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hinter den Fenstern. Wenn er nicht mag die Tochter des Obersten, so soll er werden mein Eidam. Nimmt er aber diese Tochter, so –«

      Er hielt inne. Er wollte eine Drohung aussprechen, es fiel ihm aber leider keine ein.

      »Nun?« fragte Judith. »Was willst Du dann mit ihm thun, wenn er wird untreu Deiner Tochter?«

      »Weiß ich's? Ich weiß es nicht!«

      Ihr Gesicht hatte einen ganz anderen Ausdruck bekommen. Ihre Augen leuchteten rachgierig auf.

      »Aber ich weiß es,« sagte sie.

      »Nun, was sollen wir thun?«

      »Will er nicht haben meine Hand, so soll er auch nicht bekommen seinen Adel!«

      Da schlug der Alte die Hände zusammen. Er sagte:

      »Gott der Gerechte! Habe ich Dich vorhin geheißen dumm, und bist Du doch gescheiter zehnmal mehr als Dein Vater! Ja, wir haben ja seine Kette!«

      »Wir geben sie ihm nicht wieder!«

      »Er wird sie verlangen! Können wir sie ihm verweigern?«

      »Nein; aber er muß vorher bezahlen!«

      »Er kann bezahlen, wenn er wird der Schwiegersohn des reichen Obersten von Hellenbach. Dann müssen wir ihm zurückgeben die Kette.«

      »Geben wir ihm eine andere!«

      Der alte Wucherer machte eine Geberde der Ueberraschung.

      »Eine andere?« fragte er. »Judithleben, was bist Du geworden ganz plötzlich doch so klug und weise.«

      »Habe ich nicht recht?«

      »Ja, sehr recht hast Du, meine Tochter! Soll ich verlieren den berühmten Eidam; soll ich nicht werden ausgehauen in Stein mit Rebecca, meinem Weibe, so soll er auch verlieren die Kette und den Adel. Die Tochter des Obersten darf nur heirathen Einen, welcher hat den Adel.«

      »Ja. Sie darf ihn ohne Adel nicht nehmen, und dann wird er kommen dennoch zu mir. Und nachher, wenn er ist geworden mein Mann, werde ich ihm geben die Kette und den Adel!«

      »Das muß aber gemacht werden sehr geschickt. Die Kette ist zu verwechseln sehr leicht. Ich habe Ketten, welche sind unecht und dennoch aussehen grad wie die seinige. Aber das andere, das Herz, das Medaillon, worauf ist gravirt die Krone des Barons und die Buchstaben R.v.H., das ist schwer, denn es muß gemacht werden anders und dennoch sein ganz ähnlich wie vorher.«

      »Hast Du nicht Jacob Simeon, den Goldarbeiter?«

      »Ja, den habe ich.«

      »Ist er nicht gegeben ganz und gar in Deine Hände? Kannst Du ihn nicht zwingen, zu machen Alles, was Du willst?«

      »Ich kann ihn zwingen. Aber was soll er machen?«

      »Ein anderes Herz, welches ist ähnlich dem richtigen.«

      »Gut! Ich werde ihm befehlen, es zu machen. Aber die Krone?«

      »Laß ihm machen eine Krone, welche ist auch ähnlich, aber nicht eine Adelskrone!«

      »Auch das soll er machen. Aber die Buchstaben?«

      »Er soll machen ganz dieselben zwei großen Buchstaben, damit es ist ganz ähnlich, aber er soll nicht machen zwischen sie hinein ein v. sondern ein u.«

      »Warum soll er machen ein u

      »Das heißt ›und‹. Dann steht nicht da ein adeliger Name, sondern es stehen da die Anfangsbuchstaben von zwei Namen. Das giebt eine ganz andere Bedeutung.«

      »Gott Israels! Habe ich doch nicht geahnt, welcher Scharfsinn wohnt in dem Kopfe meiner Tochter.«

      »So thue, was ich Dir gesagt habe!«

      »Ich werde gehen morgen zu Jacob Simeon.«

      »Nein; Du wirst gehen gleich heute noch. Wenn der Dichter sich verlobt mit der Tochter des Obersten, wird er gleich haben Geld und morgen schon kommen, zu bezahlen seine Schuld. Dann muß bereits fertig sein die Änderung.«

      »Schön! Ich werde gehen sofort und sogleich.«

      »Und ich werde eilen zu meiner Freundin Sarah Rubinenthal.«

      Sie ging und fand die Freundin daheim. Das Mädchen hatte ein eigenes Zimmer; dorthin zogen sich die Beiden zurück. Von hier aus konnten sie, ganz wie der alte Jude gesagt hatte, grad in die Fenster des Obersten blicken.

      Judith machte die Freundin mit dem Zwecke ihres Besuches bekannt und Beide nahmen am Fenster Platz, um ihre Beobachtung zu beginnen.

      Drüben war Alles hell erleuchtet. So kam es, daß die Mädchen bis in das Innere der Zimmer zu sehen vermochten. Sie ließen sich nichts entgehen.

      »Siehst Du ihn?« sagte Judith. »Siehst Du, was er macht?«

      Die kleine Bucklige antwortete:

      »Ich sehe ihn. Er steht da und schlägt mit den Armen in die Luft.«

      »Er declamirt. Er wird machen ein Gedicht gleich aus dem Kopfe, wie er bei mir hat gleich gemacht das Gedicht von der Frau des Meeres.«

      Sie ließen den Declamirenden nicht aus den Augen. Sie sahen, daß er dann an das Fenster trat, bald aber rasch in das Innere des Zimmers zurückkehrte. Einige Zeit später kam Fanny von Hellenbach an das Fenster. Sie stand halb gegen das Licht gewendet, so daß man ihre Gesichtszüge sehen konnte.

      »Das ist sie!« stieß Judith hervor. »Kennst Du sie?«

      »Ich sehe sie alle Tage.«

      »So sage einmal, ob sie schön ist, Sarahleben!«

      »Sie ist schön, sehr schön!«

      »Ja, sie ist schön; aber ist sie schöner als ich?«

      Die Gefragte kam in Verlegenheit. Sie antwortete:

      »Sie ist schön, und Du bist schön. Die Schönheiten sind ja ganz verschiedener Art.«

      »Das will ich nicht wissen! Wenn Du wärst dieser Robert Bertram, welche würdest Du schöner finden, sie oder mich?«

      »Dich!« antwortete Sarah.

      Sie konnte unter diesen Umständen ganz natürlich keine andere Antwort geben. Da aber stieß Judith einen scharfen, zischenden Laut aus, wie eine Natter, die einen Feind sieht.

      »Ah, er kommt! Er stellt sich zu ihr!« sagte sie. »Jetzt werden wir sehen, ob sie freundlich mit ihm ist. Siehst Du seine Augen?«

      »Nein.«

      »Ich auch nicht. Gott meiner Väter! Seine Augen möchte ich sehen! An den Augen merkt man es, ob sie sich lieben. Aber jetzt, jetzt! Sie berührt ihn! Sie greift ihn an! Sie legt ihm den Arm auf die Schulter! Was sagst Du dazu, Sarah Rubinenthal?«

      Judith befand sich in größter Aufregung. Sie stampfte mit dem Fuße, sie trommelte mit den Fingern an die Fensterscheibe. In ihren Adern rollte orientalisches Blut. Sie wäre am liebsten hinüber geeilt, um der Rivalin die Augen auszukratzen. Da die Freundin nicht antwortete, wiederholte sie:

      »Ob Du es siehst, frage ich?«

      »Ja, ich sehe es!«

      »Was sagst Du dazu? Jetzt wird sie ihm erklären ihre Liebe!«

      »Wird sie das wirklich? Kann sie das?«

      »Warum nicht? Du siehst es ja! Wenn sie wären allein mit einander, würde sie ihm legen die Arme um den Hals und ihn küssen mit den Lippen auf seinen Mund!«

      »Er geht!«

      »Ja, er geht, aber zu spät. Sie liebt ihn, und er liebt sie. Ich weiß, was ich zu thun habe!«

      Der Freundin wurde es angst und bange.

      »Was wirst Du thun?« fragte sie. »Du weißt ja kein Wort von dem, was die Beiden mit einander gesprochen haben.«

      »Ich

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