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Trotz allem, mein Glück war groß. Lise Gast
Читать онлайн.Название Trotz allem, mein Glück war groß
Год выпуска 0
isbn 9788711510117
Автор произведения Lise Gast
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
„Wir schicken Dir liebe Grüße aus dem schönsten Haus der Welt.“
Das zweitschönste aber ist mein Altershaus.
Winnetou, mein Karussellpferd
Es war also Wahrheit geworden, was ich mir nie hatte vorstellen können: ich hatte den Ponyhof in jüngere Hände gegeben. Man kann nicht bis ins hohe Alter hinein allen Dingen gerecht werden, die auf einem Hof mit zwölf Pferden und anderen Tieren täglich sein müssen, deshalb heißt es, rechtzeitig aufhören. Meine beiden mutterlosen Enkelinnen und ich waren also in ein Fertighaus gezogen, das ich, vier Autominuten vom Ponyhof entfernt, gebaut hatte, und Steffi, meine jüngste Tochter, samt Mann und drei Söhnen, übernahm ‚drüben‘ das Regiment. Meine eigenen drei Pferde blieben dort, ich kann also jederzeit reiten, wenn ich will. Steffi verteht von Pferden mehr als ich und unterrichtet auch. Sie hat eine gute reiterliche Ausbildung bekommen. Eine bessere Lösung hätten wir gar nicht finden können. Der Ponyhof wurde auf den Namen der Tochter überschrieben. Mein Schwiegersohn Paul und ich müssen jetzt bei ihr aus Spaß immer anklopfen, um den nötigen Respekt vor der Hausbesitzerin zu bekunden.
„Ich sorge mich um Sie“, sagte eines Tages ein Gartennachbar vom Ponyhof zu mir. „Sie ziehen doch jetzt ins Götzental. Dort wohnen lauter feine Leute. Ob Sie dahin passen?“ Er meinte das von Herzen gut. Ich war gerührt. Von da an hatten wir den Mann noch ‚gerner‘, wie man hier in Schwaben sagt.
Freilich, Pferde konnte ich nicht mit hinübernehmen, da hatte er recht. Aber meine drei blieben ja auf dem Ponyhof, zusammen mit den neun meiner Tochter, ich kann sie jederzeit besuchen. Aber auch im neuen Domizil wollte ich nicht ganz ohne Pferde sein.
So wünschte ich mir ein Karussellpferd. Ich annoncierte: „Herzenswunsch. Wer erfüllt Kindheitstraum einer Fünfundsechzigjährigen? Suche gut erhaltenes Karussellpferd zwecks Umarbeitung zum Schaukelpferd.“ Dazu meine Telefonnummer.
Ich bekam einen einzigen Anruf, er kam sozusagen aus der Familie.
„Hast du schon eins?“ fragte eine Beinah-Schwiegertochter. Ich mußte verneinen.
Eine meiner Töchter war recht unglücklich über meinen ausgefallenen Wunsch.
„Muß das sein? Das soll doch nun endlich ein Haus mit Niveau werden!“ jammerte sie. Ich beruhigte sie.
„Ich hab ja noch keins.“ Ich meinte: Kein Karussellpferd. „Und du wirst nie welches kriegen“, sie wiederum meinte Niveau.
Die Jahre vergingen. Mein siebzigster Geburtstag rückte heran. Die Kinder berieten: Was schenken wir ihr? Eine neue Küche? Oder —
„Daraus macht sie sich nichts. Lieber ein Karussellpferd. Das wäre was!“ wurde entschieden. „Unnütz, aber ersehnt. Nur: woher nehmen?“
Diesmal annoncierte mein Schwiegersohn Paul vom Ponyhof. „Karussellpferd für Oma gesucht.“ Dazu seine Telefonnummer. Durch Zufall las mein Ältester in Frankfurt diese Anzeige und erkannte natürlich die Nummer. Nach guter alter Krimisitte spannte er ein Taschentuch über die Sprechmuschel und verstellte auch seine Stimme.
„Hier spricht Frau Maier aus Hamburg. Sie suchen ein Karussellpferd?“
„Ja? Wissen Sie eins?“ frohlockte Paul. Mein Sohn lachte so, daß er sich dadurch verriet. Dann lachten sie beide zusammen, und dann suchten sie gemeinsam weiter.
Kurz vor der Jahreswende, ich feiere meinen Geburtstag immer Sylvester, weil da die Kinder am ehesten Zeit finden zu kommen, fuhren die Ponyhofleute mit ihrem Kleinbus abends noch weg, ohne zu sagen, wohin.
„Muß das jetzt noch sein?“ brummte ich. Ich wäre den Abend gern bei ihnen gewesen. Ein junger Freund unserer Familie lächelte vielsagend, er verriet aber nichts.
Mein Geburtstag, vor allem, wenn er eine runde Zahl trägt, wird immer ganz groß gefeiert. Jeder hat sich etwas Originelles ausgedacht. Und was noch schöner ist: es kommen viele, liebe Gäste. Außer den Kindern, Schwiegerkindern und Enkeln auch meine Schwester mit Familie, Hausfreunde, Beinah-Söhne und -töchter. So auch diesmal. Ein Kabarett ging über die Bühne, von halb acht bis halb zwölf, Lieder, Aufführungen, Sketche, Quizfragen — alles herrlich lustig und lautstark. Ich konnte dem blitzenden Geist und Humor kaum folgen. Um zwölf in der Nacht trat plötzlich Stille ein.
Ich war überreich beschenkt worden und erwartete nicht das Mindeste mehr. Da läutete es, die Tür tat sich auf, und herein rollte ein Karussellpferd. Ein Schimmel mit gewellter Mähne, geblähten Nüstern, bunt gezäumt, sich bäumend. Darauf saß mein jüngster Enkel Till in wallendem Mantel, eine Goldkrone im Haar und ein Zepter in der Hand, ernst, würdevoll, der Stunde angemessen. Alle stimmten eine Hymne an. Ich konnte es nicht fassen.
Mein Schwager behauptete später, er habe noch nie solch ein glückliches Menschengesicht gesehen wie meins in diesem Augenblick. Und meine Schwester, die auch überrascht worden war, seufzte: „So was Wunderbares! Der Bamberger Reiter ist dagegen ein Fliegenschiß.“
Am nächsten Tag besuchte mich einer meiner Verleger und überreichte mir mein hundertstes Buch. Ich mußte mich auf meinen hölzernen Winnetou schwingen, und dies alles wurde geknipst und gefilmt zum ewigen Andenken an meinen siebzigsten Geburtstag. Seitdem steht dieser Winnetou, so tauften wir ihn nach unserm von mir über alles geliebten Shetlandhengst, neben meinem Schreibtisch, und es vergeht kein Tag, an dem ich ihn nicht streichle und liebkose. Jedes Kind, das mich besucht, reitet darauf, auch viele Erwachsene. Und ich entbehre es nicht mehr, daß ich in dieser vornehmen Wohngegend keinen Stall anbauen darf. Dieser Hengst braucht nicht gefüttert zu werden, nicht getränkt, Beschlag ist nicht nötig, und eine Kolik hat er noch nie gehabt.
Winnetou, das ist ein Stück Weißt-du-noch, ein Stück Ponyhof. Kann es etwas Schöneres geben?
Telefonat mit Mutter
Steffi-Marianne Späh
Seit wir auf dem Ponyhof wohnen, Mutter vier Autominuten entfernt, verdient die Post an unseren Telefonaten. Mutters Herz lebt noch immer hier, wo Pferde wiehern und Katzen und Hunde unser Leben teilen und bereichern, wo immer etwas los ist, Besuch und Kinderlärm, kleine und große Katastrophen. Zu unmöglichen Zeiten ruft sie an.
„Alles in Ordnung? Wie geht’s bei euch?“
„Danke, bestens. Nur hat Tina — die alte Schnauzerhündin — heut nacht rausgemußt und vergessen, die Tür wieder zuzumachen. Früh Eiseskälte, die Kinder frühstückten mit Parka und Handschuhen. Wetterbericht: Weiterhin Temperaturen bis zwanzig Grad minus.“
„Und euer Kleinbus? Sprang er an?“ Sie kennt unsere Schwierigkeiten mit der Zündung. Wir haben keine Garage.
„Mit Starthilfekabel ziemlich bald. Und Eiskratzen zu fünft, das ging schnell.“
„Hast du wenigstens jetzt den Ofen in Gang?“
„Ja. Bis mittags ist es vielleicht über Null hier.“
„Und sonst geht alles gut?“
„Schnurri hat die Milchkanne umgekippt. Merkwürdig, daß dann immer alles unter die Eckbank fließt. Da müssen wir die Kacheln nicht ganz waagerecht verlegt haben.“
„Und die Pferde?“
„In Ordnung. Ich konnte allerdings nur mit der linken Hand füttern. Lettchen hat mich gestern beim Zähneraspeln aus Versehen gebissen. Aber es schwillt schon wieder ab. Hauptsache, die Alte kann wieder kauen.“ (Unser geliebtes Shetlandpony ist 29 Jahre alt. Wir lieben die ‚Alte‘ sehr.)
„Und der Pumuckel? Verträgt er die Kälte?“ Pumuckel ist unser einziges Großpferd, nicht ganz so robust wie die wetterharten Island-