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Projekt zum Thema Virtuelle Kommunikationsräume von Migration und Diaspora. Aus netzwerkanalytischer Perspektive wird dabei untersucht, inwieweit die neu entstehenden „Communities of practice“ die Migrant*innen bei der Vorbereitung der Migration unterstützen und den Übergang in neue Gemeinschaften erleichtern können. Dabei werden die kommunikativen Prozesse vor dem Hintergrund der psychologischen Narrationsforschung als therapeutisches Verfahren zur Verarbeitung und Bewältigung problematischer biographischer Erfahrungen im Vorfeld der Migration analysiert.

      Daneben forscht Barbara auch zur Entstehung spezifischer sprachlicher Mittel der Nähesprache, insbesondere der pragmatischen Marker, aber auch im Bereich der Kommunikationsstrategien wie Ko-Konstruktionen und alignment. Narrationen von Erlebnissen, hier Anfallsereignissen, stehen auch im Mittelpunkt eines weiteren in den letzten Jahren intensiv bearbeiteten Forschungsfeldes, aufbauend auf Elisabeth Gülichs Arbeiten mit Martin Schöndienst (Epilepsiezentrum Bethel) zur Entwicklung einer Differentialdiagnostik im Bereich Epilepsie und dissoziative Erkrankungen auf der Grundlage von sprachlichen Analysen von Anamnesegesprächen und den Schilderungen von Patientinnen und Patienten. Im Rahmen der von Barbara Job geleiteten Bielefelder Arbeitsgruppe „Kommunikation in der Medizin“ in Kooperation mit Dr. Joachim Opp (Chefarzt und Leiter des Sozialpädiatrischen Zentrums des Evangelischen Krankenhauses Oberhausen) und unter Mitarbeit von Heike Knerich, Birte Schaller, Mia Schürmann und Yvonne Fillies wird dieser inzwischen in drei interdisziplinären Forschungsprojekten („Linguistische Differentialtypologie von epileptischen und nicht epileptischen Anfällen bei jugendlichen Patienten“, „Linguistische Analyse von Schmerzschilderungen bei Kindern und Jugendlichen“ und „Linguistische Analyse von Gesprächen mit Kindern und Jugendlichen über Kollaps-Ereignisse“) beständig weiterentwickelt. Mit der Gründung der Medizinischen Fakultät an der Universität Bielefeld ergeben sich hier vielversprechende neue Kooperationsmöglichkeiten, zumal die AG „Kommunikation in der Medizin“ bei der Curriculumsentwicklung der zukünftigen Mediziner*innen intensiv beteiligt ist.

      Die Beiträge dieses Bandes reflektieren die Vielschichtigkeit der Forschungsinteressen von Barbara Job und besonders auch ihr interdisziplinäres Interesse:

      Die ersten drei Aufsätze dieses Bandes sind Themen im Bereich konzeptueller Nähe und Distanz, hervorgehend aus dem Umfeld des Freiburger SFB „Übergänge und Spannungsfelder zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit“, gewidmet.

      Maria Selig und Roland Schmidt-Riese legen eine kritische Auseinandersetzung mit dem von Peter Koch und Wulf Oesterreicher entworfenen Nähe-Distanz-Kontinuum, insbesondere in Bezug auf eine adäquate Berücksichtigung der Rolle der Medialität, vor. Im Zentrum steht dabei die Frage nach dem Verhältnis der medialen Realisierung (Graphie bzw. Phonie) mit der nähe- oder distanzsprachlichen Konzeption. Im Koch/Oesterreicher’schen Modell tritt die Medialität, die außerdem scharf von der Konzeption abgegrenzt wird, in den Hintergrund. Selig und Schmidt-Riese argumentieren aufgrund der sehr deutlichen Affinitäten zwischen der Konzeption der Nähe und der phonischen Realisierung sowie zwischen Distanz und Graphie dafür, dass die Trennschärfe zwischen Medium und Konzeption wie auch die Rolle des Mediums insgesamt kritisch überdacht werden sollte.

      Der Sprachpurismus der Frühen Neuzeit steht im Fokus des Beitrags von Sarah Dessì Schmid. Sie beleuchtet Sprachkultur und Sprachpolitik im Selektions- und Ausbauprozess der Volkssprachen Italiens und Frankreichs im Spannungsfeld von Mündlichkeit und Schriftlichkeit. Die komplexen Verflechtungen literarischer Produktion und sozialer Praxis werden im Hinblick auf ästhetische und normative Ziele und unter den jeweils speziellen medialen Bedingungen betrachtet, wobei literarische Schriftlichkeit und das Ideal mündlicher Kommunikation am Hof hier das Spannungsfeld der Normierungsbestrebungen darstellen, in dem Italien und Frankreich jeweils eigene Wege gehen.

      Sascha Diwersy und Katja Ploog untersuchen mikrodiachrone Veränderungen beim Gebrauch des zunächst lokativen französischen Adverbs auf der Basis einer Korpusanalyse des mikrodiachron angelegten Korpus ESLO-MD, das Daten gesprochener Sprache der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts sowie Daten des 21. Jahrhunderts umfasst. Ausgangspunkt ist die Hypothese, wonach das Lokaldeiktikon einen der Artikelentstehung der romanischen Sprachen vergleichbaren Weg einschlägt und damit ein Rückgang der lokativen Verwendungen zu erwarten wäre. Insgesamt ergibt die Studie keine Evidenz für deutliche Wandelprozesse, sehr wohl aber Indizien für eine starke Dynamik, sichtbar in deutlichen Unterschieden zwischen nähe- und distanzsprachlichen Diskurstraditionen, sowie womöglich emergierende intersubjektive Funktionen.

      Mit Aspekten aus dem Bereich der computervermittelten Kommunikation setzen sich die Beiträge von Esme Winter-Froemel, Tilmann Sutter und Anna Kurpiers auseinander.

      Esme Winter-Froemel beleuchtet in ihrem Beitrag ebenfalls ausgehend vom Koch/Oesterreicher’schen Nähe-Distanz-Modell und Barbara Jobs Analyse medieninduzierten, nähesprachlichen Ausbaus die Reorganisation wie auch das Verschwinden, die Ausdifferenzierung und Konvergenzprozesse im Bereich der Diskurstraditionen. Die komplexen Prozesse bei der Herausbildung neuer Diskurstraditionen werden anhand ausgewählter Beispiele wie elektronischer Leserbriefe und Tweets sowie der damit verbundenen neuen Rahmenbedingungen der computervermittelten Kommunikation und der tiefgreifenden Veränderungen der Text- und Diskurstraditionen herausgearbeitet.

      Dem kommunikativen Umgang mit technischen Unterbrechungen widmet sich Tilmann Sutters Beitrag, der aus der Perspektive der sozialwissenschaftlichen Medienforschung die Problematik der technisch bedingen Entkopplung von Mitteilung und Verstehen, insbesondere auch bei asynchroner Kommunikation und der eingeschränkten Verstehenskontrolle bei einem anonymen Publikum in der technisch vermittelten Kommunikation über Telefon, Massenmedien und internetgestützte Kommunikation diskutiert. Verschiedene Kommunikationsformen und auch kommunikative Gattungen sind dabei auf einem Kontinuum mehr oder weniger stark ausgeprägter technischer Unterbrechungen angesiedelt, was teils durch neue interaktive Kompensationsstrategien abgefedert wird.

      Anna Kurpiers untersucht die sprachlichen Mittel zur (Selbst-)inszenierung in den sozialen Medien am Beispiel einer Amateursportgruppe von Frauen auf Instagram. Dabei liegt neben der eigentlichen Analyse der Texte unter Einbezug des Bildmaterials und mit einem Augenmerk auf den Zielen der Darstellung ein weiterer Schwerpunkt auf der Methodenreflexion. Beispielhaft werden stilistische Mikroanalysen mit den Mitteln der dekomponierenden interaktionalen Stilanalyse nach Selting entwickelt. Berücksichtigt werden dabei diverse Komponenten wie Account-Name, das Text-Bild-Verhältnis, der Einsatz von Hashtags und die Verwendung von fachsprachlichen Elementen.

      Die folgenden Aufsätze untersuchen Übergänge zwischen Sprachen und besondere kommunikative Funktionen von Übersetzung.

      Die Komplexität der dichterischen Übersetzung steht im Mittelpunkt von Kai Kauffmanns Beitrag. Er untersucht die wechselseitigen Übersetzungen bei Stefan George und Wacław Rolicz-Lieder und geht dabei auch auf die Besonderheiten der symbolistischen Literatur ein, in deren Auffassung die Übersetzungen ureigene literarische Funktionen übernehmen, eine übliche Praxis um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert, bei der auch die imitierende und variierende Nachdichtung in einer anderen Sprache künstlerisch genutzt wurde. Daneben stellt Kai Kauffmann auch die Motive der beiden Dichter zur weiteren Vernetzung und je eigenen Positionierung, aber auch zur Pflege ihrer Freundschaft heraus.

      Bettina Kluge analysiert ein bisher selten untersuchtes Verfahren der audiovisuellen Übersetzung, der sogenannten Voice-over-Übersetzung in den TV-Nachrichten, bei denen versetzt nach einer kurzen Spanne des Originaltons eine auditive Übersetzung diesen überlagert, ein Verfahren, das besonders in dokumentarischen Produktionen zur Herstellung einer größeren Authentizität eingesetzt wird, das aber sowohl auf Produktions- wie auch auf Rezeptionsseite hochkomplex ist. Bettina Kluge wählt einen Video-Beitrag von Spiegel Online aus dem Jahr 2015 zu einem mass shooting an einem US-amerikanischen College und legt den Fokus auf die Kombination sprachlicher und außersprachlicher Ressourcen und das Verhältnis des übersetzten Texts zum Originalton, wobei insbesondere auch Verfahren des Medienwechsels berücksichtigt werden.

      Drei sehr unterschiedliche Gesprächstypen werden in den nächsten Beiträgen analysiert. Heike

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