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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 670. Davis J.Harbord
Читать онлайн.Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 670
Год выпуска 0
isbn 9783966880848
Автор произведения Davis J.Harbord
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Bookwire
Eine weitere Musterung der fünf „Neuen“ fand nicht statt. Der Dritte entwich aufs Achterdeck, nur weg von diesem Verrückten, zumal er in dessen Augen Mordlüsternheit zu erkennen geglaubt hatte.
Der Erste Offizier, Lord Hyram Scaleby, empfing ihn dort und tadelte mit piepsiger Stimme, Offiziere Ihrer Majestät hätten nun wahrhaftig nichts beim Schiffsvolk zu suchen, weil dieses von dem gemeinsamen Pack als Anbiederung aufgefaßt werden könnte, und das sei strikt zu vermeiden.
Sir James Taurean, ein alter und feister Overlord und entfernter Verwandter des Erzbischofs von Canterbury – hier an Bord hatte er sich mangels anderer Funktionen zum Moralisten und Bordgeistlichen aufgeschwungen –, fiel in die Leier ein und tönte mit erhobenem rechten Zeigefinger: „Fürwahr, fürwahr! Schon in der Bibel steht: ‚Und den unnützen Knecht werft in die Finsternis hinaus; da wird sein Heulen und Zähneklappern!‘ Matthäus, fünfundzwanzigstes Kapitel, Vers dreißig.“
„So ist es“, bekräftigte der Erste mit seiner Piepsstimme. Er war dick und verweichlicht, sein Gesicht drückte unendliche Erhabenheit aus, wirkte aber nichtsdestoweniger blasiert, und im übrigen ließ er sich mit „Durchlaucht“ anreden.
Unwillig meldete sich – erst jetzt – der Kommandant, Sir Thomas Carnavon, ein hagerer Mann mit schütterem Grauhaar, Spitznase und schmalen Lippen. Wie immer hatte seine Stimme einen quengelnden Ton. Er tat sich schwer mit den Lordschaften, obwohl sie in der Schiffsführung rangmäßig unter ihm standen. Leider kehrten sie jedoch ihre höheren Adelsränge heraus und tanzten ihm auf der Nase herum – ein grotesker Zustand!
Sir Thomas nölte: „Lassen Sie die Kerle wegtreten, Lord Hyram, sie sollen in die Schiffsrolle eingetragen werden, und damit hat sich’s.“
Der dickliche Erste plusterte sich auf. „Dem muß ich energisch widersprechen, Sir! Diese fünf Knechte sofort zu beschäftigen, würde bedeuten, daß wir sie für wichtig halten!“
„Sind sie das nicht?“ fragte der Kommandant spitz. „Schließlich mußten wir sie requirieren, weil uns zu viele Kerle ausgefallen sind.“
Aber es war wie immer. Der Erste bestand darauf, die „Subjekte“ erst mal warten zu lassen, und der Kommandant resignierte, weil er es leid war, sich wegen einer Lappalie mit dem Ersten zu streiten. Denn es waren immer Lappalien, um die es bei diesen Disputen ging.
Da standen also die fünf Arwenacks auf der Backbordseite der Kuhl, sahen ihrer Schebecke nach, und die Galle stieg ihnen hoch.
Der Viermaster war durch Ausfälle unterbemannt, jede Hand wurde gebraucht, aber diese Lackaffen auf dem Achterdeck ließen sie hier stehen wie überflüssige Besenstiele.
Indessen schlich wieder einer um sie herum, eine Art Monster mit dem Nacken eines Stiers, Blumenkohlohren, Plattnase, Wulstlippen und einer Glatze. Führwahr, ein liebliches Exemplar der Gattung Mensch, gegen das Arwenack, der Bordschimpanse der Seewölfe, ein geradezu nobles Aussehen hatte.
Um das rechte Handgelenk dieses vorzeitlichen Ungetüms lag eine Lederschlaufe. Und an der Schlaufe hing eine Katze – keine neun-, sondern eine dreizehnschwänzige, und alle dreizehn Riemen hatten an ihren Enden einen Achtknoten.
Der Kerl schleifte die Zuchtknute locker hinter sich her wie ein Knäblein, das an einer Strippe ein Spielzeug hinter sich herzieht. Das hätte erheiternd sein können, war’s aber nicht, denn das Monster hatte einen tückisch-lauernden Ausdruck in den Augen, der verriet, daß es danach gierte, zuzuschlagen.
Niemand brauchte den fünf Arwenacks – am allerwenigsten Carberry – zu sagen, wen sie da vor sich hatten, nämlich den Zuchtmeister oder Profos der „Respectable“. Die Peitsche war das Wahrzeichen der Profosgilde, und daß dieses Ungeheuer statt der üblichen neun Riemen mit dreizehn Schwänzen an seiner Katze aufwartete, sprach Bände.
Neun reichten ihm nicht!
Edwin Carberry schämte sich. Damals, als Profos Kapitän Drakes, hatte er noch eine Neunschwänzige gehabt. Aber seit er unter Kapitän Philip Hasard Killigrew segelte, hatte er auf dieses menschenverachtende Zuchtmittel verzichtet. Er hatte es hassen gelernt.
Ein guter Kapitän braucht keine Knute, um sich Respekt zu verschaffen, ein guter Profos erst recht nicht. So einfach war das.
Die fünf Arwenacks dachten gar nicht daran, diesen Unhold zur Kenntnis zu nehmen oder sich beeindruckt zu zeigen. Er war Luft für sie. Sie schauten an ihm vorbei oder durch ihn hindurch, gleichgültig und mit unbewegten Mienen.
Diesem Gorillaverschnitt mit der niedrigen Stirn, hinter der sich das Gehirn einer Mücke befand, paßte das nicht. Er war gewohnt, daß man vor ihm kuschte, daß man Angst zeigte und zitterte, sobald er mit seiner Dreizehnschwänzigen auftauchte. Er war der Herr über das Schiffsvolk, o ja, er war ein Gott – oder der Oberteufel, wie man’s nimmt.
Seinen Unwillen äußerte er mit einem Knurren. Es klang reichlich bösartig. Wenn er gehofft hatte, damit eine Wirkung oder Reaktion bei den neuen Schiffsknechten zu erzielen, dann hatte er sich getäuscht. Allerdings brauchte er eine Weile, um das mit seinem Mückengehirn zu begreifen – das geschah erst, als sein Profos-Kollege lauthals gähnte.
Da ruckte sein Kopf zu Carberry herum, denn der Mann stand direkt vor Dan O’Flynn. Jetzt walzte er nach links und baute sich vor dem wuchtigen Profos der Arwenacks auf, der ihn knapp um Kopfeslänge überragte. Er mußte zu ihm hochschauen.
„Was war das eben?“ grunzte er und schlenkerte mit seiner Dreizehnschwänzigen.
„Hab gegähnt, Kleiner“, sagte Carberry. „Ziemlich langweilig hier. Dachte, wir würden gebraucht. Statt dessen stehn wir hier rum, werden dämlich angeglotzt, und nichts tut sich. Wenn das so ist, können wir uns ja wieder von Bord melden. Wir haben unsere Zeit auch nicht gestohlen. Ist das klar?“
Der Profos, er hieß Bennet Whistler, stierte Carberry an, als halte er ihn für übergeschnappt oder für einen Tanzbären, der mit einem Ring durch die Nase vor Schaulustigen herumhopst. Irgend so was jedenfalls. Und klar war schon gar nichts, bis auf die Tatsache, daß ihn der Narbengesichtige mit „Kleiner“ angeredet hatte.
Also pumpte er sich auf, bis seine Glatze knallrot war, und brüllte: „Ich bin hier der Profos, verstanden?“
„Ich bin auch Profos!“ brüllte Carberry noch lauter zurück und erzielte den gleichen Effekt wie beim Dritten Offizier.
Das Ungetüm prallte zurück, als sei ihm ein nasser Lappen um die Ohren geschlagen worden.
Vermutlich passierte es an Bord dieses merkwürdigen Schiffes zum erstenmal, daß jemand wagte, den Profos anzubrüllen. Die Kerle, die sich an Oberdeck befanden, standen plötzlich alle steif wie die Ölgötzen und glotzten mit offenen Mäulern zu dem Profos der Arwenacks. In ähnlicher Weise waren die Lordschaften auf dem Achterdeck erstarrt.
Dann geschahen mehrere Dinge gleichzeitig.
Der dickliche Erste Offizier wollte dem Profos Whistler den Befehl erteilen, das „Subjekt“ zu züchtigen, das gewagt hatte, so laut zu brüllen. Und er hatte auch schon tief Luft geholt, um seiner Eunuchenstimme energischen Nachdruck zu verleihen.
In diesem Moment holte die „Respectable“ nach Steuerbord über, weil der Wind plötzlich schralte, das heißt, vorlicher einfiel. Der Viermaster segelte über Backbordbug bei halbem Wind aus Südwesten einen Südostkurs entlang der Westküste Indiens und stand zu diesem Zeitpunkt etwa zwischen Ratnagiri und Goa.
Die Galeone richtete sich also auf, weil für Augenblicke der Winddruck auf die Segel wegblieb. Aber nur Sekunden später raste von Steuerbord querab eine Bö heran, prallte in die Segel und legte den Viermaster nach Backbord über.
Ruckartig!
Der Erste kreischte entsetzt – er stand an der Querbalustrade des Achterdecks –, wurde von den Füßen geholt und segelte über die nach Lee geneigten Planken auf das Backbordschanzkleid zu. Weil sich links neben ihm der feiste Sir James Taurean, der selbsternannte Bordgeistliche,