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      ANDREW STÜVE

      SCHWARZ UND WEISS

      Eine preußische Geistesgeschichte

      LANDT

      Meinem lieben Vater und meiner geliebten Frau. Liebe und Strenge gabt ihr mir, niemals opfertet ihr eine der anderen.

      INHALT

       Einleitung

       Helmuth Karl Bernhard von Moltke

       Johann Gottlieb Fichte

       Gebhard Leberecht von Blücher

       Georg Wilhelm Friedrich Hegel

       Endnoten

       Impressum

       Einleitung

      »Preußen ist die größte kolonisatorische Tat

      des Deutschtums, wie Deutschland die größte

      politische Tat des Preußentums sein wird.«

      Arthur Moeller van den Bruck1

      Dieses Buch beschäftigt sich mit Preußens Wesen als einer Idee, die in den historischen Persönlichkeiten lebendig geworden ist, sich durch deren Schaffen entwickelte, fortpflanzte und zuletzt in vollendeter Organisation den preußischen Staat schuf. Die preußische Idee lässt sich abstrakt nicht greifen und muss daher ausschließlich in ihrer Veräußerlichung durch Gedanke, Tat, Dekret gedeutet und in Analogien verstanden werden. »Wesentlich ist es nun die Natur der Idee, sich zu entwickeln und nur durch die Entwicklung sich zu erfassen, zu werden, was sie ist.« So Hegel.2 Am deutlichsten tritt ihr Charakter in den großen Figuren der Geschichte und deren Wirken im Felde, auf dem Thron, am Katheder, in der Schreibstube und dem Atelier zutage. Die Idee schafft sich die Form, der Geist den Körper, der Staatsmann den Staat.

      Der preußische Staat, als der potenteste aller deutschen Staaten und durch die Person Bismarcks Schöpfer eines Deutschlands, das sich geeint entfalten konnte, wurde wie alle anderen Staaten und gleichzeitig wie kein zweiter, durch seine herausragenden Persönlichkeiten geprägt. Sie schufen ihn, er pflanzte sich fort; musste sich fortpflanzen, um bestehen zu können.

      Der Staatsmann als Garant, Träger und Ausdruck der Staatsidee fand im preußischen Modell seine vollendete Form; das Preußentum ist schlechthin als Grundlage und Antrieb, als Sonne und Nährboden für die besten staatstragenden Persönlichkeiten zu verstehen. Persönlichkeiten, die sich dem Pflichtgefühl unterwarfen, die Loyalität und Treue nicht aus Gewohnheit, sondern aus Überzeugung lebten, die ihre inneren Spannungen bis zum tragischen Fatalismus behielten und in den Dienst der höheren Idee stellten, ohne zu kriechen, ohne sich zu verleugnen, ohne sich selbst genügsam werden zu können, ohne Ruhe, ohne auch nur einen Schritt zu gehen, der sich aus diesem Verständnis hinaus bewegt hätte. Persönlichkeit meint hierbei sowohl Person, als auch Charakter.

      Charakter ist die gelebte Idee, die innere Uhr und der schicksalhafte Bauplan des Menschen, durch welchen er sich in seiner Form entwickelt. Charakter ist Form und Takt des Lebens; Charakter ist das ideelle Wesen, das sich materiell ergießt; Charakter ist schlechterdings die innere Bestimmung, gleich dem Samen, der bereits das vollständige Wesen der Pflanze enthält und ihr Leben bestimmen wird, noch ehe er keimt.

      Man wird hieraus billig entnehmen, dass entgegen der inneren Bestimmung und des eigenen Schicksals zu leben, bedeutete, wesensfremd, selbstentrückt und selbstschädigend zu handeln; »charakterlos« ist in diesem Falle synonym mit »leblos«. Hingegen bedeutet charakterhaft zu leben in diesem Sinne, sein inneres Wesen auch in dessen eigenen Widersprüchen auszuhalten, zu leben und zu fördern, da es schlechterdings kein anderes gibt. »Sturheit«, »Eigenwilligkeit«, oder »Unbeugsamkeit« sind unzureichende Begriffe für ein Selbstverständnis, welches ehrlich ist und auf die höchste Ausbildung des eigenen Selbst innerhalb der eigenen Gesetze zielt.

      Der tiefste, innere Wesenskonflikt und die mögliche Inkompatibilität des wahren eigenen Ichs mit den anderen kann nie schmerzhafter sein, als die Selbstentfremdung, die entsteht, wenn das eigene Wesen verdrängt, chloroformiert oder innere Konflikte »befriedet« werden. Dazu tritt die als schicksalhaft erlebte Existenz, die die Protagonisten stolz, zäh und ergeben durchs Leben führte und diese so resistent gegen Niederschläge, Kränkungen und Schäume der Zeit machte. In Anlehnung an Fichte ließe sich die Formel dergestalt ausdrücken: Sei du selbst, sei schicksalhaft – oder sei gar nicht.

      Der preußische Charakter basiert auf einem tiefen Dualismus, einer Art Wesensspaltung oder besser einem Doppeltemperament. Dieses Phänomen besteht bereits seit dem Deutschen Orden, der bezeichnenderweise schon mit den Farben Schwarz und Weiß den Komplementärkontrast in seinem Wappen trug. Dieser Deutsche Orden trat als ursprünglich germanische Schöpfung seine organische Vermischung mit den heimischen wendischen und baltischen Völkern an. Hier ist die germanische, dort die slawisch-baltische Komponente, aus welchen das Preußentum als Steigerung von Ordensgeist und Ritterideal erwuchs und seinen vielseitigen Charakter herausbildete. Es ist der zum Prinzip entwickelte innere Dualismus, den jeder echte Preuße, egal wo dieser geboren sein mag, in sich trägt: Macht und Verantwortung, Pflichtgefühl und Stolz, Leidenschaft und Zurückhaltung, selbstlose Aufopferung und sturer Egoismus, Rücksichtslosigkeit und Gerechtigkeit, Vernunft und Glaube, Ernst und Spiellust – zuletzt: Preußentum und Deutschtum. Der Dualismus ist der Hauptwesenszug des preußischen Charakters – alle in diesem Werke aufgeführten Persönlichkeiten, Feldherren wie Philosophen, sind seelische Träger dieses Prinzips. Der Charakter ist Ausdruck einer tiefen inneren Erkenntnis und der meisterhaften Begabung, die in verschiedene Richtungen greifenden Triebe im Sinne des des höheren Zweckes zu koordinieren.

      In dieses junge seelische Preußentum drang später Luthers Arbeitsethos, namentlich der Pietismus, der keine nach außen gerichtete religiöse Frömmelei, sondern eine Frömmigkeit der Tat schuf und die Pflicht ins Zentrum allen Handelns stellte. Nicht Calvin, sondern Luther wirkte auf das Preußentum, indem er der bereits vorher empfundenen Lebensauffassung ihre Formel gab. Die daraus entstandene tiefe Selbstzucht ausdrücklich aller Stände, führte zur Ausbildung eines staatsmännischen Typus, der mustergültig und bewundernswert war. So erwuchs organisch das preußische système mérite, welches nicht schnellen Gewinn und Ruhm verspricht, sondern ein hartes, entbehrungsreiches Leben für den Staat verlangt, das nur bei vorzüglichsten Leistungen am Lebensende belohnt wird und vor allem den Nachfahren zugutekommt. Auf dieser Grundlage wurden die Hyänen und Speichellecker verscheucht und die Löwen herangezüchtet. Die für den organischen Prozess des heranwachsenden seelischen Preußentums erforderlichen Lebensbedingungen, die Härte, Fleiß, Disziplin, Anspruchslosigkeit und Genügsamkeit verlangen, entsprechen unmittelbar den Lebensbedingungen des kargen, sandigen bis sumpfigen Bodens der Mark Brandenburg bis zum Memelland. Hoch bis zur Ostsee ist es das Land von Kiefer, Birke und Wacholder. Bis ins 19. Jahrhundert wird die Mark regelmäßig von Sandstürmen heimgesucht, die Ernte ist schmal, Flora und Fauna sind zwar lieblich, jedoch übersichtlich. Bis zur Erbeutung Schlesiens und der fast vollständigen Kontrolle über die Oder ist der Handel auf ein Minimum beschränkt, Wege und wertvolle Handelsgüter fehlen. Wo schließlich kein äußerer Reichtum in der Natur vorhanden ist, dort muss er innerlich entwickelt werden; wo die Lebensbedingungen widrig sind, dort wird der Lebenswille (eigentlich: Lebensgeist) stärker, oder er erlischt. Von all diesen organischen Zusammenhängen weiß der echte Preuße indes nicht; er fühlt sie tief im Inneren und würde den Versuch einer rationalen Ergründung seines Wesens verwerfen, er braucht keine Gründe, denn wie Oswald Spengler als echter Preuße schrieb:

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