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sondern um ein wohlverdientes Honorar handle.

      Mit welcher Genugthuung ihn das erfüllte. Er fühlte plötzlich, daß er auch eine Bedeutung habe; es überkam ihn eine Sicherheit, welche er vorher an sich gar nicht gekannt hatte. Er galt Etwas in der großen Zahl jener Wesen, welche man mit dem Sammelworte Menschheit bezeichnet. Und das, was er galt, war ihm in Guldenscheinen zugemessen worden! Ah, was würde Marie dazu sagen, Marie, seine Schwester?

      Aber er kam nicht dazu, diese letzte Frage auszudenken, denn da ganz in seiner Nähe gab es ein anderes Wesen, dessen Meinung ihm noch viel wichtiger zu sein dünkte als diejenige der Schwester. Er sagte sich dies nicht deutlich und ausdrücklich, aber er fühlte und er ahnte es.

      Später kam noch ein anderer Gast dazu, dessen Erscheinen Keinem sympathisch zu sein schien – der Baron Franz von Helfenstein. Er war nicht geladen, sondern aus eigener Initiative gekommen.

      Man ging zur Tafel. Robert kam neben die Baronesse Alma von Helfenstein zu sitzen. Sie unterhielt sich mit ihm so freundlich, als ob sie sich ganz ebenbürtig seien und sich bereits sehr viele Male gesehen hätten. Das Auge des Barons Franz hing an ihnen. Was dachte er. Es war klar, daß irgend ein eigenthümlicher Gedanke ihn beschäftigte. Auch der Oberst hatte mit seiner Frau eine halblaute Bemerkung ausgetauscht. Jetzt sagte er über die Tafel herüber zu Baron Franz:

      »Herr Baron, Sie sitzen gerade am richtigen Orte, um es beurtheilen zu können. Finden Sie nicht auch diese ganz ungemeine Ähnlichkeit?«

      »Welche?«

      »Zwischen Ihrer Cousine und unserem Herrn Bertram?«

      Es war dem Baron, als habe ihm Jemand einen Stich versetzt. Er antwortete im Tone komischer Entrüstung:

      »Da finden Sie wirklich eine Ähnlichkeit?«

      »Allerdings.«

      »Nun, Herr Bertram wird nichts dagegen haben. Wenn auch meine Cousine sich über diese Entdeckung geschmeichelt fühlt, so habe ich natürlich nichts dagegen.«

      Das war eine Beleidigung für Bertram. Dieser fühlte es gar wohl, darum antwortete er:

      »Vielleicht habe ich doch etwas dagegen. Ich gestehe aufrichtig, daß es mir nicht ganz gleichgiltig ist, mit wessen Cousine man mich vergleicht!«

      Es entstand eine sekundenlange Pause. Der Baron entfärbte sich. Jedermann fühlte den Hieb, den er erhalten hatte. Daß dieser Hieb saß, das sah man Demjenigen an, der getroffen worden war.

      »Ah, wohnten Sie nicht in meinem Hause?« fragte er.

      »Ja.«

      »Ihr Vater war der Schneider Bertram?«

      »Allerdings, jener arme, aber brave Schneider Bertram, der sich über nichts so sehr gewundert hat als darüber, daß ein Baron auf das Unglück seiner Abmiether zu speculiren vermag.«

      Dieser Hieb traf noch viel besser als der erste. Der Baron biß die Zähne zusammen. Die Wirthin, welche einen ernstlichen Zwist befürchtete, brachte schnell das Gespräch auf ein anderes Thema; aber die Spannung war vorhanden, und sie blieb bestehen.

      Nach und nach äußerte der Wein seine anregende Wirkung. Man sprach von Kunst und Wissenschaft, von Musik und Theater und blieb längere Zeit bei der Dichtkunst stehen. Der Oberst behauptete, daß der Reim das Schwerste des Dichtens sei; seine Tochter bestritt das. Sie behauptete, daß ein von Gott begnadeter Dichter den Reim spielend überwinde.

      »Nun,« sagte der Fürst; »es ist ja ein Dichter unter uns. Bitten wir ihn den Kampf zu entscheiden!«

      »Ja, Herr Bertram,« sagte Fanny, »wem geben Sie recht?«

      »Beiden,« antwortete er. »Es giebt Dichter, welche schwer mit dem Reime kämpfen mußten, und deren Namen wir trotzdem in erster Reihe nennen, während manchem Dichterlinge die Reime wie Schneeflocken zufallen.«

      »Wie ist es da bei Ihnen?« fragte Alma von Helfenstein.

      »Ich würde zu diesen Dichterlingen gehören.«

      »So reimen Sie leicht?«

      »Sehr leicht. Ich mache mich anheischig, so lange im Reime zu sprechen, wie es gewünscht wird.«

      »Und die Qualität dieser Reime?« bemerkte Baron Franz in spottendem Tone.

      »Würde wohl zu Ihrer Zufriedenheit ausfallen, wie ich den Dichter der Wüstenbilder kenne,« antwortete Fanny.

      »Fast möchte man es einmal erproben!«

      Fanny ließ sich durch den Baron hinreißen.

      »Gut!« sagte sie. »Geben wir Herrn Bertram ein Thema!«

      Dieser Gedanke fand sofort allgemeinen Beifall.

      »Ein Thema! Welches? Welches?« wurde gefragt.

      »Ein Weihnachtsthema,« meinte Alma von Helfenstein.

      »Ja, ja,« wurde rundum beigestimmt.

      Und Fanny fügte hinzu:

      »Das Gedicht muß mit dem Worte des Engels beginnen: Ich verkündige Euch große Freude, und soll sowohl die Weihnachtsfreude als auch das Weihnachtsleid beschreiben.«

      »Was das Weihnachtsleid betrifft,« warf Baron Franz ein, »so möchte ich einen Vorschlag machen.«

      Und als man schwieg und die Blicke Aller sich fragend auf ihn richteten, fuhr er fort:

      »Denken wir uns also Weihnachtsabend. Ueberall herrscht Lust und Freude. Aber da oben in der Zelle sitzt Einer, eines schweren, entehrenden Verbrechens angeklagt. Das böse Gewissen zehrt an ihm, Körper und Geist leiden; er ist krank und stirbt, stirbt grad am Abende des Christfestes. Ist dieses Thema nicht ein außerordentlich interessantes?«

      Es war klar, daß es in seiner Absicht lag, Robert Bertram zu beleidigen. Der Oberst, welcher als Wirth die Verpflichtung fühlte, sich seines jungen Gastes anzunehmen, fuhr auf:

      »Herr Baron, ich denke, daß –«

      »Bitte, bitte!« erklang es da von der anderen Seite her. »Ich bin ganz gern bereit, auf dieses Thema einzugehen.«

      Robert selbst hatte diese Worte gesprochen. Das, was beleidigend gemeint war, hatte ihn sofort mit Begeisterung erfüllt. Der Fürst sah ihm dies an.

      »Ja,« sagte er, »wir Alle sind gern einverstanden und bitten Sie, zu beginnen!«

      Robert trat vom Tische weg zur Seite, so daß Aller Blicke ihn zu erreichen vermochten. Einige Momente lang hing sein Auge wie nach dem Anfange suchend am Boden, dann aber begann er in der Weise der italienischen Improvisatoren:

      »Ich verkünde große Freude,

      Die Euch widerfahren ist,

      Denn geboren wurde heute

      Euer Heiland Jesus Christ!

      Jubelnd klingt es durch die Sphären;

      Sonnen künden's jedem Stern;

      Weihrauch duftet auf Altären;

      Glocken klingen nah' und fern.

      Tageshell ist's in den Räumen;

      Alles athmet Lust und Glück,

      Und an buntgeschmückten Bäumen

      Hängt der freudetrunk'ne Blick.«

      Er beschrieb nun in leicht fließenden, wohltönenden Versen den Weihnachtsjubel überall und lenkte dann ein:

      »Fast ist's, als ob sich die helle

      Nacht in Tag verwandeln will,

      Nur da droben in der Zelle

      Ist's so dunkel, ist's so still.

      Unten zieht des Festes Freude

      Jetzt in Aller Herzen ein,

      Droben ist mit seinem Leide,

      Seinem

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