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auf dem Chiemsee machen durfte. Natürlich würde das Mieten eines Bootes immer ein teurer Spaß sein. Aber wenn sich zwei oder drei die Kosten teilten, würde es vielleicht hie und da doch einmal möglich sein. Jedenfalls machte Leona das Segeln Riesenspaß, und sie hatte sich vorgenommen, es von der Pike auf zu lernen.

      Vergnügt betrachtete sie das riesige Poster, das mit seinen leuchtenden Farben dem Raum sofort ein fröhliches Gepräge gab. Dann trat sie ans Fenster und war überrascht von der Aussicht. Von hier aus sah man nicht auf den Abhang hinter der Burg, der im Winter zum Ski laufen diente, und auf die Berge, sondern in die Ebene hinab. Sie schien sich unendlich weit zu strecken. In der Ferne schimmerten einige Seen im Sonnenlicht, die von hier aus sehr klein wirkten. Unterhalb der Burg lag das Dorf Wangen mit seinen roten Dächern, den schön geschnitzten Balkonen und den auch noch jetzt im Herbst üppig blühenden Bauerngärten.

      Leona atmete tief durch. Sie stellte fest, daß diese Aussicht ihr weit besser gefiel als die in ihrem vorigen Zimmer, wo man, besonders bei föhnigem Wetter, das Gefühl hatte, daß einem die Berge gleich auf den Kopf fallen würden. Am liebsten hätte sie sich auf die breite Fensterbank gesetzt und lange hinausgeschaut, aber sie rief sich selber zur Ordnung. Wenn sie sich einen gemütlichen Abend machen wollte, mußte sie sich beeilen, ihre Koffer auszupacken und ihr Bett zu beziehen.

      Zuerst einmal holte sie ihr Radio aus dem großen Koffer und stellte flotte Musik ein; dabei würde ihr, so hoffte sie, alles besser von der Hand gehen.

      Rasch und umsichtig räumte sie Wäsche, Hosen, Kleider, Pullover, Tücher und Schuhe in den Schrank, stellte ihre Bücher auf das Regal über ihrem Bett, die gerahmten Fotos ihrer Eltern dazu und einen lustigen Elefanten mit gehobenem Rüssel, den ihr ihre Münchner Freundin Gabi geschenkt hatte. Dann verteilte sie ihr Waschzeug auf der rechten Seite des Bords über dem Becken. Das war gar nicht so einfach, weil sie ziemlich viel davon hatte: nicht nur Zahnpasta und Bürste, sondern auch Mandelkleie, eine Creme fürs Gesicht, eine Körperlotion und eine extra Creme gegen Pickel. Dabei dachte sie, wie schön es wäre, diesen Raum ganz für sich allein zu haben. Sie hätte Besuche machen und empfangen können, wann immer sie wollte. Und wenn sie keinen Menschen mehr sehen mochte, sich in ihre vier Wände zurückziehen zu können. Für ihre Schminkutensilien war kein Platz mehr über dem Becken, sie mußte sie im Schrank verstauen.

      Dann ging es ans Bettüberziehen. Mit dem Laken und dem Kopfkissen wurde sie leicht fertig, aber beim Überziehen des Federbetts hatten sich Sabine, Alma und Leona sonst immer gegenseitig geholfen. Leona überlegte, ob sie eine der Freundinnen holen sollte, unterließ es dann aber doch, weil sie lieber allein bleiben wollte.

      Sie kämpfte noch mit dem Federbett und dem Überzug, als gegen die Tür gepocht wurde.

      „Was ist?“ fragte sie.

      Ein Mädchen steckte den Kopf herein. „Bin ich hier richtig?“

      Leona wußte sofort, daß es nur die Neue sein konnte, denn sie hatte sie noch nie gesehen. Trotzdem sagte sie und wußte selber nicht warum: „Kommt darauf an, wo du hin willst!“

      „Ich soll ins Zimmer einundzwanzig ziehen!“

      „Dann guck auf die Tür, und du weißt Bescheid.“

      Die Neue war von Leonas abweisendem Ton nicht beeindruckt. „Du hast ’ne Menge Humor, wie?“ sagte sie und trat ein.

      „Findest du?“ Leona ließ Federbett und Überzug sinken.

      „Und ob!“ Die Neue blickte sich um und stellte ihr Gepäck auf den Stuhl neben dem freien Bett – es handelte sich um sehr elegantes Gepäck aus weichem hellem Leder, wie Leona feststellte.

      Sie musterte die Neue von Kopf bis Fuß und mußte zugeben, daß sie hübsch war, sehr hübsch sogar, hübscher als sie selber. Leona fand ihr eigenes Aussehen ziemlich nichtssagend. Sie war dünn, hatte glattes, blondes, schulterlanges Haar, eine helle, wenn auch jetzt leicht gebräunte Haut, eine gerade Nase und schmale Lippen. Ihre grauen Augen blickten ausdrucksvoll und intelligent, wenn sie – was sie auch in der Schulzeit nie unterließ – ihre Wimpern schwarz tuschte und tüchtig bürstete. Leona war durchaus nicht häßlich. Aus ihrem Gesicht konnte man, so dachte sie selber, schon etwas machen, wenn man zu Lippenstift, Lidschatten und Wangenrot griff. Aber das war leider nur zu besonderen Gelegenheiten möglich.

      Die Neue dagegen hatte strahlend blaue Augen unter langen, seidigen sanft gebogenen Wimpern, die in einem faszinierenden Gegensatz zu dem schwarzen, leicht gelockten Haar standen, das ihr in einem Pony in die Stirn fiel. Ihre Haut war klar, ihre Lippen rot und hübsch geschwungen, und wenn sie lächelte, entstand in jeder Wange ein Grübchen.

      „Ich heiße Ute van der Steek!“ sagte die Schönheit und reichte Leona die Hand.

      Am liebsten hätte Leona ihr nur den Ellbogen gegeben, aber dann überwand sie sich und legte Überzug und Federbett beiseite. „Ich weiß.“

      „Und du bist Leona?“

      „Ja.“ Leona merkte selber, daß ihr Ton allzu trocken war. „Willkommen auf Burg Rabenstein!“ Sie machte sich wieder mit ihrem Bettzeug zu schaffen.

      „Leichte Schwierigkeiten?“ fragte Ute.

      „Wieso? Was meinst du?“

      „Mit dem Überziehen! Soll ich dir helfen?“

      Leona hätte ein weiteres Paar Hände sehr gut gebrauchen können, trotzdem sagte sie: „Ich schaff es schon alleine.“

      „Ich hätte es aber gern getan.“

      „Du hast noch genug Arbeit, bis du dein eigenes Zeug untergebracht hast.“

      „Auch wieder wahr.“ Ute machte sich ans Auspacken. „Bist du schon lange hier? Ich meine im Landschulheim?“

      „Erst seit Ostern.“

      „Und gefällt’s dir?“

      „Sehr.“

      „Ermutigend zu hören … für mich ist das alles ein bißchen ungewohnt.“

      „Das geht jedem anfangs so.“

      „Ist das mein Schrank?“

      „Ja. Du siehst doch, daß ich meine Sachen in den anderen geräumt habe.“ Leona brachte ihre leeren Koffer auf den Gang hinaus.

      „Ich hab doch keine Klappen vor den Augen. Aber fragen schadet nie. Mein Motto: lieber fragen, statt was falsch zu machen.“

      „Wenn du dich hier durchsetzen willst, mußt du schon deine Ellbogen gebrauchen.“ Leona zog die Tür hinter sich zu.

      „Durchsetzen? Wieso durchsetzen?“ Ute begann damit, Stöße von schöner, wohlgeordneter Wäsche ziemlich achtlos in den Fächern ihres Schrankes zu verstauen. „Ich will einfach hier bleiben … das heißt … ich soll hier bleiben.“

      „Du bist nicht freiwillig gekommen?“

      „So kann man es ausdrücken.“

      In Leona erwachte Sympathie, da die andere ähnliches wie sie selber durchzumachen schien. „Ich auch nicht. Mich haben sie abgeschoben.“ Sie machte es sich auf der breiten Fensterbank bequem.

      „Warum?“

      „Meine Mutter wollte wieder in ihren Beruf zurück.“

      „Das ist doch kein Grund!“

      Leona hielt es für übertrieben, der Neuen auf die Nase zu binden, daß ihre Eltern geglaubt hatten, ohne sie ihre Ehe leichter wieder in Ordnung zu bringen und – Schande für sie – das auch zugetroffen hatte. „Haben sie wenigstens vorgegeben“, sagte sie.

      „Typisch!“ Ute pfefferte mit Schwung zwei Hände voll zusammengerollter Strümpfe in ein Fach.

      „Und was ist mit dir?“

      „Meine Mutter ist Schauspielerin“, sagte Ute, als würde das alles erklären.

      „Na und?“

      „Solange

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