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      Axel Rudolph

      Der Mann aus Rio

      Kriminalroman

      Saga

      Der Mann aus Rio

      © 1934 Axel Rudolph

      Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen

      All rights reserved

      ISBN: 9788711445068

      1. Ebook-Auflage, 2016

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com – a part of Egmont, www.egmont.com

      1. Kapitel

      „Abgelehnt!“ Kriminalkommissar Dr. Holk wirft die Mitteilung, die den Briefkopf „Der Polizeipräsident“ trägt, ärgerlich und so laut auf den Tisch, daß sein Kollege Borup verwundert von seiner Arbeit aufsieht.

      „Was haben Sie denn, Holk?“

      „Da! Lesen Sie selbst!“ Dr. Holk wirft dem Kollegen das Schreiben hin. „Unser hoher Chef findet nach Durchsicht meines ausführlichen Memorandums keinen hinreichenden Grund, die dauernde polizeiliche Überwachung Olaf Wests anzuordnen! Natürlich! Erst muß das Unglück geschehen sein, ehe der Brunnen zugedeckt wird! Erst muß der tüchtige Olaf wieder ein schweres Ding gedreht haben, ehe ...“

      „Na, na, na, seien Sie friedlich, Holk!“ Der Kriminalkommissar Borup gibt das Blatt zurück und legt dem Erregten die Hand auf die Schulter. „Alles gut und schön. Aber Ihre Idee mit dem Olaf West also — offen gestanden —, da kann ich auch nicht mit.“

      „Wenn Sie nur einsehen wollten, Borup ...“

      „Ich weiß.“ Borup winkt beruhigend ab. „Ich weiß alles, was Sie sagen wollen, lieber Holk. Ich hab’ Ihnen bisher auch in dieser Sache die Stange gehalten. Ich sagte mir: Es bestehen zwar tatsächlich keine Verdachtsgründe gegen West, aber wenn Holk es in den Fingerspitzen fühlt, daß er der Mann ist, den wir suchen, dann muß etwas dran sein. Na, und da hab’ ich — genau wie Sie selbst — mir diesen Olaf West unter die Lupe genommen, ihn sozusagen umgekrempelt wie einen alten Anzug, der als Corpus delicti vor mir liegt. Sehen wir uns einmal ruhig das Ergebnis an. Bestehen bleibt die Tatsache, daß wir in den letzten zwei Jahren zwei verwegene Einbruchsfälle hier in Kopenhagen gehabt haben, die noch nicht aufgeklärt sind. Bestehen bleibt ferner die Tatsache, daß dieser Olaf West, der vor drei Jahren aus Amerika in die alte Heimat zurückgekommen ist, drüben im Zuchthaus von Atlanta anderthalb Jahre wegen eines Einbruchs gesessen hat und daß unsere New-Yorker Kollegen ihn lange Zeit im Verdacht hatten, einer gefährlichen Gangsterbande anzugehören. Nachweisen konnten sie es ihm allerdings nicht.“

      „Fügen Sie hinzu, Borup,“ wirft Dr. Holk lebhaft ein, „daß erwiesenermaßen bei beiden noch unaufgeklärten Einbrüchen der Kerl, der West, irgendwo in der Nähe des Tatortes gesehen worden ist, und zwar kurz nach der Zeit, zu der die Einbrüche stattgefunden haben müssen!“

      „Ich wollte eben darauf kommen,“ beschwichtigt Borup und schneidet gedankenvoll mit der großen Schere ein Blatt Papier in lange, saubere Streifen. „Die Folge dieser Tatsache war, daß wir Herrn Olaf West uns herbestellt und verhört haben. Gründlich verhört, das werden Sie mir zugestehen, lieber Holk, denn Sie waren ja selber dabei. Was ist dabei herausgekommen? Nichts als die Tatsache, daß der Mann seine Anwesenheit in der Nähe des Tatorts zu dem fraglichen Zeitpunkt durchaus nicht bestritt, und daß er einwandfrei nachweisen konnte, was er dort, wo er gesehen wurde, zu tun hatte. Ja, noch mehr, er konnte auch für die übrige in Frage kommende Zeit ein Alibi nachweisen.“

      „Ach, Alibi!“

      „Ganz recht, Holk. Als Kriminalist ist man gegen jedes Alibi mißtrauisch. Ich habe auch trotz der harmlosen Erklärung, die das Auftauchen Wests fand, im stillen den Mann weiter beobachtet. Aber ich muß gestehen, ich habe dabei nicht das geringste Verdächtige gefunden. Olaf West ist seit genau drei Jahren hier in Kopenhagen ansässig und polizeilich gemeldet. Er bewohnt zwei möblierte Zimmer bei einer Frau Eriksen in der Colbjörnsonsgade, dicht hinter dem Bahnhof. Er ist seit fast drei Jahren als Kontorist angestellt bei der Firma Skovbäk & Co., Kohlenexport, und bezieht ein Monatsgehalt von 260 Kronen. Er befindet sich jeden Werktag von 9 Uhr bis 5 Uhr in den Büros der Firma am Halmtorv. Reisen hat er in dieser Zeit nicht gemacht. Nur voriges Jahr, während seines achttägigen Sommerurlaubs, hat er sich einen Ausflug nach Kullen geleistet und jenseits des Oeresundes am Strande gelegen und sich gesonnt. Er spielt nicht, er macht keine verdächtigen Geldausgaben, er hat keine noblen Passionen, er sendet und empfängt keine verdächtige Post. Der einzige Fehler, den man dem Mann nachweisen kann, ist der, daß er alle vier Wochen mal so etwas wie einen kleinen Rappel kriegt und einen Samstag und Sonntag sich in den Kneipen restlos betrinkt. Aber auch dabei gibt er nicht mehr Geld aus, als es seinen Verhältnissen entspricht. Er verkehrt nicht mit verdächtigen Personen. In den Ganoven- und Ringvereinskreisen kennt man ihn nicht. Sein ganzer Umgang, der sich feststellen ließ, sind ein paar seiner Arbeitskollegen und -kolleginnen. Außerdem besucht er ab und zu ein Mädel namens Paula Larsen in Christianhavn, die nicht gerade einen guten Ruf genießt in puncto Moral. Aber Sie, lieber Holk, wissen so gut wie ich, daß diese Paula Larsen zufällig zu unseren Vigilanten gehört und uns schon manchen wertvollen Fingerzeig gegeben hat. Sie hat auch unseren Auftrag, den Olaf West unauffällig auszuhorchen, prompt ausgeführt, aber mit absolut negativem Resultat. Fest steht jedenfalls, daß dieses kleine Verhältnis des West mit der Paula Larsen kein kriminalistisches Interesse für uns hat.

      Das Endergebnis: Olaf West mag früher, drüben in Amerika, auf die schiefe Bahn gekommen sein. Seitdem er wieder hier in Kopenhagen ist, hat er nicht nur sich ausgezeichnet geführt, sondern sein Leben gibt uns auch nicht den geringsten Anhaltspunkt für irgend etwas Mystisches oder Verdächtiges. Wenn ich nicht wüßte, daß der Mann drüben gesessen hat, so würde ich ihn auf Grund meiner Beobachtungen und Ermittlungen gradezu für das Muster eines soliden, anständigen Junggesellen erklären. Oder sollten Sie, lieber Holk, zu anderen Resultaten gekommen sein?“

      Dr. Holk schüttelt stumm den Kopf und schweigt. Sein Blick fährt gereizt über die mit Papieren bedeckte Tischplatte, folgt mechanisch den Papierstreifen, die von Borups Schere langsam herabringeln.

      Alles, was Borup da sagt, weiß er selbst längst. Und doch machen die Worte starken Eindruck auf ihn. Denn es ist ja Borup, der so spricht, Karl Borup, der beste Freund und Kollege und nebenbei noch der gefürchtetste und erfahrenste Kriminalist der gesamten dänischen Polizei, Kommissar Borup, den die Verbrecherwelt von Kopenhagen bis Stockholm so haßt und fürchtet, daß er fast populär bei ihr ist. Wenn der sagt, daß Olaf West unverdächtig ist, Borup, dieser kühle, ruhige Rechner und Verstandesmensch, dann ... ja dann muß wohl doch ...

      „Und ich habe doch recht!“ Dr. Holk schlägt plötzlich heftig mit der Faust auf den Tisch, und seine Augen bekommen einen fast fanatischen Glanz. „Ihr mögt alle sagen, was ihr wollt! Beweisen kann ich’s leider nicht, aber ich weiß so sicher wie nur etwas, daß dieser Olaf West der Mann ist, den wir alle suchen. Und eines Tages werde ich’s herauskriegen, Borup! Verlassen Sie sich darauf!“

      Kommissar Borup lächelt ruhig. Der Kriminalassistent Hedekranz lächelt, die Kollegen, die durch die offene Tür zum Nebenbüro die lebhafte Unterhaltung mit angehört haben, zucken ebenfalls die Achseln und lächeln sich verstohlen an. Der gute Dr. Holk. Man kennt ja nun schon seit langem seine Marotte, die fixe Idee, daß dieser Kontorist West ein gefährlicher Gangster ist. Scheint ein bißchen Psychose dabei zu sein, weil der Mann aus Amerika gekommen und drüben mal mit dem Strafgesetz in Konflikt gewesen ist.

      „Die Zeitungen, Herr Kommissar!“

      Der Kriminalassistent hat schon eine ganze Weile mit einem Packen Zeitungen in der Hand dagestanden und legt sie nun still vor Dr. Holk auf den Tisch. Karl Borup nickt noch einmal dem Freund vertraulich zu und schwingt sich von der Schreibtischkante

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