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Majestät gewiß behagen wird. Was willst du für den ganzen Korb?« Der kleine Muck bestimmte einen mäßigen Preis, und sie waren bald des Handels einig. Der Küchenmeister übergab den Korb einem Sklaven und ging weiter; der kleine Muck aber macht sich einstweilen aus dem Staub, weil er befürchtete, wenn sich das Unglück an den Köpfen des Hofes zeigte, möchte man ihn als Verkäufer aufsuchen und bestrafen.

      Der König war über Tisch sehr heiter gestimmt und sagte seinem Küchenmeister einmal über das andere Lobsprüche wegen seiner guten Küche und der Sorgfalt, mit der er immer das Seltenste für ihn aussuche; der Küchenmeister aber, welcher wohl wußte, welchen Leckerbissen er noch im Hintergrund habe, schmunzelte gar freundlich und ließ nur einzelne Worte fallen, als: »Es ist noch nicht aller Tage Abend«, oder »Ende gut, alles gut«, so daß die Prinzessinnen sehr neugierig wurden, was er wohl noch bringen werde. Als er aber die schönen, einladenden Feigen aufsetzen ließ, da entfloh ein allgemeines Ah! dem Munde der Anwesenden.

      »Wie reif, wie appetitlich!« rief der König. »Küchenmeister, du bist ein ganzer Kerl und verdienst unsere ganz besondere Gnade!« Also sprechend, teilte der König, der mit solchen Leckerbissen sehr sparsam zu sein pflegte, mit eigener Hand die Feigen an seiner Tafel aus. Jeder Prinz und jede Prinzessin bekam zwei, die Hofdamen und die Wesire und Agas eine, die übrigen stellte er vor sich hin und begann mit großem Behagen sie zu verschlingen.

      »Aber, lieber Gott, wie siehst du so wunderlich aus, Vater?« rief auf einmal die Prinzessin Amarza. Alle sahen den König erstaunt an; ungeheure Ohren hingen ihm am Kopf, eine lange Nase zog sich über sein Kinn herunter; auch sich selbst betrachteten sie untereinander mit Staunen und Schrecken; alle waren mehr oder minder mit dem sonderbaren Kopfputz geschmeckt.

      Man denke sich den Schrecken des Hofes! Man schickte sogleich nach allen Ärzten der Stadt; sie kamen haufenweise, verordneten Pillen und Mixturen; aber die Ohren und die Nasen blieben. Man operierte einen der Prinzen; aber die Ohren wuchsen nach.

      Muck hatte die ganze Geschichte in seinem Versteck, wohin er sich zurückgezogen hatte, gehört und erkannte, daß es jetzt Zeit sei zu handeln. Er hatte sich schon vorher von dem aus den Feigen gelösten Geld einen Anzug verschafft, der ihn als Gelehrten darstellen konnte; ein langer Bart aus Ziegenhaaren vollendete die Täuschung. Mit einem Säckchen voll Feigen wanderte er in den Palast des Königs und bot als fremder Arzt seine Hilfe an. Man war von Anfang sehr ungläubig; als aber der kleine Muck eine Feige einem der Prinzen zu essen gab und Ohren und Nase dadurch in den alten Zustand zurückbrachte, da wollte alles von dem fremden Arzte geheilt sein. Aber der König nahm ihn schweigend bei der Hand und führte ihn in sein Gemach; dort schloß er eine Türe auf, die in die Schatzkammer führte, und winkte Muck, ihm zu folgen. »Hier sind meine Schätze«, sprach der König, »wähle dir, was es auch sei, es soll dir gewährt werden, wenn du mich von diesem schmachvollen Übel befreist.«

      Das war süße Musik in des kleinen Muck Ohren; er hatte gleich beim Eintritt seine Pantoffeln auf dem Boden stehen sehen, gleich daneben lag auch sein Stäbchen. Er ging nun umher in dem Saal, wie wenn er die Schätze des Königs bewundern wollte; kaum aber war er an seine Pantoffeln gekommen, so schlüpfte er eilends hinein, ergriff sein Stäbchen, riß seinen falschen Bart herab und zeigte dem erstaunten König das wohlbekannte Gesicht seines verstoßenen Muck. »Treuloser König«, sprach er, »der du treue Dienste mit Undank lohnst, nimm als wohlverdiente Strafe die Mißgestalt, die du trägst. Die Ohren laß ich dir zurück, damit sie dich täglich erinnern an den kleinen Muck.« Als er so gesprochen hatte, drehte er sich schnell auf dem Absatz herum, wünschte sich weit hinweg, und ehe noch der König um Hilfe rufen konnte, war der kleine Muck entflohen. Seitdem lebt der kleine Muck hier in großem Wohlstand, aber einsam; denn er verachtet die Menschen. Er ist durch Erfahrung ein weiser Mann geworden, welcher, wenn auch sein Äußeres etwas Auffallendes haben mag, deine Bewunderung mehr als deinen Spott verdient.

      »So erzählte mir mein Vater; ich bezeugte ihm meine Reue über mein rohes Betragen gegen den guten kleinen Mann, und mein Vater schenkte mir die andere Hälfte der Strafe, die er mir zugedacht hatte. Ich erzählte meinen Kameraden die wunderbaren Schicksale des Kleinen, und wir gewannen ihn so lieb, daß ihn keiner mehr schimpfte. Im Gegenteil, wir ehrten ihn, solange er lebte, und haben uns vor ihm immer so tief wie vor Kadi und Mufti gebückt.«

      Die Reisenden beschlossen, einen Rasttag in dieser Karawanserei zu machen, um sich und die Tiere zur weiteren Reise zu stärken . Die gestrige Fröhlichkeit ging auch auf diesen Tag über, und sie ergötzten sich in allerlei Spielen. Nach dem Essen aber riefen sie dem fünften Kaufmann, Ali Sizah, zu, auch seine Schuldigkeit gleich den übrigen zu tun und eine Geschichte zu erzählen. Er antwortete, sein Leben sei zu arm an auffallenden Begebenheiten, als daß er ihnen etwas davon mitteilen möchte, daher wolle er ihnen etwas anderes erzählen, nämlich: Das Märchen vom falschen Prinzen.

      Schneewittchen

      (Lothar Meggendorfer)

       Inhaltsverzeichnis

      Es saß einst eine Königin

       Mit gar betrübtem Herz und Sinn,

       In ihrem Schloß am Fenster dort

       Und stickte eine bunte Bort’.

      Wie sie so saß und für sich sann,

       Sie wußte selbst nicht wie es kam;

       Ein Tropfen Blut von ihrer Hand

       Fiel nieder auf das weiße Band.

      Das war so schön, daß sie rief aus:

       „O schenk doch in mein einsam Haus

       Ein Töchterlein mir, lieber Gott,

       Wie hier die Farben: schwarz, weiß, rot!“

      Und sieh, es war noch kaum ein Jahr,

       Die Königin ein Kind gebar,

       Nannt es „Schneewittchen“ in der Tauf’;

       Doch mußt sie sterben bald darauf.

      Der König nahm die zweite Frau –

       Denkt euch einmal den Vogel Pfau,

       Dann kennt ihr schon dies stolze Weib

       Und ihren liebsten Zeitvertreib.

      Sie hat ein Spieglein an der Wand;

       „Wer ist die Schönste hier im Land?“

       So frug sie diesen Zaub’rer oft;

       Nur eine Antwort sie erhofft!

      „Die Schönste, Königin, bist du!“

       Sprach auch der Spiegel immerzu;

       Doch eines Tag’s sagt er zu ihr:

       „Schneewittchen ist die Schönste hier!“

      Da hättet ihr sie sollen seh’n;

       Sie wollt vor Wut und Zorn vergeh’n;

       Rief ihren Jäger flugs herzu:

       „Bring in den Wald das Kind im Nu!

      Dort stech es ab und bringt mir heim

       Ihr Herz, und Goldeslohn sei dein!“

       Da führt er fort mit rauher Hand

       Das Königskind von diesem Land.

      Und wo der Wald gar dunkel war,

       Da wollt’ er, allen Mitleids bar,

       Um schnöden Lohn den Mord begeh’n.

       Da hat das

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