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die Box. Er streckte Malin die Hand hin. „Hallo, ich heiße Sten Andersson.“

      Malin wischte sich die rechte Hand am Hosenbein ab und begrüßte den Mann. „Hallo“, sagte sie verlegen. Sie kam nicht auf die Idee, ihren Namen zu nennen.

      Sten Andersson kratzte sich nachdenklich an der Wange. „Ja, ich versteh nicht viel von Pferden, aber das hier scheint ja ein gutes Pferd zu sein“, sagte er.

      „Ja, sehr gut“, sagte Malin. „Aber eigentlich ist es kein Pferd, jedenfalls wenn man es genau nimmt.“

      „Was? Das ist kein Pferd?“ fragte der Mann verwirrt.

      „Nein, Pferde sind größer. Sie ist ein Pony“, erklärte Malin. „Aber die meisten nennen Ponys Pferde. Jedenfalls sind alle mit einsachtundvierzig oder kleiner Ponys.“

      „Sie meint das Stockmaß!“ erklärte Elofsson.

      „Ach so“, sagte Sten Andersson. Aber Malin hatte das Gefühl, als ob ihn die Erklärung auch nicht schlauer gemacht hätte. Wahrscheinlich hatte er keine Ahnung, was das Stockmaß eines Pferdes oder Ponys überhaupt war.

      „Ja, wenn ihr nichts fehlt ...“, sagte Sten Andersson. „Ist die Stute denn gesund?“

      Plötzlich zuckte es klar wie ein Blitz durch Malins Kopf. Er war hier, um Amie zu kaufen! Ihr Atem stockte. „Sie wollen Amie doch nicht verkaufen?“ fragte sie Elofsson tonlos.

      „Doch“, antwortete Elofsson. „Sten ist interessiert. Und weil ich gerade noch eine Box an jemanden vermieten kann, fand ich, es sei eine gute Gelegenheit, sie zu verkaufen. Ich wollte sowieso keine Welsh Ponys mehr züchten.“

      „Aber sie ist krank!“ rief Malin außer sich. „Sie können sie erst verkaufen, wenn sie wieder gesund ist!“

      „Sie ist krank?“ fragte der Interessent Andersson mißtrauisch.

      „Sie hat eine Gelenkschwellung“, sagte Malin. „Das wird einige Zeit dauern. Aber die letzten Wochen ist es ihr sehr schlecht gegangen, und sie ist noch lange nicht wieder gesund. Natürlich darf sie nicht geritten werden. Sie kann auch nicht auftreten!“ Ihre Stimme zitterte.

      „Quatsch“, sagte Elofsson schnell. „Es ist nicht mehr schlimm, finde ich. Ich meine, sie geht schon wieder gut.“

      Malin bückte sich und berührte Amie am Huf. Amie reagierte, indem sie den Fuß ganz schnell zurückzog. „Sehen Sie doch“, rief sie. „Man kann sie kaum am Bein berühren.“

      „Das ist dumm“, sagte Sten Andersson und machte einen Schritt zurück, zur Box hinaus. „Dann lassen wir es lieber, Elofsson. Ein krankes Pferd ... oder Pony möchte ich nicht gern kaufen. Wir wollten Eva, meine Tochter, zum Geburtstag überraschen. Sie hat so viel von diesem Pferd erzählt. In diesem Herbst ist sie sehr oft hier geritten.“

      „Eva Andersson!“ rief Malin.

      „Ja, genau. Kennst du sie?“

      „Eine kleine Blonde?“

      „Ja, stimmt.“

      „Das war ja sie, die Amie total überfordert ...“

      „Genug geredet“, unterbrach Elofsson sie. „Du redest eine Menge Blödsinn, Malin.“ Seine Mundwinkel waren in ihre gewöhnliche Position zurückgerutscht. Er wandte sich zu Eva Anderssons enttäuschtem Vater um. „Es kann schon sein, daß die Stute im Augenblick nicht hundertprozentig fit ist. Aber ich garantiere dir, daß deine Tochter in wenigen Tagen mit ihr galoppieren kann, als ob nichts gewesen wäre.“

      „Niemals!“ protestierte Malin erbittert.

      „Jetzt hältst du aber den Mund, Mädchen!“ schrie Elofsson und machte einen drohenden Schritt auf sie zu. „Als ob du mehr von Pferden verständest als ich! Ich hab fünfzig Jahre meines Lebens mit Pferden verbracht. Was ist das überhaupt für ein Benehmen!“

      Den möglichen Käufer hatte Gustav Elofssons Ausfall mehr erschreckt als Malin. Rasch zog er sich zum Ausgang zurück. „Ich habe kein Interesse mehr“, sagte er. „Schade, wir haben gerade einen kleinen Hof gekauft, auf dem Platz für ein Pferd wäre. Aber wir können ja wiederkommen, wenn die Stute wieder gesund ist.“

      „Nur noch ein paar Tage“, versicherte Elofsson und folgte Sten Andersson hinaus.

      Malin hörte, wie Elofsson seine Überredungsversuche draußen vor dem Stall lautstark fortsetzte.

      Als eins der Autos gestartet und weggefahren war, wartete Malin zitternd darauf, daß Elofsson wiederkommen und sie beschimpfen würde. Sie stellte sich zwischen Amie und die Boxöffnung. Amie sollte nicht wie eine Art Schild vor ihr stehen. Sie hatte nicht direkt Angst, Elofsson könnte sie schlagen, aber er war so groß und breit, und wenn er wütend wurde, was er jetzt sicher war, dann konnte er sehr unangenehm sein, Malin wußte, daß sie die Wahrheit gesagt hatte, aber an diesem Tag schien die Wahrheit nicht besonders gefragt zu sein. Weder in der Schule noch zu Hause und auch nicht im Stall.

      Elofsson kam aber nicht wieder. Und nach einer Weile fuhr Malin fort, die graue Stute zu putzen. Mit hängendem Kopf stand Amie da. Bestimmt hat sie Schmerzen, dachte Malin mitleidig. Da wäre diese schreckliche Eva also fast die Besitzerin von Amie geworden! Malin dachte, daß es ein Riesenglück gewesen war, daß sie zufällig im Stall war, als Evas Vater kam. Außer für Elofsson vielleicht. Doch was sollte aus Amie werden, wenn sie irgendwo hinkam, wo niemand das Geringste von Pferden verstand? Zu einem Mädchen, das ein Pony rücksichtslos trainierte, bis es überfordert war und krank wurde. Malins Kehle zog sich zusammen. Sie schmiegte das Gesicht an Amies dichte Mähne. Das durfte einfach nicht passieren. Sie legte das Putzzeug weg und gab ihrer Freundin einen halben Apfel. Amie nahm ihn zwar, aber sie kaute ohne Appetit.

      Malin verließ den Stall. Sie wollte allein sein und ging zum Wald. Sie nahm einen Weg, der nach etwa einem Kilometer zu einigen Sennhütten führte. Vor langer Zeit hatten die Bauern Milch von den Sennhütten ins Dorf gebracht, in dem es eine kleine Meierei gegeben hatte. Immer noch waren die tiefen, schmalen Spuren von den eisenbeschlagenen Rädern der Milchkarren zu sehen.

      Nach einiger Zeit war der Weg von Birken und Espen und dichtem Unterholz zugewachsen, und Malin kehrte um. Die Sonne ging gerade unter, ihre Strahlen wärmten aber immer noch ein wenig.

      Als Malin zurück zum Stall kam, war dort die Abendfütterung in vollem Gange. Alle versorgten ihre Pferde, misteten die Boxen aus oder bewegten die Ponys in dem kleinen Paddock vor dem großen Stall.

      Malin erzählte Kattis, daß Elofsson versucht hatte, Amie zu verkaufen.

      „So ein gemeiner Kerl!“ rief Kattis aufgebracht. „Aber er wird sie sicher verkaufen, sobald sie wieder gesund ist. Darauf wette ich!“

      Ja, das war klar. Es blieb Malin nichts anderes übrig, als die bittere Wahrheit zu akzeptieren. Es war nur noch eine Frage der Zeit, dann war Amie fort. Es war undenkbar, daß Malin die kleine graue Stute kaufen könnte. Sie hatte weder das Geld für die Ponystute selbst noch für ihren Unterhalt. An die Trennung von ihrer besten Freundin wollte Malin noch nicht denken.

      Malin blieb noch lange bei Amie in der Box. Stumm setzte sie sich ins Stroh neben die kleine Stute. Malin mochte einfach noch nicht nach Hause gehen, zu Migräne und bedrücktem Herumschleichen. Aber schließlich knurrte ihr der Magen vor Hunger, und sie stand auf und verabschiedete sich von Amie. Ganz langsam radelte sie nach Hause, an den Supermärkten vorbei, die an der Landstraße lagen.

      Vom Kiosk her roch es nach Bratwurst, und ein Schild warb mit einem Sonderpreis für Pfefferminzschokolade.

      Noch ein Schlenker nach rechts, und sie war zu Hause. Zwischen den parkenden Autos spielten Emil und Karin mit ein paar Freunden. Malin fragte im Vorbeifahren, ob sie Mittag gegessen hätten.

      „Schon lange!“ war die Antwort. „Überbackener Fisch. Aber wir haben dir was übriggelassen.“

      „Wie geht es Mama?“ fragte Malin die beiden.

      „Pst!“ Karin legte den Zeigefinger auf den Mund, und Malin brauchte

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