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eilte Celionati fort über die Straße.

      Giglio blieb wie eingewurzelt stehen, warf wütende Blicke nach dem Balkon, biß die Zähne zusammen, murmelte die gräßlichsten Verwünschungen. Als nun aber Meister Bescapi den Kopf zum Fenster hinaussteckte und ihn höflich bat, doch hineinzutreten und die neue Krisis, die sich zu nahen schien, abzuwarten, warf er ihm, den er auch wider sich verschworen, im Komplott mit der Alten glaubte, ein „verdammter Kuppler!“ an den Hals und rannte wild von dannen.

      Am Korso traf er auf einige vormalige Kameraden, mit denen er in ein nahgelegenes Weinhaus trat, um allen seinen Unmut, allen seinen Liebesschmerz, all seine Trostlosigkeit untergehen zu lassen in der Glut feurigen Syrakusers.

      Sonst ist solch ein Entschluß eben nicht der ratsamste; denn dieselbe Glut, welche den Unmut verschlingt, pflegt unbezähmbar auflodernd alles im Innern zu entzünden, das man sonst gern vor der Flamme wahrt; doch mit Giglio ging es ganz gut. Im muntern gemütlichen Gespräch mit den Schauspielern, in allerlei Erinnerungen und lustigen Abenteuern vom Theater her schwelgend, vergaß er wirklich alles Unheil, das ihm begegnet. Man verabredete beim Abschiede, abends auf dem Korso in den tollsten Masken zu erscheinen, die nur ersinnlich.

      Der Anzug den er schon einmal angelegt, schien dem Giglio hinlänglich fratzenhaft; nur verschmähte er diesmal auch nicht das lange seltsame Beinkleid, und trug außerdem noch den Mantel hinterwärts auf einen Stock gespießt, so daß es beinahe anzusehen war, als wüchse ihm eine Fahne aus dem Rücken. So angeputzt durchschwärmte er die Straßen und überließ sich ausgelassener Lustigkeit, weder seines Traumbilds, noch des verlornen Liebchens zu gedenken.

      Doch festgewurzelt an den Boden blieb er stehen, als unweit des Palastes Pistoja ihm plötzlich eine hohe edle Gestalt entgegentrat, in jenen prächtigen Kleidern, in denen ihn einst Giacinta überrascht hatte, oder besser, als er sein Traumbild im hellen wahrhaften Leben vor sich erblickte. Wie ein Blitz fuhr es ihm durch alle Glieder; aber selbst wußte er nicht, wie es geschah, daß die Beklommenheit, die Angst der Liebessehnsucht, die sonst den Sinn zu lähmen pflegt, wenn das holde Bild der Geliebten plötzlich dasteht, unterging in dem fröhlichen Mut solcher Lust, wie er sie noch nie im Innern gefühlt. Den rechten Fuß vor, Brust heraus, Schultern eingezogen, setzte er sich sofort in die zierlichste Positur, in der er jemals die außerordentlichsten Reden tragiert, zog das Barett mit den langen spitzen Hahnenfedern von der steifen Perücke und begann, den schnarrenden Ton beibehaltend, der zu seiner Vermummung paßte, und, die Prinzessin Brambilla, (daß sie es war, litt keinen Zweifel) durch die große Brille starr anblickend: „Die holdeste der Feen, die hehrste der Göttinnen wandelt auf der Erde; ein neidisches Wachs verbirgt die siegende Schönheit ihres Antlitzes, aber aus dem Glanz, von dem sie umflossen, schießen tausend Blitze und fahren in die Brust des Alters, der Jugend und alles huldigt der Himmlischen, aufgeflammt in Liebe und Entzücken.“

      „Aus welchem“, erwiderte die Prinzessin, „aus welchem hochtrabenden Schauspiele habt Ihr diese schöne Redensart her, mein Herr Pantalon Capitano, oder wer Ihr sonst sein wollen möget? – Sagt mir lieber, auf welche Siege die Trophäen deuten, die Ihr so stolz auf dem Rücken traget?“ „Keine Trophäe“, rief Giglio, „denn noch kämpfe ich um den Sieg! – Es ist die Fahne der Hoffnung, des sehnsüchtigsten Verlangens, zu der ich geschworen, das Notzeichen der Ergebung auf Gnad und Ungnade, das ich aufgesteckt, das: ‚Erbarmt Euch mein‘, das Euch die Lüfte aus diesen Falten zuwehen sollen. Nehmt mich zu Euerm Ritter an, Prinzessin! dann will ich kämpfen, siegen und Trophäen tragen. Eurer Huld und Schönheit zum Ruhm.“ „Wollt Ihr mein Ritter sein“, sprach die Prinzessin, „so wappnet Euch, wie es sich ziemt! Bedeckt Euer Haupt mit der drohenden Sturmhaube, ergreift das breite gute Schwert! Dann werd ich an Euch glauben.“ „Wollt Ihr meine Dame sein“, erwiderte Giglio, „Rinaldos Armida, so seid es ganz! Legt diesen prunkenden Schmuck ab, der mich betört, befängt, wie gefährliche Zauberei. Dieser gleißende Blutfleck –“ „Ihr seid von Sinnen!“ rief die Prinzessin lebhaft und ließ den Giglio stehen, indem sie sich schnell entfernte.

      Dem Giglio war es, als sei er es gar nicht gewesen der mit der Prinzessin gesprochen, als habe er ganz willenlos das herausgesagt, was er selbst nun nicht einmal verstand; er war nahe daran zu glauben, Signor Pasquale und Meister Bescapi hätten recht, ihn für was weniges verrückt zu halten. Da sich nun aber ein Zug Masken nahte, die in den tollsten Fratzen die mißgeschaffensten Ausgeburten der Fantasie darstellten und er augenblicklich seine Kameraden erkannte, so kam ihm die ausgelassene Lustigkeit wieder. Er mischte sich in den springenden und tanzenden Haufen, indem er laut rief: „Rühre dich, rühre dich, toller Spuk! regt euch, mächtige, schälkische Geister des frechsten Spottes! ich bin nun ganz euer und ihr möget mich ansehen für euresgleichen!“

      Giglio glaubte, unter seinen Kameraden auch den Alten zu bemerken, aus dessen Flasche Brambillas Gestalt gestiegen. Ehe er sich’s versah, wurde er von ihm erfaßt, im Kreise herumgedreht und dazu kreischte ihm der Alte in die Ohren: „Brüderchen, ich habe dich, Brüderchen, ich habe dich!“ –

      Drittes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Von Blondköpfen, die sich erkühnen, den Pulcinell langweilig zu finden und abgeschmackt. – Deutscher und italienischer Spaß. – Wie Celionati im Caffè greco sitzend, behauptete, er säße nicht im Caffè greco, sondern fabriziere an dem Ufer des Ganges Pariser Rappé. – Wunderbare Geschichte von dem König Ophioch, der im Lande Urdargarten herrschte und der Königin Liris. – Wie König Cophetna ein Bettelmädchen beiratete, eine vornehme Prinzessin einem schlechten Komödianten nachlief, und Giglio ein hölzernes Schwert ansteckte, dann aber hundert Masken im Korso umrannte, bis er endlich stehenblieb, weil sein Ich zu tanzen begonnen.

      „Ihr Blondköpfe! – Ihr Blauaugen! Ihr jungen stolzen Leute, vor deren ‚Guten Abend, mein schönstes Kind!‘ im dröhnenden Baß gesprochen, die keckste Dirne erschrickt, kann denn euer im ewigen Winterfrost erstarrtes Blut wohl auftauen in dem wilden Wehen der Tramontana, oder in der Glut eines Liebesliedes? Was prahlt ihr mit eurer gewaltigen Lebenslust, mit euerm frischen Lebensmut, da ihr doch keinen Sinn in euch traget für den tollsten, spaßhaftesten Spaß alles Spaßes, wie ihn unser gesegnetes Karneval in der reichsten Fülle darbietet? – Da ihr es sogar wagt, unsern wackern Pulcinell manchmal langweilig, abgeschmackt zu finden und die ergötzlichsten Mißgeburten, die der lachende Hohn gebar, Erzeugnisse nennt eines wirren Geistes!“ – So sprach Celionati in dem Caffè greco, wo er sich, wie es seine Gewohnheit war, zur Abendzeit hinbegeben und mitten unter den teutschen Künstlern Platz genommen, die zur selben Stunde dies in der Strada Condotti gelegene Haus zu besuchen pflegten und soeben über die Fratzen des Karnevals eine scharfe Kritik ergehen lassen.

      „Wie“, nahm der teutsche Maler, Franz Reinhold, das Wort, „wie möget Ihr doch nur so sprechen Meister Celionati! Das stimmt schlecht mit dem überein, was Ihr sonst zugunsten des deutschen Sinns und Wesens behauptet. Wahr ist es, immer habt Ihr uns Deutschen vorgeworfen, daß wir von jedem Scherz verlangten, er solle noch etwas anderes bedeuten, als eben den Scherz selbst und ich will Euch recht geben, wiewohl in ganz anderm Sinn, als Ihr es wohl meinen möget. Gott tröste Euch, wenn Ihr uns etwa die Dummheit zutrauen solltet, die Ironie nur allegorisch gelten zu lassen! Ihr wäret dann in großem Irrtum. Recht gut sehen wir ein, daß bei euch Italienern der reine Scherz, als solcher, viel mehr zu Hause scheint, als bei uns; vermocht ich aber nur Euch recht deutlich zu erklären, welchen Unterschied ich zwischen euerm und unserm Scherz, oder besser gesagt, zwischen eurer und unserer Ironie finde. – Nun, wir sprechen eben von den tollen fratzenhaften Gestalten, wie sie sich auf dem Korso umhertreiben; da kann ich wenigstens so ungefähr ein Gleichnis anknüpfen. – Seh ich solch einen tollen Kerl durch greuliche Grimassen das Volk zum Lachen reizen, so kommt es mir vor, als spräche ein ihm sichtbar gewordenes Urbild zu ihm, aber er verstände die Worte nicht und ahme, wie es im Leben zu geschehen pflegt, wenn man sich müht, den Sinn fremder, unverständlicher Rede zu fassen, unwillkürlich die Gesten jenes sprechenden Urbildes nach, wiewohl auf übertriebene Weise, der Mühe halber, die es kostet. Unser Scherz ist die Sprache jenes Urbildes selbst, die aus unserm Innern heraustönt und den Gestus notwendig bedingt durch jenes im Innern liegende Prinzip

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