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Schon als Ilona noch ein Kind gewesen war, hatte sie oft das Empfinden gehabt, daß die eigene blonde Hübschheit neben der rassigen Schönheit ihrer Tochter verblaßte, ein Eindruck, der sich, als Ilona zur Frau heranwuchs, noch verstärkt hatte.

      »Das habt ihr immer!« sagte sie gezwungen. »Aber ich meine, deine Verlobung ist doch wichtig genug, eure Pläne einmal umzuwerfen. Du kennst Vati, du weißt, wie empfindlich er ist. Du solltest wenigstens so viel Rücksicht auf ihn nehmen, ihm persönlich Bescheid zu sagen.«

      Ilona zuckte die Schultern. »Okay. Wenn du darauf bestehst.«

      »Ja, das tue ich. Und hol deinen jungen Mann herein. Ich habe es nicht so gern, wenn er die ganze Nachbarschaft zusammenhupt.«

      Ilona wollte ihren Freund verteidigen, aber in diesem Augenblick erklang wirklich Oswald Zinners verbotenes Dreiklangsignal. »Dieser Irre«, schimpfte sie vergnügt und rannte um das Haus herum, den gleichen Weg, den ihr Bruder vor wenigen Minuten genommen hatte.

      Sabine benutzte die Gelegenheit, ihre Rosen auf den Komposthaufen zu werfen, der hinter den Beerensträuchern im äußersten Winkel des Gartens angelegt war. Gern hätte sie einen Blick in den Spiegel geworfen, aber es wäre ja albern gewesen; sich für Oswald Zinner schön machen zu wollen. Dem jungen Millionärssohn würde nichts gleichgültiger sein als das Aussehen seiner künftigen Schwiegermutter. Zweifellos hatte er sich nicht mit Ilona verlobt, weil sie aus einer anständigen Familie, sondern, obwohl sie aus kleinen Verhältnissen stammte, sehr attraktiv war. Sabine hätte gern gewußt, wie Ilona ihn dazu gebracht hatte. Aber sie sah ein, sie würde es nie erfahren. Es gab Dinge, über die sie mit ihrer Tochter nicht sprechen konnte.

      Sabine hatte gerade ihren Korb ausgeschüttet und kam wieder hinter den Sträuchern hervor, als die jungen Leute lachend und schwatzend um die Hausecke trotteten, Wieder einmal stellte sie mit leiser Befriedigung fest, daß Oswald Zinner junior durchaus keine attraktive Erscheinung war – mit ihrem eigenen Mann, mit Arnold Miller, wie er in jungen Jahren gewesen war, konnte er sich jedenfalls nicht messen. Er hatte rotblondes Haar und ein Babygesicht, das selbst unter stärkster Sonneneinwirkung nie braun, sondern höchstens rot und sommersprossig wurde. Noch war seine Figur sportlich trainiert, aber schon wurde der Ansatz eines Bäuchleins sichtbar, das sich später, wenn er nicht mehr so viel für sich tun konnte, sondern ernsthaft würde arbeiten müssen, noch mehr ausprägen würde. Aber er war sympathisch und intelligent und, zusammen mit den Millionen seines Vaters, die begehrteste Partie von Riesberg und Umgebung, ja möglicherweise von ganz Oberbayern.

      »Gnädige Frau …« Er beugte sich über Sabines Hand.

      Sabine ärgerte sich, weil sie sich in Gegenwart des Goldjungen leicht befangen fühlte. »Ich freue mich, daß Sie beide ernst machen wollen.«

      Er lächelte sie an. »Nun, was mich betrifft, so habe ich vor – trotz Verlobung und allem Drum und Dran –, den Ernst des Lebens nicht so bald an mich herantreten zu lassen.«

      »Was dir mit Hilfe eines gewissen Banknotenpolsters«, bemerkte Knut mit spürbarem Neid, »wohl auch gelingen wird.«

      »Um Gottes willen, macht bloß keine Staatsaktion draus!« rief Ilona. »Wenn wir nicht in so einem Käsekaff leben würden, hätte ich nicht im Traum daran gedacht, mich zu verloben.«

      »Ich schon«, behauptete Oswald Zinner, und zauste zärtlich ihr Haar, »allein aus Angst, daß jemand dich mir vor der Nase wegschnappen könnte.«

      »Sie werden doch bleiben, bis mein Mann nach Hause kommt?« fragte Sabine.

      Oswald Zinner sah Ilona an. »Tja, ich weiß nicht, eigentlich wollten wir …«

      »Wir geben Vati ’ne halbe Stunde«, sagte Ilona obenhin, »wenn er es bis dahin nicht schafft, hat er Pech gehabt.«

      »Sehr richtig«, stimmte Knut zu, »ich habe auch keine Lust, den ganzen Abend hier zu vertrödeln.« Er legte die Hand auf die Schulter seines zukünftigen Schwagers. »Komm mit ins Haus, Oswald! Wollen sehn, ob wir was Trinkbares auftreiben können.« Sie schlenderten auf das Haus zu. Erst im letzten Moment fiel es Knut ein, sich zu Sabine umzudrehen und zu fragen: »Wir dürfen doch, Bienchen?« Sie nickte nur, weil sie einen Kloß im Hals spürte. »Soll ich dir auch was mixen?« fragte er. Sie schüttelte den Kopf.

      Sie verschwanden durch die Loggia ins Haus, und Sabine war es, als lösten sie sich aus ihrem Leben. Natürlich hatte sie gewußt, daß Ilona sich eines Tages an einen Mann binden würde, wenn sie auch nicht damit gerechnet hatte, daß es Oswald Zinner junior sein werde. War sie auf das Glück ihrer Tochter eifersüchtig? Nein, bestimmt nicht. Aber sie sah voraus, daß diese Ehe einen viel entscheidenderen Schritt bedeuten würde, als wenn Ilona sich in einen Mann aus ihren Kreisen verliebt hätte. Jetzt, mit dem Geld der Zinners, würde ihr die eigene Familie bald nichts mehr bedeuten. Gewiß, sie würde sich nicht ihrer Herkunft schämen, dazu war sie zu klug, aber es würde sie bald nichts mehr in die Schleiermacherstraße ziehen. Was konnten sie ihr noch geben, was sie nicht von ihren Schwiegereltern im Übermaß erhielt? Sabine machte sich nichts vor; bald würde Ilona nur noch ein seltener Gast sein.

      Sie ließ sich auf die Bank am Gartenzaun sinken und legte die Hände in den Schoß. Sie hoffte nur, daß Arnold die Entwicklung der Dinge nicht so klar voraussehen würde wie sie selbst. Für ihn mußte der Abschied von Ilona einen noch viel stärkeren Schmerz bedeuten als für sie – höchstens vergleichbar mit dem Kummer, den sie um Torsten empfand. Wie selbstverständlich Knut sich den beiden angeschlossen hatte! Zweifellos war es nicht die Persönlichkeit des Schwagers, die ihn so anzog, sondern sein Geld und seine Beziehungen, von denen er selbst zu profitieren hoffte. Sabine mochte ihn deswegen nicht verurteilen; seine Reaktion war im Grunde ganz natürlich. Den Traum von Reichtum, von Glück und Sorglosigkeit, wer träumte den nicht? Und wer würde nicht versuchen, einen Zipfel davon zu schnappen und festzuhalten, wenn sich ihm die Chance bot?

      Sabine sah sich in ihrem Garten um und entdeckte zum erstenmal, daß auch er ein Teil dieses Traumes war. Er war nicht groß, knappe eintausendfünfhundert Quadratmeter, und doch hatte sie ihn, zuwischen den Nutzgärten der Nachbarhäuser, angelegt wie einen Park. Träumte sie sich, wenn sie ihre Rosen pflegte, nicht in die Rolle einer Schloßherrin? Ach was! Sabine schüttelte energisch den Kopf. Das war doch Unsinn. Sie vergaß keinen Augenblick, wer und was sie war, die Frau des Prokuristen Arnold Miller, und wenn sie den Garten möglichst hübsch angelegt hatte, so sprach das doch keineswegs gegen ihren Sinn für Realität, sondern höchstens für ihr Bedürfnis nach Schönheit.

      Sie wollte aufstehen, als Frau Zibalsky, ihre Nachbarin zur Linken, sie über den Zaun hinweg grüßte. Sabine grüßte freundlich zurück und verzichtete darauf, ins Haus zu eilen, weil sie aus Erfahrung wußte, daß es keine Möglichkeit gab, der nachbarlichen Neugier zu entfliehen. »Sie haben Besuch?« fragte die Zibalsky; ihr spitzes, zerknittertes Gesicht wirkte eulenhaft unter der riesigen dunklen Sonnenbrille.

      »Ja«, sagte Sabine zurückhaltend.

      »Der junge Zinner?« Sabine nickte. »Er ist in letzter Zeit ziemlich oft mit Ihrer Tochter zusammen, nicht wahr? Vielleicht merken Sie das gar nicht so! Er hält meistens an der Ecke und läßt sie dort schon aussteigen.«

      »Das habe ich wirklich nicht gewußt«, gab Sabine zu.

      »Deshalb sage ich es Ihnen ja. Man kann heutzutage nicht vorsichtig genug sein. Die jungen Leute sind so … so leichtfertig geworden. Ganz anders als zu unserer Zeit. Ich bin direkt froh, daß wir keine Kinder haben. Das sage ich meinem Mann immer wieder. Ich hätte einfach nicht die Nerven. Was da alles passieren kann … Besonders bei einem Mädchen!«

      Sabine wartete, bis der Redefluß der Nachbarin ins Stocken kam. Dann sagte sie, so beiläufig wie eben möglich: »Ilona und der junge Zinner haben sich verlobt.«

      Frau Zibalskys schmaler Mund verzerrte sich. »Das ist das erste, was ich höre! In der Zeitung hat es jedenfalls noch nicht gestanden … oder doch?«

      »Nein. Und ich bin auch nicht sicher, daß sie es veröffentlichen werden. Man denkt über so etwas ja heutzutage anders. Jedenfalls haben sie sich entschlossen, zu heiraten.« Sabine erhob sich jetzt doch.

      »Wie

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