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Gesicht.

      Daniel blieb bei ihrem Anblick beinahe die Luft weg. Sie kam ihm noch schöner vor als bei ihrer letzten Begegnung. Wahrscheinlich, weil sie nun nicht so verbissen schaute, sondern geradezu von einem inneren Leuchten erfüllt war.

      Emily schlug das Buch vor Sophias Gesicht mit einer Hand auf. »Nimbles Abenteuer habe ich als Kind geliebt.« Ein süßes Lächeln huschte über ihre rosigen Lippen, woraufhin es in Daniels Magen heftig kribbelte. »Ich lese dir ein Stück daraus vor.«

      Aufmerksam hörte er ihrer sanften Stimme zu, als sie zu erzählen begann: »Wie alle anderen neugeborenen Tiere, egal ob sie vom Menschen oder einer anderen Spezies abstammen, konnte ich mich nicht daran erinnern, was während meiner ersten Lebenstage geschah. Das Erste, woran ich mich erinnern kann, war, dass meine Mutter mich und meine drei Brüder, die alle im selben Nest lagen, mit folgenden Worten ansprach …«

      Sophia schien angestrengt zu lauschen, obwohl sie bestimmt noch nicht alles verstand, und kuschelte sich mit dem Kopf an Emilys Brust. Dort spielte sie mit einer Schleife von Emilys Kleid.

      Em küsste sie auf den Scheitel und lächelte.

      Eine plötzliche Wärme flutete Daniels Brust, und er wich schnell einen Schritt in den Schatten des Flures zurück, ohne Emily aus den Augen zu lassen. Sie auf solch vertraute Weise zusammen mit seinem Kind zu sehen, verwirrte ihn. Am liebsten wollte er sich auf genau solch einem kleinen Stuhl zu ihnen setzen, um Emily zuzuhören und zu sehen, wie seine Tochter weiterhin auf sie reagierte. Doch er pflegte nur wenig Kontakt zu Sophia, auch wenn seine Frau immer darauf bestanden hatte, sich so viel wie möglich mit ihren zukünftigen Kindern zu beschäftigen. Allerdings scheute er keine Kosten, damit es Sophia an nichts fehlte. Er hatte die alten Kindermöbel, die noch von seinem Vater stammten, gegen neue ausgetauscht, ihr ein riesiges Puppenhaus mit Einrichtungsgegenständen anfertigen lassen, das doppelt so groß war wie Sophia selbst, und einen kleinen, mit Leder bezogenen Stuhl samt Tisch, der zu einem Hochstuhl umfunktioniert werden konnte. Er hatte aber auch einen einfacheren Hochstuhl gekauft, der an einem Tisch in Emilys Zimmer stand. Dort hatten Lizzy und Sophia immer gegessen.

      Lizzy war mit seiner Tochter viel hier oben allein gewesen, wenn sie nicht gerade draußen spazieren gegangen waren. Dann hatte Daniel darauf bestanden, dass sie zu ihrer Sicherheit zusätzlich Henry mitnahm. Bestimmt würde sein Diener die junge Frau vermissen. Die beiden hatten sich gut verstanden.

      Nur Gouvernanten führten ein noch einsameres Leben als eine Nanny, denn sie durften keinen gesellschaftlichen Kontakt mit der Familie oder den Gästen pflegen. Emily wollte er keine Isolation zumuten. Es käme ihm falsch vor, seine Freundin aus Kindheitstagen abzuschotten. Außerdem brannte er darauf zu erfahren, was sich zwischen ihr und Lord Rowland abgespielt hatte. Vielleicht würde sie sich ihm öffnen, wenn sie mehr Zeit miteinander verbrachten. Er musste nur aufpassen, dass seine Angestellten nichts von ihren Gesprächen aufschnappten. Schließlich hatte er Emily versprechen müssen, dass keiner ihre wahre Identität herausfand.

      Sein Butler Smithers hatte womöglich damals, als Mutter Daniel von Emilys Heirat berichtet hatte, etwas mitbekommen. Aber auf Smithers konnte er sich verlassen, schon immer. Sein treuer Diener blieb auch stets so lange auf, bis Daniel von seinen geheimen, nächtlichen »Aktivitäten« zurückkam, um ihn ungesehen ins Haus zu lassen.

      Daniel würde seinen Butler fragen, ob er sich an das Nachbarsmädchen Emily erinnerte. Smithers mochte zwar wie eine verschrumpelte Schildkröte aussehen, aber sein Gedächtnis funktionierte noch tadellos. Bestimmt hatte er das lebhafte Mädchen von einst nicht vergessen. Smithers würde verstehen, warum Daniel sie anders behandelte, und es würde hoffentlich kein abenteuerliches Gerede aufkommen. Zwar war er hier der Herr des Hauses, der tun und lassen konnte, was er wollte, aber Bedienstete hatten zuweilen die Angewohnheit, die tollsten Geschichten zu erfinden, wenn es um ihre Herrschaften ging.

      Daniel grinste, als Emily leise zu seiner Tochter sagte: »Wenn wir unter uns sind, darfst du mich Em nennen. Das kannst du leichter aussprechen als Mrs Rowland. Em hat dein Vater früher immer zu mir gesagt.«

      Als er sich an das wilde, rothaarige Kind von damals und ihr leicht rebellisches Verhalten erinnerte, wurde sein Lächeln breiter. Es würde Sophia gewiss nicht schaden, ein wenig liberaler erzogen zu werden. Sie hatte ihre Mutter verloren; darunter würde sie später als Debütantin sicher leiden, wenn sie ihren ersten Ball besuchte.

      Es zog unangenehm in Daniels Brust, wenn er daran dachte, dass er sich nicht nur eine Frau suchen musste, um mit ihr einen männlichen Erben zu zeugen, sondern auch, damit seine Tochter später jemanden hatte, der sie in die Gesellschaft einführte. Er sollte wirklich nicht länger mit der Verlobung warten, dabei hatte er noch nicht einmal eine potentielle Kandidatin im Sinn. Und wirklich bereit für eine neue Ehe war er auch noch nicht. Fast jede Nacht träumte er von Imogens schrecklichem Tod und wollte nie wieder mit ansehen müssen, wie eine Frau starb, weil sie ihm ein Kind geschenkt hatte. Zwar war Imogen nicht gleich nach der Geburt gestorben, sondern hatte noch einige Tage gelebt, aber ihre starken Blutungen und Krämpfe waren auf die schwere Entbindung zurückzuführen gewesen, hatte der Arzt gemeint.

      Daniel landete abrupt in der Gegenwart, als Emilys Stimme plötzlich lauter wurde: »Schließlich schrie ein kleines Mädchen auf, das neben ihrer Mutter im Zimmer arbeitete, als ob es heftig verletzt wäre. Die Mutter bat darum, ihr den Grund des plötzlichen Gebrülls zu verraten. Daraufhin rief sie: Eine Maus! Eine Maus! Ich habe eine unter dem Stuhl gesehen!«

      Sophia quietschte vergnügt und gluckste, und auch Emily lachte aus vollem Herzen, sodass Daniel sie ununterbrochen anstarren musste. Himmel, sah sie schön aus, wenn sie nicht so ernst schaute.

      Als sie plötzlich direkt in seine Richtung blickte, hob Daniel hastig die Hand und klopfte an die angelehnte Tür, bevor er eintrat.

      »Daniel!« Sofort setzte sie sich kerzengerade hin – so gut es auf dem Kinderstuhl eben ging – und wollte sich erheben.

      »Bitte bleib sitzen«, sagte er schnell. »Ich wollte nur kurz sehen, ob alles zu deiner Zufriedenheit ist?«

      Ihre Augen strahlten. »Deine Tochter ist wundervoll und mein Zimmer ebenfalls.«

      Leise räusperte er sich und widerstand dem Drang, seine Hände wie ein kleiner Junge in die Hosentaschen zu schieben. »Wenn du irgendetwas brauchst, sag mir oder Smithers Bescheid.«

      Sie nickte leicht. »Das mache ich. Danke dir.« Nach einer kurzen Pause setzte sie hinzu: »Lizzy hat gemeint, ich solle dir jeden Tag Bericht über Sophias Entwicklung erstatten?«

      »Ähm … ja.« Es war ihm vor ihr fast ein wenig peinlich, dass er sich so wenig mit seinem Kind abgab. Doch er hatte dafür seine Gründe. »Möchtest du heute mit mir im Grünen Salon essen? Dann kannst du mir gleich von deinem ersten Tag berichten.«

      Ihre Augen leuchteten nun noch mehr. »Liebend gern.«

      »Dann … bis zum Dinner.« Mit großen Schritten verließ er die Kinderstube und rannte die Stufen nach unten in sein Arbeitszimmer. Hoffentlich hatte er nicht gerade den Fehler seines Lebens gemacht. Emily war nicht mehr das kleine Nachbarsmädchen, mit dem er sich gut verstanden hatte, sondern eine erwachsene, sehr attraktive Frau, die von heute an mit ihm unter einem Dach lebte! Und sie gefiel ihm gut. Zu gut!

      Wie sollte er sich jetzt nur verloben können, wenn ihm eine süße Viscountess schon an ihrem ersten Arbeitstag den Kopf verdrehte?

      Kapitel 6 – Turbulente Veränderungen

      Daniel konnte sich kaum auf seine Arbeit konzentrieren und saß deshalb am späten Nachmittag eher als sonst im Grünen Salon – dem großen Esszimmer seiner Familie. Smithers quittierte seine viel zu frühe Anwesenheit mit hochgezogenen Brauen, ohne nach dem Grund zu fragen, und schenkte ihm seinen Lieblings-Brandy ein.

      Nachdem Daniel am Glas genippt hatte, sagte er zu seinem Butler: »Smithers, bitte geben Sie in der Küche Bescheid, dass Mrs Rowland mit mir essen wird.«

      »Sehr wohl, Mylord.« Der alte Mann deutete eine leichte Verbeugung an und ließ ihn mit Henry allein, der steif,

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