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2006 mit der Thematik „Verständnis des Evangeliums im Süden“. Die Erklärung begründet integrales Handeln von der Trinität her (Integrale Mission 2006):

      Der dreieinige Gott als Schöpfer und Erhalter unserer Erde, als Lenker und Vollender der Geschichte, als Herr über den persönlichen und den gesellschaftlichen Bereich der Menschen, nimmt uns in sein umfassendes Heilshandeln hinein, das unsere persönliche Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft genauso betrifft wie unsere leibliche, geistig-geistliche, emotionale, individuelle und gesellschaftliche Existenz. Dieses umfassende (ganzheitliche/integrale) Heilsverständnis soll unser persönliches Leben und unsere Missionsarbeit prägen.

      Das Heilsverständnis wird vom alttestamentlichen Begriff des „Schalom“ her definiert (a.a.O.):

      Integrale Mission zielt auf ‚heile Welt‘ (Shalom) im Bewusstsein, dass dieser Shalom erst im umfassenden Eingreifen Gottes durch die Wiederkunft seines Sohnes Jesus Christus verwirklicht werden wird. Wo Menschen Gott kennen lernen und wo sie menschenwürdigere Lebensbedingungen erhalten, wird bereits etwas von der anbrechenden Herrschaft Gottes, dem Shalom, sichtbar.

      Zugleich wird festgehalten, dass die persönliche Evangelisation vorrangig bleiben muss (a.a.O.):

      In der Vielfalt von Bemühungen um eine ‚gerechtere Welt‘ bleibt die auf Ewigkeit angelegte persönliche Beziehung zu Gott Grundlage und Ziel aller Aktivität. Der Mensch findet letztlich erst durch die Versöhnung mit seinem Schöpfer zu seiner ursprünglichen Würde. Jesus Christus hat diese Versöhnung durch seinen Tod am Kreuz möglich gemacht und der Mensch kann sie durch Glauben annehmen.

      Schließlich wird ausgeführt, dass dies bedeutet, dass alle Tätigkeiten der AEM von einem integralen Verständnis getragen sein sollen, dass die AEM auch eine prophetische Rolle habe, welche die Entscheidungsträger in die Pflicht nehme, und dass die AEM bereit sei, für bestimmte Aktionen humanitärer und politischer Art mit Menschen und Organisationen zusammenzuarbeiten, die dem „zentralen Heilsverständnis“ der AEM „kritisch oder ablehnend“ gegenüberstünden, ohne dass dabei eine Verleugnung der christlichen Identität infrage komme. Der damalige Exekutivsekretär der AEM Schweiz, Martin Vögelin, gab mir in einem Gespräch am 23. Mai 2007 zu verstehen, dass die Erklärung des AEM-Vorstandes „definitiv mehr als ein Jahresthema“ sei; sie deute eine Erweiterung des evangelikalen Missionsverständnisses an. Während „konservative“ Evangelikale von der Erklärung überrascht gewesen seien, hätte die AEM breite Zustimmung erhalten.

       Soziale Aktion

      Seit dem Lausanner Kongress 1974 wird in der evangelikalen Bewegung die soziale Verantwortung der Kirche intensiv diskutiert. Nachdem es in den 1980er-Jahren wegen der Frage des Verhältnisses von Verkündigung zu sozialer Verantwortung zu heftigen Friktionen gekommen war, hat sich die Situation zu Beginn des 21. Jahrhunderts stark verändert. Die Frage nach der sozialen Verantwortung der Kirche ist positiv beantwortet worden und als Folge davon sind zahlreiche soziale Aktionen entstanden. Als Beispiel darf das 1999 gegründete Micah Network gelten, das von René Padilla präsidiert wird. Das Micah Network umfasst gegen 300 christliche Entwicklungsorganisationen in über 70 Ländern. Das Ziel der Kampagne besteht darin, christlichen Organisationen zu helfen, eine biblische Antwort auf die Nöte der Welt zu finden, vor allem auf das Problem der Armut.

      Im Jahr 2001 hielt das Micah Network seine erste internationale Konferenz ab in Oxford. Die an dieser Konferenz verabschiedete Micah Declaration on Integral Mission liest sich durchgängig wie das Manifest eines neuen missionarischen Paradigmas (www.stoparmut2015.ch):

      Integrale Mission oder ganzheitliche Veränderung meint die Verkündigung und die gesellschaftliche Umsetzung des Evangeliums. Das heißt nicht nur, dass Evangelisation und soziales Engagement beide gleichermaßen zu geschehen haben. Vielmehr heißt das im Verständnis ganzheitlicher Mission, dass aus unserer Verkündigung soziale Konsequenzen folgen, weil wir die Menschen zur Liebe und zur Busse in allen Bereichen des Lebens ermutigen. Und unser soziales Engagement hat evangelistische Auswirkungen, da wir Zeugnis geben von der verwandelnden Kraft Jesu Christi. Wenn wir die Welt vernachlässigen, verraten wir das Wort Gottes, das uns doch aussendet, der Welt zu dienen. … Wie wir es im Leben Jesu sehen können, ist die Verknüpfung von Sein, Tun und Reden das Herz ganzheitlicher Mission. Jesus Christus ist die Mitte, darauf verpflichten wir uns gegenseitig neu. Sein opferbereiter Dienst ist das Muster einer jeden christlichen Nachfolge.

      In Deutschland ist das Micah Network unter der Bezeichnung Micha Initiative bekannt und wird von der Deutschen Evangelischen Allianz getragen. In der Schweiz heißt dieselbe Initiative StopArmut und wird von der Arbeitsgemeinschaft Nord-Süd der Schweizerischen Evangelischen Allianz verantwortet. Die beiden Initiativen wollen einen substanziellen Beitrag zur Durchsetzung der Millenniumsziele der Vereinten Nationen leisten. Ziel ist es, durch verschiedene Maßnahmen die weltweite Armut bis zum Jahr 2015 zu halbieren. Dies will StopArmut durch die Motivation von Christen, die Beeinflussung von Entscheidungsträgern, die Auszeichnung von Modellen zur Armutsbekämpfung und Gebet erreichen (www.stoparmut2015.ch). Die deutsche Micha Initiative weist auf ihrer Homepage darauf hin, dass seit der Gründung der Weltweiten Evangelischen Allianz Evangelisation und gesellschaftliche Verantwortung eng zusammengehören und dass auch die Lausanner Verpflichtung diesen Punkt herausstreicht. Das macht zweierlei deutlich: Zunächst, dass sich das Bahn brechende neue Verständnis von der sozialen Verantwortung der Kirche auf historische Vorbilder beruft, wie es sie in der Frühzeit des Evangelikalismus gegeben hat. Man möchte die fundamentalistische Verabschiedung aus der Welt durch die Rückkehr zur ursprünglichen Weltzugewandtheit überwinden. Und dann auch, dass der Lausanner Kongress 1974 tatsächlich eine Wende im Weltbezug der Evangelikalen markiert. Die dort gemachten Anregungen sind in den 1980er-Jahren in der Zwei-Drittel-Welt mit Begeisterung aufgenommen worden und scheinen mit Verzögerung auch im Westen einen nachhaltigen Effekt zu erzielen.

       Missionaler Gemeindebau

      Schließlich sind die missionalen Ansätze im Gemeindebau ein weiteres und deutliches Anzeichen für einen Paradigmenwechsel. Ein Beispiel dafür ist die Theologie des gesellschaftsrelevanten Gemeindebaus des deutschen Missionswissenschafters und Gemeindegründers Johannes Reimer. In seinem Buch Die Welt umarmen nimmt er eine gründliche theologische Analyse des gesellschaftsrelevanten Gemeindebaus vor. Reimer (2009, 24) ist überzeugt, „dass erfolgreicher Gemeindeaufbau unmittelbar mit der Frage zusammenhängt, ob eine Gemeinde zu einer verständlichen und in der Gesellschaft angenommenen Form und Struktur gefunden hat.“ Es reiche nicht aus, bestehende Gemeinden zu erneuern indem etwa die Form des Gottesdienstes verändert werde. Ebenso wenig reiche es aus, Gemeinde zu restaurieren indem bestimmte Themen, die in der Vergangenheit vernachlässigt wurden, neu entdeckt würden. Es gehe vielmehr um eine neu gedachte und neu konzipierte Gemeinde. Reimer spricht von einem „kontextuell-theologischen Konzept, das beides ernst nimmt, die Botschaft des Neuen Testamentes und auch den Kontext, in dem diese Botschaft Fleisch werden soll“ (a.a.O., 22)

      Missionaler Gemeindebau, also vom Sendungsauftrag her gedachter Gemeindebau, verlangt nach einer theologischen Grundlegung und nach einer Form, die für den jeweiligen Kontext relevant ist. Genau dies nimmt Reimer in seinem Werk vor. Er untersucht die biblischen Images von Gemeinde – die Gemeinde als Versammlung, Bau, Volk, Leib – und folgert: „Biblische Bilder von der Gemeinde machen deutlich, dass die Gemeinde von ihrem Wesen her missionarisch ist, oder sie ist keine Gemeinde. Das missionarische Wesen der Gemeinde schließt die erklärte Absicht zur Transformation der Welt, in der die Gemeinde existiert, ein … Mission der Gemeinde muss sowohl die Proklamation des Wortes Gottes als auch die soziale Aktion beinhalten. Erst da, wo die Gemeinde ihre transformative Rolle in der Gesellschaft wahrnimmt, wird sie ihrer missionarischen Aufgabe gerecht“ (a.a.O., 92).

      Reimer begründet den missionalen Gemeindebau im Weiteren trinitarisch und missiologisch. Besonders interessant für

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