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höher am Widerrist, dick, mit geteilter Kruppe, dem kleinen rabiaten Rappen aber anscheinend nicht gewachsen. Der schlug jedenfalls blindwütig auf ihn ein, und so schön Reni auch dieses Kampfbild fand, brüllte sie ihren kleinen Hengst doch an, so laut sie konnte:

      „Graf! Graf! Wirst du wohl? Was fällt dir denn ein!“ und warf sich, ohne eine Sekunde zu zögern, zwischen die beiden. Erika stand mit entsetzten, weit offnen Augen und fuchtelte mit den Händen in der Luft herum. Tante Mumme schrie, und Mutter, die Vater untergehakt hatte, ließ ihn los und wollte auch vorwärts laufen. Vater aber hielt sie am Ärmel zurück.

      Christian hatte am überlegtesten gehandelt. Er war mit einem Satz in den Schuppen gerannt, hatte dort einen der Zügel von der Wand gerissen, die sorgfältig geordnet und unter den Namensschildern der Ponys an Haken an der Wand hingen, um jederzeit griffbereit zu sein. Schwupp, hatte er den Zügel über den Hals des kleinen Rappen geworfen, erwischte das zweite Ende durch Geschick oder Zufall auf den ersten Anhieb und konnte den wütenden Kämpfer nun zurückhalten, auf jeden Fall seine vorwärtsdrängende Schnelligkeit mindern. Durch die Kraft des kleinen Pferdes wurde er zwar hinter diesem hergerissen, aber doch nur so schnell, daß es dem dicken Gegner gelang, sich außer Reichweite zu begeben. Da war Reni heran. Sie packte das neue Pony an der Mähne und versuchte, es mit aller Kraft zurückzuhalten. Christian zerrte den Grafen nach der Liegewiese, also bergab, Reni den Fuchs bergauf. Güsti hatte sich aufgerappelt und half, zwar hinkend und stöhnend, aber im ganzen unverletzt. Tante Mumme hörte auf zu schreien und setzte sich auf die Bank, die Güsti an die eine Wand des Schwedenschuppens gebaut hatte. Mutter stand schon neben Reni.

      „Hat er was abgekriegt?“ fragte sie als erstes.

      Reni beugte sich über ihr Pony.

      „Ja, hier — und hier —“

      An den Flanken und am Hals sah man ein paar Bißwunden, die bluteten, und das eine Auge war dick geschwollen. Zum Glück konnte Mutter feststellen, daß der Schlag nicht ins Auge direkt, sondern genau darunter getroffen haben mußte. Es blutete, aber nicht sehr stark.

      „Und der Graf?“

      „Ein paar hat er auch kassiert“, meldete Christian, der mit dem jetzt etwas beruhigten kleinen Hengst um die Schuppenecke kam. „Ist ihm ganz gesund, angegriffen hat er.“

      „Und ich dachte, mit einem Wallach wird er sich nicht schlagen“, sagte Vater kopfschüttelnd, „nein, so ein Deivel! Hättest du das hinter deinem sanften Grafen vermutet, Reni?“

      „Sanft? Reit ihn mal!“ sagte Reni atemlos. Alle lachten, als sie sich den Doktor auf dem kleinen Pferd vorstellten. Reni wunderte sich erst, dann lachte sie mit.

      „Ich meine, du solltest ihn mal kennenlernen, wenn er etwas nicht will — oder etwas will, was er nicht soll!“

      „Meist liegt es am Reiter, wenn das Pferd nicht pariert“, sagte Christian, und Erika fragte immerzu dasselbe, ohne daß jemand darauf hörte: „Wo ist die Gräfin? Wo ist der Prinz?“

      Alle sprachen durcheinander, wie meist nach wilden Ereignissen, und keiner antwortete.

      „Ich glaube, die beiden lassen wir so bald nicht wieder zueinander“, beschloß Christian, während er nicht ohne Mühe den kleinen Hengst am Zügel zurückhielt. Der wollte immer wieder auf seinen Gegner los, stampfte mit den Vorderbeinen wie ein Streitroß und wieherte laut und ohrenzerreißend. Der Wallach benahm sich ruhiger, zeigte aber auch erschrockne Augen, in denen man das Weiße sah, und schlug mit dem Kopf, sobald Reni ihn auch nur ein klein wenig vorwärtstreten ließ, auf den Grafen zu.

      „Nein, zunächst nicht“, sagte auch Mutter. „Der Graf bleibt hier, und du, armer geschundener Raubritter, dich bringen wir auf die Nebenweide. Ein Glück, daß wir die haben.“

      Güsti hatte vor einiger Zeit die Ponyweide mit einem Zaun unterteilt, damit immer nur die eine Hälfte abgeweidet werden konnte, die andere ausruhte und neu wuchs. So hält man es auf größeren Gestüten. Der Zaun bestand aus festen Pfosten mit dazwischengenagelten Brettern, sogenannten Schwarten, und war rund einen Meter hoch. Da die beiden Ponys, die man bisher hier laufen hatte, nicht viel über einen Meter hoch waren, hatte Güsti diese Zaunhöhe gewählt.

      Während Christian also den kleinen Rappen festhielt, gingen Reni und Mutter mit dem neuen Pferd zum Koppeltor. Reni schob die Stangen beiseite, und Mutter führte das kleine Pferd hinüber. Alle warteten gespannt, was nun geschehen würde.

      „Soll ich ihn loslassen?“ fragte Christian vom Schuppen aus.

      „Ja, mal versuchen!“ rief Mutter. Christian gehorchte, und wie die Kugel aus dem Rohr fegte der kleine Hengst über den Rasen, auf die Zaunstelle zu, hinter der der Wallach stand, und schon hatten sich beide auf die Hinterhufe gestellt und schlugen aufeinander los, trafen den Zaun, trafen Reni, die dazwischensprang, trafen Mutter, kurzum, der Zaun nützte nicht das geringste, wie man sah. Binnen kurzem würde er heruntergetreten und zerschlagen, sozusagen niedergewalzt sein.

      „Nun aber Ruhe, oder ihr sollt was erleben!“ keuchte Christian, als er seinen kleinen Wüterich wieder am Zügel hatte. „Jetzt bleibst du im Stall, daß du’s weißt!“

      Er haute die Tür hinter dem Grafen zu, daß es dröhnte, und schob aufatmend den Riegel vor.

      „Ja, er ist der Zankteufel, er!“ schrie Güsti anklagend. „Der andere ist so sanft, so brav, so artig ... er hat ...“

      „Unsern Güsti nur aus dem Stall gefeuert, daß wir dachten, Münchhausen reitet rückwärts auf der Kanonenkugel“, lachte Vater. „Natürlich, nur der Graf ist schuld! Mal sehen, Reni, laß deinen jetzt mal los!“

      Reni stand noch immer auf der andern Seite des Zaunes und hielt das größere Pony mit aller Kraft fest.

      „Soll ich?“

      „Ja, versuch es mal. Der Graf ist ja jetzt nicht zu sehen“, meinte Mutter. Reni ließ die Mähne los. Gleich darauf setzte der Fuchswallach an und sprang mit kurzem Anlauf elegant über den Zaun, dem Stall entgegen. Allen blieb der Mund offen.

      „Habt ihr das gesehen?“ flüsterte Tante Mumme. Dieser Satz war ziemlich unnötig, denn keiner hatte den Blick von dem Pony gewandt gehabt. Trotzdem lachte niemand.

      „Toll“, sagte Reni bewundernd, und Christian nahm den Fuchs um den Hals.

      „In dir steckt mehr, als man meint“, sagte er anerkennend. „Freilich, ob es das richtige ist, daß du so gut springen kannst, möchte ich bezweifeln. Wie hoch muß denn nun ein Zaun sein, damit du nicht drüber kommst?“

      Auch Güsti kratzte sich am Kopf. Reni aber war außer sich vor Begeisterung.

      „Laß mich mal rauf, Mutter, bitte, bitte! Nur mal zum Ausprobieren!“ bettelte sie. „Gib die Trense, Christian, schnell, aber laß den Grafen nicht raus! Kriegst du sie? Sie hängt gleich vorn, die erste. Sie wird dem Kerl hier schon passen, sonst verschnallen wir sie. Ich muß doch sehen —“ sie trat von einem Fuß auf den andern, brennend vor Ungeduld und Spannung.

      „Den Sattel?“ fragte Erika.

      Reni winkte ungeduldig ab.

      „Brauch keinen Sattel. Los, nun gib schon!“

      Das neue Pony ließ sich gutmütig aufzäumen. Mutter hielt es, nicht ohne Bedenken, ob die Sache auch gut gehen würde, und Reni sprang auf seinen Rüchen. Sie hatte sich genau überlegt: sollte sie aufspringen oder sich vorsichtig von Christian hinaufhelfen lassen? Dann aber war sie zu dem Entschluß gekommen, es sei besser, dem Pferd von vornherein den Herrn zu zeigen. Oft und oft hatten sie es bei ihren eigenen Ponys geübt, Erika und sie, aufzuspringen, ohne dem Pferd ins Kreuz zu fallen. Man mußte die Oberschenkel gleichsam wie eine Kneifzange halten und an den Flanken entlanggleiten lassen, so daß das Pferd vom Gewicht des Reiters allmählich und sanft belastet wurde, nicht mit einem Ruck. Man durfte dabei weder zu weit vorn auf dem Hals landen, da konnte man sich nur schwer halten, außerdem tat es weh, auch nicht zu weit hinten, denn das können Pferde nicht leiden. Dann fangen sie an zu bocken, senken den Kopf und hauen mit den Hinterbeinen nach hinten-oben aus, drehen

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