . . . Sie zogen es mit ihren Blicken leidenschaftlich zu sich heran. „Noch eine halbe Minute“ murmelte er. Da klang hinter ihnen, aus den Gruppen des mittelalterlichen Volkes, die helle Stimme eines blondgezopften, in eine Wurststulle beissenden Gretchens:
„Kinner . . . die Bolizet“
Sie drehten sich jäh um. Quer über den Platz, mitten durch die Menge, schritten zwei Gendarmie-Wachtmeister in grünen Mänteln, mit umgeschnalltem Revolver. Hinter ihnen ein hagerer Herr in Zivil, mit Schmissen im Gesicht, der ein Papier in der Hand hielt und sich suchend umsah.
„Nu filmt der Staatsanwalt mit!“ meinte die Blondine neugierig.
„Das is’n Untersuchungsrichter — den kenn’ ich!“ belehrte sie ihr Nachbar, der täuschend echt als mittelalterlicher Gänsedieb gekleidet war.
Der Vertreter der Behörde blieb stehen, schaute prüfend einen Malergehilfen in langem, buntbeklextem Mantel an. Ging weiter. Gerade auf die beiden zu. Der Mann im Gefängniskittel, mit den Gefängnishosen an den Beinen, wusste, wen — hinter dem goldenen Zwicker — die Augen des alten Korpsstudenten drüben suchten! Das Auto . . . Er berechnete im Bruchteil einer Sekunde — der Untersuchungsrichter war noch fünfzig Schritt entfernt. Das Auto musste jetzt eben vorfahren . . . Wenn man, ehe es stoppte, hineinsprang, noch im Schwung der Fahrt im Bogen schwenkte und die Karre auf Mord und Kaputt laufen liess, dann war noch Rettung möglich . . . Ein paar Kugeln aus den Gendarmerie-Karabinern — die brauchten ja nicht gleich die Pressluft aus den Gummischläuchen zu fetzen . . . oder einen selber durch die Rückwand zu treffen . . . Er war durch mehr Ehrenspaliere weisser Blitzwölkchen von Schrapnells gegondelt . . . als Kampfflieger im Krieg . . .
Das Auto — Er wandte sich um: Er sah es nicht! Nur eine rasselnde, gepanzerte Reitermasse, die von dem Blachfeld drüben herübertrabte und zu beiden Seiten des Weges aufritt. Es war dem Rechtsanwalt Rakengrün gelungen, sich mit dem Betriebsrat der Kreuzfahrer auf fünfunddreissig Prozent. Zulage zu einigen. Alles ordnete sich kriegerisch, unter Trompetengeschmetter, zur Ritterschlacht auf dem Marktplatz.
Eine Bewegung der Frau neben ihm . . . Er hatte es erwartet, dass sie versuchen würde, beim Anblick der Gendarmen zu entfliehen! Die Ärmel ihres Pelzes waren weit geschnitten. Er fuhr mit der Rechten unter den Saum und umspannte, ruhig, dicht bei ihr stehend, — ohne dass es ringsum auffallen konnte — mit einem Griff ihr linkes Handgelenk.
„Sie bleiben!“, sagte er.
Ihr Arm zuckte. Suchte sich zu befreien. Er hielt sie fest und schaute kalt, gleichgültig, nach dem nahenden Richter. Er war viel stärker als sie. Sie konnte nichts gegen ihn machen. Sie durfte sich auch nicht durch eine ungebärdige Bewegung verraten. Er fühlte das plötzliche, nervöse zittern ihres Körpers. Er glaubte förmlich, ihre Zähne klappern zu hören. Ihr schönes Gesicht verlor jede Farbe. Und doch zwang sie es noch, um sich nichts anmerken zu lassen, zu einem verzweifelten Lächeln für die Menschen draussen. Sie murmelte; als sprächen sie vom Wetter:
„Lassen Sie mich frei . . .“
Er antwortete gar nicht.
„Da . . . da bleibt er . . . wieder stehen . . .“ sagte sie verzerrt heiter: „Ich kann noch schnell weg . . . Ins nächste, beste Auto . . .“
„Das glaub’ ich . .“ Seine Hand rang unsichtbar mit ihrem Arm. Es war für sie ein hoffnungsloses Spiel. Niemand achtete auf sie. Alle umher schauten nach vorn, auf den Mann des Gesetzes, der jetzt wieder langsam mit den Wachtmeistern weiterging — auf sie zu — wieder stehenblieb . . . Noch eine Galgenfrist . . .
Sie langte mit der freien Hand in die Tasche des Pelzes. Er beobachtete sie scharf — bereit, mit seiner Linken zuzugreifen, wenn sie da etwas zum Vorschein brächte . . . einen Revolver — einen Dolch . . . Möglich schien ihm alles. Aber sie holte nur ein Taschentuch heraus und wischte sich den kalten Schweiss von der Stirne. Ein feiner Parfümhauch wehte herüber. Ihr Blick war gläsern geworden. Sie raunte:
„Haben Sie doch Mitleid . . .“
„Habt ihr Mitleid mit meinen Landsleuten, die ihr den Franzosen auf die Schlachtbank liefert?“
Jetzt machte sie einen wilden, leidenschaftlichen Versuch sich loszureissen, und lachte dazu, für die Umstehenden, hell als sei es ein Spass. Die Eisenklammer um ihren Arm löste sich nicht. Der Untersuchungsrichter war noch fünfzehn Schritt entfernt. Ein Blick nach rückwärts: Eine Mauer von Mietgäulen, blechernen Kürassen und gleichgültigen Statistengesichtern. Das Auto hoffnungslos dahinter. Sie begann vor Angst zu schlucken wie ein kleines Kind. Ihr Mund stand ungläubig weit offen.
„Der Tod . . .“ Sie keuchte. Ihr Arm wurde plötzlich schlaff, hoffnungslos in seiner Hand . . . „Das ist mein Tod . . .“
„Wieviel ehrlichen Deutschen habt ihr ihn schon gebracht!“
Die beiden standen unbewegt. Zwei Menschen, die gewohnt waren, sich eisern zu beherrschen. Sie wollte immer noch heiter ausschauen. Aber es wurde jetzt, während die Gendarmen heranschritten, nur ein grässliches Lachen daraus, das ihre Züge verzerrte.
„Ich kann doch nicht im Zuchthaus verfaulen . . .“ stöhnte sie.
„Warum haben Sie spioniert . .“
„Ich bin eine Frau! . . . Denken Sie, dass ich eine Frau bin . . .“
„Ich denke an Deutschlands Rettung . . . Wenn nicht in München, dann wenigstens hier!“
Zehn Schritte . . . der Richter . . .
„Erbarmen . . .“
Die Hand um ihr Gelent gab nicht nach.
„Hat ein Mensch auf der Welt mit Deutschland Erbarmen? . . . Denkt an den Frieden von Versailles . . .“
Ihre Knie schwankten. Er glaubte, sie würde ohnmächtig werden, aber sie hielt sich mit zäher Willenskraft aufrecht. Sie sah ihm mit heissglühendem Hass in den dunklen Augen ins Gesicht und sagte:
„Hätte ich Sie doch vorhin nicht gesehen . . .“
„Und ich Sie nicht!“ Der Hass in seinem Blick war eiskalt. „Dann wäre ich jetzt vielleicht noch frei! Nun gehen wir miteinander zum Teufel!“
Die beiden Todseinde standen, Hand in Arm, mit starr gewordenen, unbewegten Gesichtern nebeneinander. Sie sprachen kein Wort mehr. Sie erwarteten ihr Schicksal. Da kames. Die Sporen der Wachtmeister klirrten. Der Untersuchungsrichter ging ihnen jetzt voraus, an der letzten Gruppe vor den beiden vorbei, schnell auf sie zu.
Dann machte er plötzlich halt, als würde er sich jetzt erst über irgendeinen Eindruck klar. Er drehte sich noch einmal zu der Statistengruppe zurück und fasste einen Tchwächlichen, etwas säbelbeinigen jungen Mann, der da treuherzig lächelnd als Landsknecht stand, plötzlich scharf ins Auge.
„Drehen Sie ’mal gefälligst den Kopf zur Seitel“ sagte ei zu dem Komparsen. „Da . . . zwei Narben an den Halsdrüsen links — das stimmt . . . schlechte Zähne . . . blaue Augen . . . hm . . . Streifen Sie ’mal den rechten Ärmel auf . . . Na bitte . . . keine Ziererei! . . . Das hilft nun nichts . . . Tätowierung: blauer Anker — Glaube, Liebe und Hoffnung . . . Haben Sie nun die ganze Partie Schuhwaren geklaut? . . . Ja? . . . Na: sehen Sie