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heraus, dass diese Kinder weniger stark zu geschlechtsspezifischen Verhaltensweisen neigten. Mädchen wurden als unabhängiger beschrieben und Jungen als sensibler, als dies in traditionellen Familien mit Mutter und Vater der Fall war. Wenn Kinder also nicht in einer herkömmlichen Mutter-Vater-Struktur aufwachsen, gibt es für sie keinen Grund anzunehmen, es gäbe Eigenschaften, die eher weiblich oder eher männlich wären. Ganz selbstverständlich erleben sie ja in ihrer eigenen Familie, dass ein Geschlecht alle Aufgaben und Funktionen abdecken kann. Dass Kinder sich also weniger stark genötigt sehen, in eine gesellschaftlich vorgegebene Geschlechterrolle passen zu müssen und alle ihre charakterlichen Anteile ausleben können, kann als Vorteil gesehen werden – ganz sicher aber stellt es keinen Nachteil dar.“

       Definition Sexismus

      In diesem Zusammenhang ist der Begriff Sexismus wichtig. Er ist omnipräsent und Teil patriarchaler Denkstrukturen. Sexismus beschreibt nach Dietrich Becker-Hinrichs und Renate Wanie (vgl. 1991) die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, die von einem ungleichen sozialen Status von Männern und Frauen ausgeht.

      Mundlos (2017b, S. 36) schreibt: „Sexismus erfolgt individuell, kulturell oder institutionell; es geht um (negative) Bewertungen von Personen aufgrund ihres Geschlechts; diese Bewertungen bewirken (auch wenn dies nicht unbedingt die Intention sein muss), dass der ungleiche Status von Männern und Frauen aufrechterhalten wird.“

      Beispielsweise ist die Annahme sexistisch, dass Frauen, einfach weil sie Frauen sind, „in die Küche gehören würden“ – es wird suggeriert, dass die Arbeit in der Küche eine reine „Frauensache“ wäre und Frauen daher keine Karriere machen könnten. Es ist jedoch nicht automatisch sexistisch, eine Frau in Unterwäsche abzudrucken, wenn die Unterwäsche damit beworben wird – doch kann auch diese Darstellung sexistisch sein, wenn damit das Schönheitsdiktat reproduziert wird. Es ist aber sexistisch, wenn das beworbene Produkt überhaupt nicht damit in Zusammenhang steht, die Frau aber in Unterwäsche abgebildet wird. Ein Beispiel wäre hier das Bewerben eines Motorrads mit einer Frau in Unterwäsche. Sexistische Werbung kann auf unterschiedlichen Plattformen gemeldet werden. Beispiele hierfür sind die Seiten des deutschen Werberats, abrufbar über www.werberat.de, sowie die Seite werbemelder.in. Zudem kann sexistische Werbung auf der Seite der Frauenrechtsorganisation TERRE DES FEMMES e. V. eingereicht werden (www.frauenrechte.de/unsere-arbeit/themen/frauenfeindliche-werbung/der-zornige-kaktus). Jedes Jahr wird der Negativ-Preis, der „Zornige Kaktus“ verliehen.

      Das Erkennen der Verschränkungen von Sexismus, patriarchalen Strukturen und männlicher Sozialisation/toxischer Männlichkeit ist entscheidend für das Verständnis dafür, wie die hierarchischen gesellschaftlichen Machtstrukturen funktionieren und Mädchen und Frauen benachteiligen, objektivieren, sexualisieren und den Weg für Gewalt an Frauen ebnen. Dies wird durch das Durchdringen und Verstehen der folgenden Kapitel Stück für Stück aufgeschlüsselt und greifbarer.

       Definition Diskriminierung

      Es muss unterschieden werden zwischen der rechtlichen Definition von Diskriminierung und der soziologischen (vgl. Mundlos 2017b, S. 31 f.): Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes definiert Diskriminierung nach der Formel: „Diskriminierung = Benachteiligung + geschützte Diskriminierungskategorie + kein sachlicher Grund“. Mundlos (ebd.) verweist auf die Problematik, „dass diese Definition mit einem speziellen rechtlichen Bezugsrahmen arbeitet. Denn es handelt sich hierbei nur im Falle einer Benachteiligung aufgrund einer der vom AGG als geschützt beschriebenen Diskriminierungskategorien auch um eine Diskriminierung im juristischen Sinne. Es wird also lediglich die Frage beantwortet, was der Gesetzgeber aus rechtlicher Sicht als Diskriminierung erachtet. Diese Begriffserklärung ist daher keine überzeitliche und kulturell unabhängige Definition.“

      Mundlos (ebd.) verweist auf die soziologische Definition des Wörterbuchs der Soziologie (2002): „[Diskriminierung] ist eine Ungleichbehandlung aufgrund bestimmter sozialbedeutsamer (Kollektiv-)Merkmale, wie rassisch-ethnische, nationale, religiöse Zugehörigkeit, Köpermerkmale (Hautfarbe, Behinderung), Geschlecht, Alter, soziale oder regionale Herkunft. […] [Negative Diskriminierung ist] die Benachteiligung sozialer Kategorien durch die Einschränkung oder Verweigerung von Zugängen (z. B. zur politischen Macht, zu Bildungseinrichtungen, auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt […]).“

      Ich schließe mich der Auffassung an, dass die weiter gefasste Definition sinnvoll ist, um alle Formen von Benachteiligungen und Diskriminierungen zu erfassen. Beide Definitionen sind zwar wichtig, jedoch kann davon ausgegangen werden, dass eine unter die Kriterien der Antidiskriminierungsstelle fallende Diskriminierung ebenfalls von der soziologischen Definition erfasst wird. Problematisch wird es für Betroffene, wenn sie rechtlich gegen Diskriminierungen vorgehen wollen, die jedoch nicht vom AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) abgedeckt sind.

       Definition von Männlichkeit

      Um patriarchale Strukturen und toxische Männlichkeit besser verstehen zu können, ist es hilfreich, männliche Sozialisation und ihre Entstehung zu betrachten. Hegemoniale Männlichkeit und damit verbundenes toxisches männliches Verhalten hat seinen Ursprung im Patriarchat. Das Patriarchat entstand, wie Armbruster (vgl. 2013, S. 12) konstatiert, im Metallzeitalter (Kupfersteinzeit/Chalkolithikum) im Zuge des Pflugackerbaus (4.500 Jahre v. u. Z.) sowie der Pferdedomestikation (4.000 Jahre v. u. Z.). Das Männerbild, wie wir es heute kennen, entstand am Ende des 19. Jahrhunderts im Zuge der Industrialisierung – die Trennung zwischen Lohnerwerbstätigkeit und Haushalt sowie Kindererziehung gab es in Bezug auf die Geschlechter in dieser Zeit nicht. Männer und Frauen arbeiteten, wie es Mundlos (vgl. 2013, S. 21) beschreibt, als sogenannte Produktionseinheit bei der Bewirtung des Hofes und des Landes zusammen. Dies änderte sich im Zuge der Industrialisierung und des Hochkapitalismus. Es entstand das aktuelle, das traditionelle Männerbild. In diesem Zuge verschob sich auch die Familienzusammenstellung von der Groß- zur Kleinfamilie. Die entstandene Trennung von Lohnerwerbstätigkeit und Haushaltstätigkeiten sowie Care-Arbeit nahm damit eine entscheidende Wende, die bis heute unsere Gesellschaft bestimmt, Frauen damit in finanzielle und rechtlich abhängige Positionen drängt und Männer emporhebt – und gleichzeitig toxische Männlichkeit nährt, produziert und reproduziert.

      Armbruster (2010, S. 18) fasst unsere patriarchale Gesellschaft wie folgt zusammen: „Tatsache ist, dass die Erde in der heutigen Zeit, bis auf ein paar Alibifrauen, von Männern geführt wird. Diese geschlechtsspezifische Einseitigkeit, in Form einer patriarchal-männlichen Dominanz, führt zu einer Schieflage unserer Gesellschaft. Und diese patriarchal-männliche Dominanz finden wir ja in der heutigen Gesellschaft wirklich überall. Überall auf der Welt sind Patriarchen in Führungspositionen: In den Theologien, in der Wirtschaft, in der Politik, in der Kriegsführung. Das Kapital liegt fast ausschließlich in den Händen von patriarchalen Männern, patriarchalen Männern gehört das Land. Und das Ergebnis von dieser patriarchal-männlichen Dominanz ist, dass das menschliche Leben, und das vieler anderer Spezies auf der Erde massiv bedroht ist. Probleme, wie ein von Menschen verursachter Klimawandel mit all seinen Auswirkungen, eine Versorgung mit sauberem Wasser, weltweit ein zu hohes Bevölkerungswachstum, viele Kriege militärischer und wirtschaftlicher Art, unser Finanzdesaster, das durch übermäßige Gier und damit verbundene Spekulationen ausgelöst wurde: All das sind Probleme, die uns hinlänglich bekannt sind und, wenn wir weiter hingucken, wissen wir auch, dass diese Probleme eben durch diese, heute weltweit herrschende, patriarchal männliche Dominanz bedingt sind.“ Guido Zurstiege (vgl. 2001, S. 201) schreibt: „In einer patriarchalen Gesellschaft ist es eben normal, Mann zu sein“.

      Um nun Männlichkeit und männliche Sozialisation zu definieren, zu verorten und greifbar zu machen, ist zunächst bedeutsam, dass es nicht die eine Männlichkeit gibt. Männlichkeit beschreibt ein Kontinuum von möglichen sozialisationsbedingten Denk-, Verhaltens- und Präsentations-/Performancemustern. Bestimmte Muster sind jedoch übergeordnet feststellbar

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