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das ist gar net so arg g’wesen.« Alois winkte großzügig ab. »Bei meiner Frau und mir flog’n auch immer die Fetzen. Hinterher war die Versöhnung dann umso schöner.« Er zwinkerte ihr verschmitzt zu. »Da haben S’ ja ’was, worauf S’ sich schon freu’n könn. Aber in Zukunft sollten S’ net so viel streit’n. S’ sind doch so ein schönes Paar.«

      Diese Worte führten zu einer allgemeinen Erheiterung der Anwesenden. Nur Christina war nicht nach Lachen zumute. Und auch Berger sah aus, als hätte er in eine Zitrone gebissen.

      »Gut … also … Dann legen wir Sie erst mal auf den Röntgentisch, Herr Waber«, stotterte Christina. Zu Fred Steinbach, der sich immer noch köstlich amüsierte, sagte sie flüsternd: »Vielleicht hätten Sie ihm etwas weniger von dem Schmerzmittel spritzen sollen. Seine Wahrnehmung scheint getrübt zu sein.«

      »Daran liegt’s nicht«, erwiderte Steinbach leise glucksend. »Geben Sie nicht mir die Schuld, wenn Sie sich hier wie ein altes Ehepaar benehmen.«

      Schweigend fasste Erik Berger mit an. Er hielt sich mit weiteren Kommentaren zurück, bis die Untersuchung beendet war.

      Als sie wieder in der Aufnahme angekommen waren und sich Christina von Dr. Steinbach und Jens Wiener verabschiedete, verschwand er in seinem Büro.

      *

      Die Gewissheit, dass der Oberschenkel von Alois Waber gebrochen war und er operiert werden musste, kam schnell. Christina erklärte ihm alles und sorgte dann dafür, dass er ein Bett in der Orthopädie bekam.

      Erst danach fand sie die Muße, um über Bergers unmögliches Verhalten nachzudenken. Dass er ihre Fähigkeiten als Ärztin vor einem Patienten angezweifelt hatte, war nicht zum ersten Mal vorgekommen. Ihr war klar, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis es wieder geschehen würde. Berger konnte gar nicht anders! Er würde es immer wieder tun! Christina hatte nicht vor, tatenlos abzuwarten, bis es so weit war. Sie war nicht Dr. Körner, der irgendwann alles hingeschmissen hatte, um die Klinik zu verlassen. Sie würde sich über Bergers Verhalten beschweren.

      Der Entschluss war kaum gefasst, als sich Christina auch schon auf den Weg zum Chefarzt der Behnisch-Klinik machte.

      »Kann ich mit ihm sprechen?«, fragte sie seine Assistentin und zeigte auf die verschlossene Tür, hinter der das Büro von Dr. Norden lag.

      »Nein, eigentlich passt es gar nicht. Er muss …«

      »Tut mir leid, Frau Baumann«, unterbrach Christina die junge Frau hastig. »Das kann nicht warten! Ich muss sofort mit ihm sprechen!«

      Katja zögerte. So wie die Ärztin aussah, schien es wirklich sehr, sehr wichtig zu sein.

      »Bitte warten Sie kurz«, seufzte sie. »Ich geh mal schnell fragen, ob er Sie noch dazwischenschieben kann.«

      Es dauerte nicht lange, bis Katja Baumann zurückkam und signalisierte, dass der Chef ein paar Minuten für sie hätte. In dieser kurzen Zeit des Wartens hatte Christina bereits überlegt, ob es wirklich so klug war, mit ihrer frischen Wut im Bauch beim Chef vorzusprechen. Hätte sie sich erst etwas beruhigen sollen? Doch dafür war es jetzt zu spät.

      »Was gibt es denn Wichtiges, Frau Rohde?«, wurde sie vom Chefarzt freundlich begrüßt. Nichts an seinem Auftreten deutete darauf hin, dass er eigentlich in Eile war. Für Daniel Norden war es selbstverständlich, seinen Mitarbeitern das Gefühl zu geben, willkommen zu sein, wenn Probleme anstanden. Und dass ein Problem seine Chirurgin zu ihm führte, konnte er unschwer an ihrer finsteren Miene ablesen.

      »Es geht um Dr. Berger« stieß Christina hervor. »Ich möchte mich hiermit offiziell über sein Benehmen beschweren.«

      »Wieso? Was ist passiert? Wie kann es sein, dass Herr Berger Sie dermaßen in Rage bringt, wenn er doch gerade im Urlaub ist?«

      »Urlaub?«, lachte Christina humorlos auf. »Er sitzt jeden Tag an seinem Schreibtisch und sucht in den Akten meiner Patienten nach Fehlern, die ich angeblich mache. Oder er steht unerwartet hinter mir und behauptet im Beisein der Patienten, dass ich sie falsch behandle.«

      Als Daniel sie nur ungläubig ansah, berichtete Christina in allen Einzelheiten von den Vorfällen der letzten Tage.

      »Es tut mir leid, Dr. Norden«, schloss Christina ihren Bericht, »Das mache ich nicht länger mit. Entweder geht er oder ich. Für beide ist nicht genügend Platz in der Notaufnahme.«

      Erst am späten Nachmittag konnte sich Daniel um sein großes Problemkind Erik Berger kümmern. Er fand ihn hinter seinem Schreibtisch sitzend vor. Kurz wirkte der beurlaubte Leiter der Aufnahme verunsichert, als sein Chef bei ihm auftauchte. Doch er fand schnell zu seiner üblichen Gelassenheit zurück.

      »Also hat sie tatsächlich bei Ihnen gepetzt«, stellte er ruhig fest. »Ich hätte ihr ein bisschen mehr Mumm zugetraut.«

      »Und Ihnen hätte etwas mehr Anstand nicht geschadet, Herr Berger.« Daniel machte sich nicht die Mühe, seine Verärgerung zu verbergen. Das, was sich sein Notfallarzt heute geleistet hatte, konnte er nicht als Bagatelle abtun.

      »Anstand? Soll ich die Fehlentscheidungen von Frau Rohde etwa kommentarlos hinnehmen?«

      »Es gab keine Fehlentscheidungen, und das wissen Sie auch. Es war völlig in Ordnung, dass sie auf ein CT verzichtet hat. Auch an ihrem Entschluss, eine Patientin mit unauffälligen Befunden zu entlassen, gibt es nichts auszusetzen. Sie hat sich völlig korrekt verhalten.«

      »Ja, ich weiß, ganz nach Lehrbuch und Leitlinie«, höhnte Erik Berger. »Manchmal reicht das aber nicht.«

      »Generell haben Sie natürlich recht, doch nicht in diesen Fällen. Herr Berger, ich bin nicht hier, um das mit Ihnen zu diskutieren. Auch über Ihr schlechtes und unkollegiales Verhalten gegenüber Frau Rohde möchte ich jetzt nicht sprechen. Mich interessiert nur eins: Warum sind Sie in der Klinik, obwohl Sie Urlaub haben?«

      Sofort verschloss sich Bergers Gesicht. »Dieser Urlaub ist völliger Quatsch«, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Sie wissen, dass ich keinen Urlaub will. Außerdem werde ich hier gebraucht.«

      »Falsch, Herr Berger!« Aus Daniels Stimme war jede Freundlichkeit verschwunden. Er hatte endgültig genug davon, dass Berger immer wieder seine Anordnungen missachtete und nur das tat, was ihm gefiel. Das konnte er ihm unmöglich länger durchgehen lassen. »Sie werden hier nicht gebraucht, weil Frau Rohde alles im Griff hat und gute Arbeit leistet. Ich nehme es Ihnen sehr übel, dass Sie sich ständig über meine direkten Anweisungen hinwegsetzen und nur das machen, was Ihnen in den Kram passt. Nicht nur, dass Sie trotz Urlaub weiterarbeiten, ich warte immer noch auf den Urlaubsplan, den Sie überarbeiten sollten. Da Sie das nicht geschafft haben, werde ich es machen und Ihren Urlaub so planen, wie ich es für richtig halte. Falls Sie besondere Wünsche haben, werden ich sie natürlich berücksichtigen.«

      Daniel sah Berger fragend an und wartete auf eine Antwort. Doch der schüttelte nur stumm den Kopf.

      »Keine Wünsche? Also gut, dann lege ich hiermit fest, dass Sie ab nächstem Montag zwei weitere Wochen frei nehmen.«

      »Was soll das?«, schnaubte Berger entsetzt. »Mein Urlaub endet am Montag!«

      »Von welchem Urlaub reden Sie? Sie saßen jeden Tag an Ihrem Schreibtisch und haben gearbeitet. Das wird sich auf der Stelle ändern. Sie packen Ihre Sachen zusammen und gehen nach Hause!« Daniel wurde eine Spur lauter, als er sah, dass Berger ihm ins Wort fallen wollte. »Während des Urlaubs lassen Sie sich hier nicht blicken. Ich erteile Ihnen Hausverbot und werde an alle die Anweisung herausgeben, den Sicherheitsdienst zu rufen, falls Sie hier auftauchen sollten.«

      »Das können Sie unmöglich machen!«

      »Natürlich kann ich das! Ich mache es nicht gern, aber Sie lassen mir leider keine andere Wahl. Ich werde nicht tatenlos zusehen, wie Sie hier mit Ihrem unmöglichem Benehmen Menschen vor den Kopf stoßen und ihnen die Freude nehmen, an dieser Klinik zu arbeiten.«

      »Das mache ich gar nicht!«

      »O doch! Ich erinnere nur an Herrn Körner. Keine Sorge,

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