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sagte Bente. Sie musste sich zwingen, aufmerksam zu sein.

      »Noch etwas, Bente. Bald wird es hier vor Journalisten wimmeln. Ich gebe dir den Rat, so wenig wie möglich zu sagen, wenn sie mit dir reden wollen. Es gibt so Vieles, was noch unsicher ist. Wenn sie dich bedrängen, kannst du antworten, dass du der Polizei alles gesagt hast, was du weißt.«

      Als sie wieder in das andere Büro zurückkamen, sagte die Rektorin, dass sich Bente gerne den Rest des Tages frei nehmen könne. Sie müsse sich sicher ausruhen, meinte sie. Bente wusste nicht so recht, was sie eigentlich wollte, stimmte aber zu, als sie hörte, dass ihre Mutter kommen und sie abholen würde. Ein Mann mit einer Halbglatze saß neben der Rektorin und machte sich Notizen.

      »Du bist also die Freundin, mit der Kari-Marie Eiker auf dem Nachhauseweg gesprochen hat?«, fragte er und war sehr an Bente interessiert. Er gab ihr einen schlaffen Händedruck. »Ich komme von der Lokalzeitung. Kann ich kurz mit dir reden, bevor du gehst?«

      »Jetzt nicht«, sagte Bente, ohne Monas Blick zu begegnen.

      »Es dauert wirklich nicht lange. Nur ein paar Fragen. Und ein kleines Foto.« Sein Lächeln war zuckersüß. »Ich verstehe, dass du einen harten Tag hattest«, sagte er verständnisvoll.

      »Jetzt nicht«, sagte Bente nochmal und zog ihre Jacke an.

      »Bente Vessel, ist das richtig?«, fragte er.

      Sie hatte keine Ahnung, woher er den Namen wusste, konnte aber nichts anderes als ja auf die Frage antworten.

      Der Rest der Journalisten erwartete sie auf dem Schulhof. Plötzlich wurde sie von allen Seiten bedrängt, als ob sie ein Popstar wäre. Alle wollten nur sie interviewen. Sie stellten sich als Mitarbeiter von Lokalzeitungen, Radiosendern und zwei lokalen Fernsehsendern vor. Sie sagte, dass sie der Polizei alles gesagt habe, was sie wusste, und jetzt nach Hause wolle. Aber die Journalisten gaben nicht auf. Ohne ganz zu verstehen, wie ihr geschah, gab sie kurze Antworten auf die Fragen. Aber sie hielt das nicht für ein Interview, deshalb war sie erschrocken, als der Mann mit der großen Kamera sie filmen wollte.

      »Wo, glaubst du, ist Kari-Marie?«

      »Weiß ich nicht.«

      »Hat Kari-Marie gesagt, dass sie Angst hatte, als du gestern Abend mit ihr gesprochen hast?«

      »Nicht direkt.«

      »Kennst du sie gut?«

      »Wir sind gute Freundinnen.«

      »War das ein schlimmer Tag für dich?«

      »Ja.«

      »Der schlimmste Tag in deinem Leben?«

      »Ja.«

      »Hast du Angst, dass sie Opfer einer kriminellen Handlung geworden ist?«

      »Ja.«

      Plötzlich stand ihre Mutter da. Sie nahm sie entschlossen am Arm und führte sie weg.

      »Ich denke, die Geier haben genug bekommen«, sagte sie auf dem Weg zum Auto. »Hoffentlich haben sie dich nicht ganz aufgefressen.«

      3

      Bente zog sich in ihr Zimmer zurück, um ihre Ruhe zu haben. Als Entschuldigung gab sie vor, schlafen zu müssen. Stattdessen lag sie einfach nur da und dachte nach. Sie wurde die lästigen Gedanken einfach nicht los. Hätte sie sofort Alarm geschlagen, nachdem der Anruf mit Kami unterbrochen worden war, hätte die Freundin vielleicht gerettet werden können. Doch wovor eigentlich gerettet?, fragte sie sich. Niemand konnte ihr zum Vorwurf machen, dass Kami verschwunden war, versuchte sie sich selbst zu überzeugen. War ihre Freundin an der falschen Haltestelle ausgestiegen? Wenn das stimmte, hatte Kami dann etwa gelogen? Warum? Gab es etwas, das Bente nicht wissen sollte? Oder bestand etwa nicht mehr dasselbe Vertrauen zwischen ihnen wie früher? Hatte Kami vielleicht auch angefangen, ihre eigenen Geheimnisse zu haben?

      Um das schlechte Gewissen zu vertreiben, das sie plötzlich plagte, nahm Bente ihr Handy und wählte die Nummer von Martine. Doch das Handy war ausgeschaltet. Sollte sie Kamis Nummer versuchen? Sie wusste, dass die Polizei es mehrere Male versucht hatte, ohne Resultat.

      Sie setzte sich im Bett auf und sah sich um. Ihr Zimmer war der einzige Ort, an dem sie selbst bestimmen durfte. Hier hatte sie alle ihre Sachen und konnte es sich schön machen. Die Wände waren voll mit Postern von Popstars, und auf den Regalen standen alle Dinge, an denen sie hing und mit denen sie schöne Erlebnisse verband. Die Barbiepuppen aus der Kindheit. Die Klassenfotos. Die Schubladen, die ein paar kleine Geheimnisse enthielten. Alles, was ihr etwas bedeutete. Am liebsten wäre sie für den Rest ihres Lebens in ihrem Zimmer geblieben.

      Beim Piepen ihres Handys zuckte sie erschrocken zusammen.

      Eine SMS: Hei! Bist du da?

      Bente verschlug es fast den Atem. Die Nachricht war von Kamis Nummer gesendet worden!

      Wer bist du?, schrieb sie zurück.

      Es verging eine Weile, bevor sie die nächste SMS bekam: Warte auf neue Nachricht. Kann gerade nicht mehr schreiben. Erzähl niemandem davon. Ich vertraue dir. Sonst nichts.

      War es wirklich Kami, die das geschrieben hatte? Wurde sie vielleicht irgendwo festgehalten und musste sich wegschleichen, um die SMS zu schreiben? Wurde sie von einem Vergewaltiger gefangen gehalten? Wurde sie gezwungen, die SMS zu schreiben? Seit der Sekunde, in der sie erfahren hatte, dass die Freundin verschwunden war, hatte ein Schreckensbild das andere abgelöst. Für den Fall, dass die SMS wirklich von Kami war, musste sie vorläufig tun, worum sie gebeten wurde. Hundert Prozent Vertrauen hatten sie sich viele Male versprochen. Sie hatten sich an den Händen gefasst und geschworen.

      War es der Polizei nicht möglich, Leute aufzuspüren, deren Handy angeschaltet war? Bente glaubte sich zu erinnern, etwas darüber in einer Zeitschrift gelesen zu haben.

      Zwei Stunden vergingen, ohne dass etwas geschah. In Bentes Phantasie war Kami gefesselt, wurde gefoltert und von unbekannten Männern vergewaltigt. Sollte sie das alles nicht doch melden?

      Ihr Vater kam nach Hause und steckte seinen Kopf zur Tür herein, um sich zu erkundigen, wie es ihr ging. Außerdem war es Zeit fürs Abendessen. Bente merkte, dass das Ereignis ihr den Appetit verschlagen hatte. Zum Glück, denn ihre Mutter hatte Lasagne gemacht, und das war eines ihrer Lieblingsgerichte. Jetzt konnte sie wenigstens diese Kalorien sparen. Sven dagegen häufte sich gierig seinen Teller voll. Wenn er nicht gerade seinen Mund mit Essen voll hatte, redete er. Ließ sich über alle Details von Kari-Maries Verschwinden aus, die er aufgeschnappt hatte. Bente wusste viel mehr, aber dieses Wissen wollte sie selbstverständlich nicht mit ihrem kleinen Bruder teilen.

      »Sie kann sich doch nicht einfach in Luft auflösen?«, versuchte er, Bente einen Kommentar zu entlocken.

      Bente hatte keine Lust, darauf einzugehen.

      »Es wird sicher alles gut«, sagte der Vater tröstend. »Bevor der Abend um ist, hat sich Kari-Marie sicher wieder eingefunden.«

      Glaubst du selbst an das, was du sagst?, fragte Bente mit ihrem Blick. Aber sie sagte nichts.

      Nach dem Abendessen meinte die Mutter, dass sie eigentlich zur Arbeit zurückfahren müsse, da sie noch eine Besprechung habe. Aber falls Bente es wollte, würde sie auch zu Hause bleiben.

      »Ist Papa denn nicht zu Hause?«, fragte Bente. »Ich brauche doch keinen Babysitter.« Sie stand vom Tisch auf und wollte in ihr Zimmer gehen.

      »Ich bleibe hier … falls du jemanden zum Reden brauchst«, bot der Vater sofort an.

      Keine neue SMS. Bente legte sich wieder aufs Bett und starrte an die Decke. Jetzt musste sie doch bald mehr erfahren. Wie lange konnte sie noch warten, bis sie Bescheid sagen musste?

      Sie erwachte plötzlich, weil es an ihre Tür klopfte. Sie musste also geschlafen haben.

      »Ich fahre jetzt, aber ich komme nicht so spät zurück«, sagte die Mutter, die in der Tür stand.

      »Ich war gerade eingeschlafen«,

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