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Gesammelte Kindergeschichten & Romane von Agnes Sapper. Agnes Sapper
Читать онлайн.Название Gesammelte Kindergeschichten & Romane von Agnes Sapper
Год выпуска 0
isbn 9788027208784
Автор произведения Agnes Sapper
Издательство Bookwire
»Ja, um elf Uhr ist der Empfang am Bahnhof. Es fehlt noch der Blumenstrauß, den wir für die Prinzessin bestellt haben. Mit der neun Uhr Post muß er ankommen, dann packe du ihn einstweilen aus. Ich gehe nun aufs Rathaus und sehe, ob alles in Ordnung ist. Magst du mir den Frack und all das bereitlegen, daß ich mich rasch umkleiden kann, wenn ich wiederkomme?«
»Ja,« sagte die junge Frau, »jetzt gleich richte ich deine Sachen und dann Hänschens Bauernanzug.«
»Wenn er sich nur brav hält, der Schlingel!«
Auch der kleine Hans sollte eine Rolle spielen an diesem großen Tag. Eine schwäbische Bauernstube war draußen, nahe am Ausstellungsplatz, eingerichtet worden, genau nach dem Leben. In diese sollten die hohen Gäste geführt werden; und damit die Stube auch belebt sei, sollten des Oberamtmanns kleines Töchterlein und des Stadtschultheißen Bub, als Bauer und Bäuerin verkleidet, darin aufgestellt werden. »Es ist immer gewagt, wenn man Kinder mit hineinzieht,« sagte der Stadtschultheiß, »wenigstens so kleine. Ich war nicht dafür, aber die andern um so mehr.«
»Es wird auch nett aussehen und Freude machen.«
»Wenigstens euch Müttern,« sagte Römer. »Aber nun muß ich gehen. Solange es noch ein wenig ruhig ist auf dem Rathaus, will ich mir meine Rede zurechtlegen.«
»Zur Begrüßung am Bahnhof?«
»Da genügen einige Worte, aber bei Tisch habe ich die Hauptrede, und auf dem Ausstellungsplatz die Eröffnungsrede.«
»Drei Reden! Du bist ein geplagter Mann!« sagte die Frau freundlich, sie sah aber stolz zu ihm auf.
»Ein geplagter Mann,« wiederholte der kleine Hans mit ebensoviel Gefühl, wie es die Mutter gesagt hatte. Ihm gefiel dieser neue Ausdruck.
Ehe der Stadtschultheiß sich auf das Rathaus begab, machte er den Umweg über den Rasenplatz, auf dem die landwirtschaftliche Ausstellung schon allerhand Leute herbeigezogen hatte, die sich die Maschinen besahen, während vom Land herein von jeder Gattung Vieh besonders schöne Stücke zugetrieben wurden. Da gab es noch manche Frage zu beantworten, manche Einrichtung zu beanstanden und Befehle zu erlassen, bis unser Stadtschultheiß auf das Rathaus kam, wo auch schon allerlei Leute mit verschiedenen Anliegen auf ihn warteten.
Inzwischen hatte seine Frau daheim an alles gedacht, was zu ihres Mannes festlichem Gewand gehörte: Da lag der Frack bereit, die weiße Binde, die Handschuhe und der hohe schwarze Zylinderhut. Mit der Post traf richtig der bestellte Strauß ein; sorgfältig wurde er aus der Schachtel genommen; der kleine Hans und die große Anne waren so entzückt bei dem Anblick der Blumen, daß auch die junge Frau zufrieden war, obwohl sie noch etwas Schöneres und Größeres erwartet hatte.
Um zehn Uhr kam der Stadtschultheiß wieder. »Julie!« rief er noch auf der Treppe, und der Ton, in dem er sie rief, fiel seiner Frau nicht angenehm auf. Er nahm sich kaum die Zeit zum Gruß, als sie ihm entgegen kam.
»Warum ist das Holz neben unserem Haus nicht weggekommen?«
»Hätte es denn wegkommen sollen? Es ist ja ganz ordentlich aufgeschichtet.«
»Aber du weißt das doch; die Straßen sollen frei sein. Allen Leuten, die Holz vorn an das Haus aufgeschichtet hatten, ist anbefohlen worden, es wegzuräumen. Hat der Polizeidiener dir nichts gesagt? Anne!« Die Anne in der Küche hatte das Gespräch schon gehört, sie kam nur ungern zum Vorschein. »Hat der Polizeidiener nichts gesagt wegen des Holzstoßes am Haus?«
»Er hat wohl neulich so etwas gesagt, aber weil unser Holz doch noch so naß ist und weil es so ordentlich aussieht –«
»Gehen Sie augenblicklich und holen Sie Tannenwedel und decken Sie den Holzstoß damit vollständig zu!«
»Wo bekomme ich wohl die Wedel?«
»Das können Sie selbst erfragen.« Das Mädchen lief fort.
»Es macht sich nicht gut, wenn ich von andern verlange, daß sie wegräumen, und vor meinem eigenen Haus bleibt die Sache liegen. Eine rechte Stadtschultheißin muß ein gutes Beispiel geben.«
»Aber du hast mir nichts davon gesagt.«
»Ich habe es nicht gesehen, weil ich gewöhnlich von der andern Seite herkomme.« Der Stadtschultheiß kam ins Zimmer.
»Papa, sieh dort oben die schönen Blumen,« rief Hans.
Römer besah die Blumen. »Das soll der Empfangsstrauß sein?« sagte er, »das ist ja gar nicht möglich.«
»Wieso?« fragte die Frau.
»So sieht doch nicht ein Strauß aus für zwanzig Mark; der ist ja unbrauchbar, warum hast du mir denn das nicht gleich sagen lassen?«
»Den Preis wußte ich ja nicht. Klein ist er mir auch vorgekommen, aber doch ganz hübsch.«
»Aber Julie, das ist doch kein Strauß, wie man ihn einer Prinzessin überreicht! Wo ist denn die Rechnung? Nun ja, da siehst du es ja – zwei Mark statt zwanzig Mark. Also eine Verwechslung. Daß du aber so etwas nicht bemerkst, ist mir unbegreiflich! Überreichen kann ich das nicht.«
»Warum denn nicht?« fragte begütigend Frau Römer, »die Prinzessin ist noch jünger als ich, sie wird nicht so genau wissen, wie der Strauß aussehen sollte. Sie wird denken: So macht man sie in kleinen Städten.«
»Ja, wenn alle Menschen diese Dinge so harmlos nähmen und die Prinzessin so wenig verstünde wie du!«
Noch einmal sah der Stadtschultheiß prüfend die Blumen an: »Fort mit, geht unmöglich zum feierlichen Empfang. Lieber gar nichts, als etwas Geringes. Schicke den Strauß in den Gasthof, dort ist er verwendbar. Und nun sieh, daß ich ein wenig Ruhe habe, mir meine Rede zu überlegen; auf dem Rathaus war keine Möglichkeit dazu.«
Der Stadtschultheiß begab sich in das abgelegenste Zimmerchen der Wohnung, in das stille Gastzimmer; der kleine Hans wurde zu Anne hinuntergeschickt, die inzwischen einen ganzen Arm voll Tannenzweige herbeigeschleppt hatte und sich bemühte, das an der Hausmauer aufgeschichtete Holz damit zu verdecken. »Behalte den Kleinen, Anne, mein Mann will Ruhe haben,« sagte die junge Mutter.
Kaum ein paar Minuten vergingen, da kam ein Polizeidiener auf das Haus zu. »Ist der Herr Stadtschultheiß droben?« fragte er.
»Ja,« sagte Anne zögernd und ebenso zögernd bejahte es droben die junge Frau. »Ich habe zu melden, daß die Wäscherin Matzbeck Wäsche aufhängt an der Bahnhofstraße, und möchte den Herrn Stadtschultheiß fragen, ob das zu beanstanden ist?«
»Mein Mann ist an der Arbeit,« sagte die Frau, »können Sie der Wäscherin nicht gute Worte geben, daß sie das lassen soll bis morgen?«
»Frau Stadtschultheiß, die Matzbeck ist eine brutale Person und ehe man sich mit ihr einläßt, ist’s besser, daß man weiß, wie der Herr Stadtschultheiß darüber denken.«
Leise trat die junge Frau bei ihrem Mann ein. »Nur einen Augenblick,« sagte sie, und berichtete von des Polizeidieners Meldung. »Sage dem Polizeidiener, die Straßen seien sonntäglich zu halten, hat er es doch selbst ausgeschellt. Am Sonntag wird keine Wäsche aufgehängt.«
Mit diesem Bescheid zog der Polizeidiener ab. Auf der Treppe begegnete ihm der Ratsdiener, ein würdiger älterer Mann. Auch er wollte den Stadtschultheißen sprechen.
»Es muß wohl jetzt sein?« fragte die Frau Stadtschultheiß. »Ja, dringend. Der Schultheiß von N. hat sagen lassen, daß ein Wagen voll Pulver durch unsere Stadt kommen werde.«
»Schadet denn das etwas?«
Der ergraute Ratsdiener sagte fast herablassend: »Ja, Frau Stadtschultheiß, ein Wagen Pulver und Prinzen und Feuerwerk im Städtchen paßt nicht zusammen. Bitte melden Sie es dem Herrn Stadtschultheiß.« Wieder öffnete die junge Frau sachte die Tür des Gastzimmerchens. Etwas gereizt wurde sie da empfangen. »Wenn du die Türe auch leise aufmachst, das hilft mir nichts, ich werde doch aus meinem Gedankengang gerissen. Was gibt es schon wieder?«
»Der