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Was echt ist und was nicht, ist keine reine Kopfsache. Echtheit zu erkennen heißt vor allem: die äußere Welt richtig zu erkennen.

      Das Kriterium, ob unser Glaube an eine Verschwörung richtigliegt oder nicht, kann nicht allein im Kopf sein. Immerhin denken beide Trumans ja exakt dasselbe: »Alles um mich herum ist nicht echt.«

      Ob du dich irrst, ist Frage der Wirklichkeit!

      Klar, die Überzeugung ist in deinem Kopf. Das Kriterium der Richtigkeit für deine Überzeugung liegt allerdings in der Außenwelt. Soll heißen: Es liegt nur dann eine Verschwörung gegen dich vor, wenn tatsächlich eine Verschwörung gegen dich angezettelt wurde.

      Es geht also auch und immer darum, Vorstellung und Wirklichkeit bestmöglich miteinander in Einklang zu bringen. Die Welt sinnvoll und nachvollziehbar zu beschreiben.

      Weil das leichter gesagt als getan ist, scheitern viele Menschen hieran. Nicht nur Verschwörungstheoretiker. Aber die besonders. Verschwörungstheorien haben nämlich eine gewisse intellektuelle Sexyness. Weil sie an diese grundlegende menschliche Sehnsucht nach Wahrheit und Echtheit anknüpfen. Sie machen attraktive Vorschläge zur Erklärung der Wirklichkeit. Vorschläge, die oft nicht viel mit der Realität zu tun haben, die sich aber ziemlich wahr anfühlen.

      Der paranoide Truman lehrt uns: Gefühlte Wahrheiten sind keine. Wirklichkeit (und Wahrheit) liegt nicht im Kopf, sondern in der Außenwelt, in der sich der Kopf befindet. Genauer gesagt: Wahrheit ist eine Beziehung zwischen deinem Kopf und der Welt. Dabei ist es egal, ob es um Gold geht oder einen Menschen in Polizeiuniform. Was richtig und was falsch ist, was echt und was unecht ist – davon haben wir Überzeugungen. Überzeugungen, deren Richtigkeit sich an der Wirklichkeit messen lassen müssen. Schlimmstenfalls ist dein Diamantring aus Glas und dein Psychiater ein Hochstapler.

      Krisenschauspieler und mediale Echtheit

      »Das ist doch alles gar nicht echt!«, ist eine Reaktion, die heutzutage häufig anzutreffen ist. Vor allem im Internet. Oder bei Terroranschlägen und Amokläufen.

      Klingt unglaublich, ist aber so.

      Fast immer, sobald eine Nachricht schockierender, brutaler Ereignisse um die Welt geht, sind sie zur Stelle. Diejenigen, die »Fake!!« brüllen.

      In den letzten Jahren häufen sich Kommentare, die schreckliche Ereignisse wie den Anschlag auf die Sandy Hook Elementary School oder auch das Attentat auf den Berliner Breitscheidplatz als gefälscht bezeichnen. Verschwörungstheoretiker sagen, in echt sei nichts davon passiert. Mehr noch: Die Menschen, die einem in den Medien präsentiert werden, seien gar keine echten Opfer, gar keine echten Verletzten, gar keine echten Zeugen. Das seien alles Schauspieler. Krisenschauspieler. Indem man aber diejenigen, die unter einem schrecklichen Ereignis zu leiden hatten (und vielleicht sogar gestorben sind), einer Täterschaft beschuldigt, vollzieht man eine Täter-Opfer-Umkehr oder ein blaming the victim, ein böswilliges Beschuldigen und Verhöhnen des Opfers.

      Alles eine große Täuschung.

      Was so absurd klingt wie die Paranoia des paranoiden Truman aus unserem Gedankenexperiment oben, ist heute weit verbreitete, bittere Realität. Im Internet wimmelt es von Menschen, die anderen Menschen vorwerfen, nur Krisenschauspieler zu sein. Menschen, die wütend werden, weil man ihnen ihrer Meinung nach etwas vorgaukelt. Menschen, die zu Mobbing und Gewalt greifen, weil sie es satthaben, andauernd von »den Mainstream-Medien« über »den echten Lauf der Dinge« getäuscht zu werden.

      Aber der Reihe nach.

      Was ist hier los?

      Für uns, die wir – zumindest aus Perspektive vieler Verschwörungstheoretiker gesehen – noch naiv genug sind, den »Mainstream-Medien« Glauben zu schenken, steht fest: In der Welt geschehen auch schreckliche, gewalttätige Dinge wie Amokläufe und Terroranschläge. Rolle der Medien ist es, die Öffentlichkeit so verantwortungsvoll und präzise wie möglich über alle wichtigen Geschehnisse zu unterrichten. Was ist durch wen geschehen, wo, wie und bestenfalls auch: warum. Diese Berichterstattung – ob nun z. B. über das Anis-Amri-Attentat auf den Breitscheidplatz, den Massenmord durch Stephen Paddock in Las Vegas 2017 oder den 11. September 2001 – ist vielleicht nicht immer sofort zu hundert Prozent fehlerfrei (und ist auch oft im Interesse der Täter, die ohne Berichterstattung nicht bekannt werden würden). Eventuelle Fehler in der Berichterstattung ändern jedoch nichts an der Tatsache, dass die grundlegenden Informationen stimmen. Für die genannten Beispiele heißt das: Es gab einen LKW-Anschlag durch einen islamistischen Extremisten auf Weihnachtsmarktbesucher am Berliner Breitscheidplatz. Es gab einen Angriff in Las Vegas, bei dem ein Schütze mit automatischen Schnellfeuerwaffen aus einem Hotelfenster ins Publikum eines Country-Konzertes schoss. Es gab von Osama bin Laden geplante Flugzeugentführungen, die den Einsturz beider Türme des World Trade Centers herbeiführten.

      Das ist die klassische Vorstellung von echten Ereignissen und von Medien, die uns wahre Nachrichten über echte Ereignisse vermitteln. Der Grundgedanke: Wir entnehmen den Nachrichten Wahres über die echte Welt. Die Medien täuschen uns nicht. Sie informieren.

      So viel sollte Konsens sein, oder?

      Falsch.

      Verschwörungstheoretiker sehen das anders.

      Lügenpresse

      Lügenpresse, Lügenpresse, Lügenpresse. In den letzten Jahren ist der Lügenpresse-Vorwurf immer populärer geworden. Ob seine Vertreter nun »Lügenpresse!« oder wie der US-amerikanische Präsident »Fake News!« brüllen, beide meinen dasselbe: »Du kannst ›den Medien‹ nicht trauen. Sie lügen. Sie belügen dich, mich, uns alle. Absichtlich.«

      Welche Medien die Lügenmedien sind, ist eine Frage der Perspektive. Faustregel: Lügner sind alle diejenigen, die der Sprecher aus welchen Gründen auch immer nicht mag und deshalb zu solchen erklärt. In der Regel sind es große Zeitungen und Fernsehsender, die im Verschwörerdenken entsprechend »Mainstream-Medien« (kurz: MSM) genannt werden. Da sie angeblich lügen, ist der Wahrheitswert ihrer Nachrichten vernachlässigbar. Lügenvorwürfe sind dabei beides – sowohl Vorwürfe der Unwahrheitsbehauptung als auch ein Absprechen der Glaubwürdigkeit.

      Mehr noch: Medien seien manipulativ.

      Wer lügt, hat nämlich Motive.

      Gründe, warum er lügt.

      Ein solcher Lügenpresse-Vorwurf ist ein verschwörungstheoretischer Vorwurf, weil er besagt, dass die Medien sich – gemeinsam mit Hintermännern – heimlich verschworen haben, um die Öffentlichkeit absichtlich über den echten, den wahren Lauf der Dinge zu täuschen. »Lügenpresse« bedeutet, dass manipulative Medien eine leichtgläubige Öffentlichkeit über den echten Lauf der Dinge täuschen.

      9/11? War die Bush-Regierung selbst.

      Anis-Amri-Attentat? So nicht passiert.

      Las Vegas Shooting? Überhaupt nicht passiert.

      Mondlandung? In den Hollywood-Studios gedreht.

      Was zunächst nach verrückten Außenseiterpositionen klingt, wird von erschreckend vielen Menschen geglaubt und nach außen vertreten. Der Journalistikprofessor Tanjev Schultz schreibt:

      »Etwa jeder fünfte Bürger in Deutschland stimmt nach einer Umfrage [2017] der Aussage zu, ›die Medien und die Politik arbeiten Hand in Hand, um die Meinung der Bevölkerung zu manipulieren‹ (ein Jahr zuvor stimmte jeder vierte Befragte zu)«.10

      Treffe zufällig einen Leser persönlich.

      »Sie schreiben nie etwas Kritisches über Merkel oder die Bundesregierung!«, sagt er. »Sie stecken doch alle unter einer Decke!«

      Ich antworte: »Äh, doch. Also, ich bin ja Auslandskorrespondent, Merkel ist in den seltensten Fällen mein

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