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seine Kinder mißraten, seine Freunde wertlos, oder wenn sie zwar brav, aber ihm durch den Tod entrissen wären. Also wie wir vorher gesagt haben, es scheint doch, daß auch solche äußeren Glücksumstände mit dazu gehören. Darum stellen denn auch manche das äußere Wohlergehen, wie andere die Trefflichkeit des Wesens mit der Eudämonie auf gleiche Linie.

      Daraus entspringt dann weiter die schwierige Frage, ob sie etwas ist, was durch Lernen, durch Gewöhnung oder sonst irgendwie durch Übung erworben werden kann, oder ob sie einem nach göttlichem Ratschluß oder auch durch bloßen Zufall zuteil wird. Wenn es nun auch sonst irgend etwas gibt, was den Menschen als Gabe der Götter zufällt, so wird die Annahme nahe liegen, daß auch die Eudämonie eine göttliche Gabe sei, und zwar eine solche im höchsten Sinne, je mehr sie unter allem was ein Mensch haben kann das Wertvollste ist. Indessen, diese Frage möchte doch wohl ihren eigentlicheren Platz in einer anderen Untersuchung haben; soviel ist jedenfalls klar, daß die Eudämonie, auch wenn sie nicht von den Göttern gesandt sein sollte, sondern durch Tüchtigkeit und auf dem Wege des Lernens und Übens errungen wird, zu dem gehört, was am meisten göttlichen Wesens ist. Denn der Kampfpreis und der Endzweck sittlicher Vollkommenheit erweist sich augenscheinlich als das Höchste, als etwas Göttliches und Seliges. Doch wird es zugleich einem jeden erreichbar sein müssen, als etwas, was die Möglichkeit bietet, allen denen, die nicht zu rechter Seelenverfassung von vornherein verdorben sind, auf dem Wege des Lernens und der Übung zuzufallen. Wenn es aber etwas Schöneres ist, zur Eudämonie auf diesem Wege statt durch bloßen Zufall zu gelangen, so ist auch anzunehmen, daß es wohl auf jenem Wege geschehen wird. Ist doch das was aus den Händen der Natur hervorgeht darauf angelegt, soweit als irgend möglich die höchste Vollkommenheit zu erreichen; und das gleiche ist auch bei dem der Fall, was des Menschen Kunst, wie bei dem was jede andere Ursache und am meisten was die erhabenste der Ursachen hervorbringt. Gerade das Größte und Herrlichste aber dem Zufall zuzuschreiben würde über alles Maß gedankenlos sein.

      Aber schon aus dem Begriff der Sache läßt sich die Antwort auf unsere Frage entnehmen. Wir haben die Eudämonie als eine bestimmte Form geistiger Wirksamkeit, der inneren Trefflichkeit entsprechend, bezeichnet. Von den übrigen Gütern nun sind die einen notwendig damit verbunden, die anderen von Natur bestimmt, ihr nach Art von Werkzeugen förderlich und hilfreich zu sein. Dies stimmt nun auch vortrefflich zu dem, was wir gleich im Eingang bemerkt haben. Wir haben dort das Ziel der Staatsgemeinschaft als das höchste hingestellt; diese aber betreibt dies als ihre bedeutsamste Aufgabe, die Staatsangehörigen mit gewissen Beschaffenheiten auszurüsten, also sie tüchtig und zu löblicher Lebensführung geeignet zu machen. Daß bei einem Rinde, einem Pferde oder sonst einem Tier von Eudämonie nicht die Rede sein kann, ist selbstverständlich; denn keines von ihnen bietet die Möglichkeit, zu solcher geistigen Wirksamkeit angeleitet zu werden. Aus dem gleichen Grunde kommt Eudämonie auch einem Kinde nicht zu. Kinder sind ihrer Altersstufe wegen noch nicht zu solcher Betätigung befähigt, und wenn man sie glücklich preist, so geschieht es in Hinsicht auf die Hoffnung, die sie für die Zukunft gewähren. Denn wie gesagt, es gehört dazu vollendete Innerlichkeit und ein vollendetes Leben. Im Leben aber begegnen uns zahlreiche Veränderungen und Wechsel jeder Art, und wer jetzt im schönsten Glückszustande blüht, kann möglicherweise im Alter von den furchtbarsten Schicksalsschlägen betroffen werden, wie sie in den Sagen vom trojanischen Kriege vom König Priamus berichtet werden. Wer aber solchen Glückswechsel erfahren und ein jammervolles Ende gefunden hat, dem schreibt niemand Eudämonie zu.

      Soll man nun auch sonst keinen Menschen glücklich preisen, solange er noch lebt? Muß man wirklich wie Solon meint erst das Ende abwarten? Gesetzt also auch, man müsse diesen Satz gelten lassen: wäre jemand dann wirklich glücklich, wenn er gestorben ist? Oder ist dies nicht vielmehr eine völlig widersinnige Ansicht, abgesehen von allem anderen schon aus dem Grunde, weil wir die Eudämonie in einer Art von Wirksamkeit finden? Schreiben wir aber dem Gestorbenen keine Eudämonie zu, und ist es auch gar nicht das, was Solon hat sagen wollen, sondern vielmehr nur dies, daß man einen Menschen erst dann als einen, der nunmehr aus dem Bereiche des Übels und des Mißgeschickes entronnen ist, mit Sicherheit glücklich preisen kann, so gibt doch auch das wieder Anlaß zu einem Streit der Ansichten. Man möchte doch eher meinen, daß es für den Verstorbenen Schlimmes und Gutes gibt, wenn es doch dergleichen auch für den Lebenden gibt, ohne daß dieser es gewahr wird, wie Ehre und Schande, wie der Kinder und überhaupt der Nachkommen Wohlergehen und Mißgeschicke.

      Indessen ein Bedenken findet sich auch dabei. Wer bis zum hohen Alter ein glückliches Leben geführt und einen dem entsprechenden Tod gefunden hat, den können doch immer noch in seinen Nachkommen viele wechselnde Geschicke betreffen; es können die einen brav sein und ein ihrem Verdienst entsprechendes Lebenslos ziehen, während die anderen dazu das Gegenteil bilden. Offenbar ist auch die Möglichkeit gegeben, daß sie sich nach der Größe des Abstandes von den Vorfahren mannigfach verschieden verhalten. Nun wäre es doch eine seltsame Vorstellung, daß auch der Verstorbene ihre wechselnden Geschicke mit ihnen erlebte und danach bald glücklich, bald elend würde, und ebenso seltsam die Vorstellung, daß das Geschick der Nachkommen die Vorfahren gar nicht, auch nicht zeitweise, berühren sollte.

      Aber wir müssen zu unserer ursprünglichen Fragestellung zurückkehren; denn auf das, was wir jetzt zu ermitteln suchen, kann sich die Antwort vielleicht mit jener zusammen ergeben. Muß man das Ende abwarten und darf man jeden erst dann glücklich preisen, nicht wie einen der jetzt glücklich ist, sondern der es dereinst war: wie will man dabei den Widersinn vermeiden, wenn zu der Zeit wo einer wirklich glücklich ist, die Aussage, daß er es sei, nicht wahr sein soll, weil man den Lebenden wegen der möglichen Glückswechsel nicht glücklich preisen darf, oder auch deshalb, weil man sich die Eudämonie als etwas vorstellt, was dauert und in keiner Weise den Wechsel zuläßt, die Schicksale aber bei einer und derselben Person immer wieder einen Kreislauf durchmachen? Denn das ist ausgemacht: wenn wir uns nach dem Wandel der Geschicke richten, so werden wir einen und denselben Menschen wiederholt glücklich und nachher wieder elend nennen, und damit aus dem Glücklichen eine Art von Chamäleon oder ein Bild auf tönernen Füßen machen. Oder ist es nicht vielmehr völlig unstatthaft, sein Urteil nach dem Wandel der Geschicke einzurichten? Liegt doch das Wohl oder Wehe eines Menschen gar nicht in diesen: sondern wenn auch das menschliche Leben ihrer zwar bedarf, wie wir ausgeführt haben, so bleibt doch das Entscheidende die Handlungsweise, für die Eudämonie die der edlen Gesinnung, und für das Gegenteil die der entgegengesetzten Gesinnung entsprechende.

      Für unsere Auffassung nun zeugt auch das eben erörterte Bedenken. Denn nichts in den menschlichen Dingen besitzt eine solche Zuverlässigkeit wie die Äußerungen des sittlichen Charakters; man darf sie für noch dauerhafter halten als selbst die Erkenntnisse. Unter jenen selbst aber sind die am höchsten stehenden auch die dauerhafteren, weil das ganze Leben des Glücklichen in ihnen am tiefsten und am anhaltendsten aufgeht. Das darf man denn auch als den Grund ansehen, daß für sie niemals ein Vergessen eintreten kann. Ein glücklicher Mensch wird deshalb eben das besitzen, was wir für die Eudämonie in Anspruch nehmen; er wird, was er ist, sein ganzes Leben hindurch bleiben. Denn er wird immer oder doch vor allem anderen im Handeln wie im Denken die sittliche Anforderung vor Augen haben; die Geschicke aber, die ihn treffen, wird er auf das edelste tragen, in jedem Sinne, an jedem Orte wohlbedacht, in rechter Wahrheit ein wackerer Mann, fest gegründet und ohne Makel.

      Wenn nun das Geschick vielerlei nach Größe oder Geringfügigkeit seiner Bedeutung sehr Verschiedenes mit sich bringt, so übt offenbar das Geringfügige, sei es ein Glücksfall, sei es das Gegenteil, keine besondere Einwirkung auf sein Leben; dagegen wird das nach Inhalt und Anzahl Beträchtliche, was ihm begegnet, sofern es erfreulich ist, sein Lebensglück noch vermehren. Denn es selbst hat von Natur die Bestimmung, zum Schmucke des Lebens zu dienen, und es gestattet eine Verwertung zu edlen und wackeren Handlungen. Sofern aber etwas von umgekehrter Bedeutung begegnet, schwächt und trübt es wohl den Glückszustand, indem es Kummer bereitet und für mancherlei Wirksamkeiten ein Hemmnis bildet; gleichwohl strahlt auch durch solche Bedrängnis noch der Adel der Seele hindurch, wo einer zahlreiche schwere Schicksalsschläge mit Gelassenheit trägt, nicht aus Unempfindlichkeit, sondern vermöge eines edlen und hochgestimmten Gemütes.

      Ist aber, wie wir nachgewiesen haben, das für das Leben Entscheidende die Äußerung in Handlungen, so kann kein Beglückter jemals elend werden; denn es kann ihm nie geschehen, daß er etwas

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