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wie jener der Griechinnen, nicht hüpfend wie bei den Ägypterinnen, nicht rasch und kraftvoll wie der Gang skythischer Frauen, sondern es war etwas Nachlässiges und Schleppendes in ihm. Es war der zögernde Schritt einer ziellos und willenlos Gehenden, noch dazu beschränkt durch das enge babylonische Kleid.

      Vor dem Altar, von dessen Ecke eine der gestürzten Säulen im Fall einen Widderkopf abgeschlagen hatte, las sie die Opferscheite aus Zedernholz von der Erde auf, reinigte sie mit einem weißen Tuch, legte sie in Reihen zu vieren übereinander, forderte von den Sklaven die Fackel und setzte das heilige Feuer wieder in Brand. Arrhidäos sah eigen bewegt hinüber, denn es war ein schönes Bild: das Weib rötlich beschienen vom aufleckenden Feuer, die beiden Sklaven lautlos furchtsam, rings schlafende Söldner, die stillschreitenden Wachen an den Enden des Lagers, der halbzerstörte Tempel, die nachtschwarzen Gebirge und der Himmel von Sternenlichtern besät.

      Arrhidäos preßte die Stirn in den Arm. Sein Gemüt war gedrückt, Rätsel über Rätsel erfüllten es. Ach, er beneidete die Nacht um ihren Frieden, den Tag um sein Licht, die Lustigen um ihr Lachen, die Steine um ihre Leblosigkeit. Plötzlich sprang er auf und fuhr den Lyder an: »Sprich ein gutes Wort, ein vorbedeutendes Wort, schnell, schnell, besinne dich nicht, wie es der Geist eingibt.«

      Der Lyder nahm eine heuchlerische Feierlichkeit an und antwortete frech: »Alexander wird Arrhidäos fürchten lernen.«

      Arrhidäos blickte schwermütig zu Boden. Dann lächelte er verächtlich, angewidert durch den Hauch der Lüge, kehrte dem Lyder den Rücken und schritt gegen den Altar. Er winkte den zwei Sklaven zu gehen und fragte die Fremde, wer sie sei, wann der Tempel zerstört worden und durch wen. Ihr Gesicht hatte alle Merkzeichen der chaldäischen Rasse: die platte kleine Stirn, die dicken, gleichsam blutenden Lippen und schwarze, leidenschaftliche Augen. Die Brauen, kaum geründet, flossen in der Mitte zusammen, ein Zeichen dunkler Kräfte. Der Blick brach unter den schweren Lidern hervor und verkroch sich wieder darunter, so wie ein geheimnisvolles Wesen aus den Fluten des Meeres aufsteigt, mit kühler Lust die dumpfe Welt betrachtet und ruhesuchend wieder untertaucht.

      Vor der Kälte der Nacht schauernd, zog sie das braune Wollgewand fest um die Schultern und gab bereitwillig Auskunft.

      Sie war Liblitu, die Tochter Inusins des Babyloniers. Sie war in den Schoß der großen Anahita geflohen, um vom Aussatz zu genesen, und die Göttin, die das Blut in den Adern erzeugt und die sieben Himmelswasser beherrscht, hatte sie geheilt. Vor einigen Tagen waren Bewaffnete von Norden gekommen; ihr Führer Meno, von Alexander beauftragt, hatte vier Jahre lang vergeblich die Stadt Cambala belagert und war schließlich von den Einwohnern besiegt und verjagt worden. Furcht vor Alexander hielt Meno in den Gebirgen fest. Seine Soldaten empörten sich, und als er hierherkam und vor dem Bild der Anahita betete, erschlugen sie ihn, plünderten und zerstörten den Tempel und schleppten die meisten Priesterinnen mit fort. Nur sie selbst vermochte sich zu retten, denn als sie den Hain durchsuchten und sie unter den heiligen Schlangen fanden, packte sie Entsetzen; sie glaubten, die Göttin selbst sei aus der Erde gestiegen. Damit schloß sie den kargen sachlichen Bericht, in dem nichts Mitleidforderndes für sie selbst enthalten war. Ihre silbrige umflorte Stimme erinnerte an ihren Gang, sie hatte etwas Zögerndes, Unentschlossenes und Gefesseltes. Sie fragte um das Ziel der Truppe und bat um die Erlaubnis, dem Zug bis zum großen Heerlager folgen zu dürfen. Dort werde sie Klage erheben. Was sie sagte, hatte Vernunft und Bestimmtheit und flößte Arrhidäos Achtung ein; billigdenkend wie er war, beschloß er, die Einsame in seinen Schutz zu nehmen.

      Der Morgen war voller Duft und Kühle. Die zackigen Kämme der gigantischen Felsenmauern schienen die Himmelsbläue zu zerschneiden. Ein Bach im steinigen Bett warf den kristallenen Schaum rauschend zur Tiefe. Eine uralte Brücke führte über den Bach nach aufwärts, und der Pfad wurde so steil, daß Mensch und Tier nur mühsam keuchend vorwärtskamen. Die Felsen waren hoch hinauf von alten Grabhöhlen so durchlöchert, daß sie wie ungeheure Wespennester aussahen. Der Weg wurde schmäler; die Pferde und Maultiere, in langer Reihe schreitend, fanden kaum Platz für ihre Füße. Einsamkeit und Totenstille!

      Die Söldner beachteten weder die Gefährlichkeit noch die Großartigkeit des Pfades. Sie waren von einer Unruhe erfaßt, die jeder in sich selbst verspürte, ohne sie am andern zu merken. Die Babylonierin, auf einem Maultier hinter Arrhidäos reitend, war das Ziel ihrer erregten Blicke, ihres unablässigen Spähens. Sie hatten Weiber genug gehabt; von Milet bis Sardes hatten sie die Vergnügungen der Liebe bis zur Abspannung genossen, aber diesmal war es, als seien ihre Sinne durch Zauberei vergiftet. Es war, als ob ein Gluthauch der Wollust, der von dem Weibe ausströmte, sie unfähig mache, ihre gewöhnlichen Gedanken zu denken, ihre gewohnten Reden zu tauschen. Es sah aus, als zöge Liblitu diese wilden Männer gefangen hinter sich her. Wenn sie das Tier anhielt und ihren versprechenden, doch gleichsam noch schlummernden Blick nach rückwärts schweifen ließ, zitterten sie und stießen Laute aus wie Waldtiere, die zur Brunstzeit der Fährte eines Weibchens folgen. Beständig lag ein ungewisses, unbewegliches, durstiges Lächeln auf Liblitus Lippen, und der übrige Körper schien gedrückt von der Last der Sonnenhitze.

      Als der Abstieg auf breiten, mit Moos bewachsenen Felsterrassen begann, erweiterte sich das Tal mehr und mehr, und spät nachmittags trat das Gebirge mit einemmal wir durch Zauberei zurück, und die unermeßliche Ebene Mesopotamiens wurde sichtbar. Einen letzten Blick wandten selbst die Müdesten zurück nach den in Eis und Schnee starrenden Gebirgen Assyriens, dann richteten sie das Auge nach Süden.

      In gleichmäßigem Wellengang hob und senkte sich die Fläche, rotbraun schimmerte sie und milchig zitterte die Luft über ihr. Breit und ruhig gleich einer beweglichen Straße floß der mächtige Tigris dahin und verschwand draußen unter dem bläulichweißen Horizont. Kein Baum, kein Strauch, kein Haus war zu sehen, kein Anzeichen menschlichen Wirkens. Gazellen jagten fern dahin, schwarz in den hellen Himmel gezeichnet wie Schattengebilde. Am Strom weideten die wilden Esel, Schwärme von Trappen flogen, und hoch im Wolkenlosen schwamm langsam ein Geier.

      Arrhidäos blickte regungslos, voll Andacht, voll wesenloser Dankbarkeit hinaus. Es war das Land uralter Sage, das vor ihm lag, das geheimnisvolle Gebiet chaldäischer Weisheit, das Reich der Könige Assurs, der furchtbare Schoß kriegerischer Völker. Und dort, unsichtbar für Augen, aber nahe jeder Ahnung, lag Babylon, die fabelhafte Stadt, der Nabel des Morgenlandes.

      Am Fuß eines letzten Felsenausläufers wurde das Lager errichtet. Da zeigte es sich, daß die schreckliche Begierde des Söldnerhaufens in Raserei überzugehen drohte. Sie waren wie von einer Krankheit ergriffen. Die meisten unterließen es, ihre Zelte aufzustellen, aßen nicht, tranken nicht, sprachen nicht. Doch wagten sie nicht zu handeln; einer fürchtete den andern, und alle fürchteten den Gegenstand ihrer Gier. Dichte Scharen umlagerten die Babylonierin und starrten sie lautlos an, während die Lagerfeuer aufflammten. Das geängstete Weib suchte zu fliehen, doch sie folgten still wie Hunde.

      Nicht anders vermochte sich Liblitu zu retten, als daß sie sich ins Zelt des Arrhidäos begab und seinen Schutz erflehte. Sie war wie ein Kind in Furcht gesetzt vor dem Feuer, das ihre eigene Hand spielerisch unwissend entfesselt hatte, und sie schluchzte.

      Arrhidäos ahnte nichts von diesen Vorgängen und sein Gefühl nahm keinen Teil daran. Von anderem Drang und anderen Wünschen war sein Inneres durchwühlt. Die halbe Nacht lag er wachend unter freiem Himmel; wie ein Traumbild stieg die Gestalt Alexanders vor ihm auf, und Arrhidäos sprach zu ihm: was du auch getan hast, hätt’ ich es nicht ebenso zu tun vermocht, wenn Glück und Zufall mich begünstigt hätten? Er empfand die Scham eines Zuspätkommenden, das Herzleid eines im Schatten Wandelnden. Der Neid zerriß seine Brust.

      Viertes Kapitel.

       Die Makedonier

       Inhaltsverzeichnis

      Inzwischen hatten sich die Heere Alexanders am Flusse Kufisu versammelt. Dort lag Opis, die »schwarze Stadt«, die Stadt vieler Raben, vieler Gräber und vieler Tempel, in denen der Mondgott, der Todesgott und der Pestgott besonders verehrt wurden.

      Im makedonischen Lager fanden große Zusammenrottungen

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