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Die Musikantenstadt. Max Geißler
Читать онлайн.Название Die Musikantenstadt
Год выпуска 0
isbn 9788711467701
Автор произведения Max Geißler
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
„Ein gescheit’s Weib muss der Mensch haben. Das ist die Hauptsache; dann kann ihm nix geschehen.“
Die Annemirl lachte so in sich hinein und machte sich’s ebenfalls bequem im Moos; sie liess sich liegend auch den Goldstrom über den Rücken rinnen.
„Es muss einer sich erholen,“ sagte sie, „von dem, was er ausgestanden hat. Ist das etwa gelogen gewesen, wenn ich hab zu dem Grünen gesagt, eine schwere Stund ist das?“
Der Pechschaber lachte: „Ich sag’s ja: ein gescheit’s Weib —“
„Pechschaber, dir ist das eingefallen, dir! Gut ist’s gewesen. Darum: wenn der Mann auch ein bissel gescheit ist, so ist’s kein Schad.“
So stritten sie sich eine Weile leis und vergnügt, und jeder Teil wollte, dass der andere der klügere sei. Dann sagte der Pechschaber:
„Annemirl, weisst du was?“
„Nix weiss ich.“
„Unsere Gescheitheit kommt auf eins hinaus; denn dass wir das Landfahren mit heut aufstecken, das ist uns beiden zugleich eingefallen, — und das ist das beste! Ich bin so lustig darüber, dass ich dem Bergwald gleich mein löchernes Blasholz schenken tät, wenn er eins brauchete. Macht aber selber eine Musik, der Wald, und eine gottlos feine, Annemirl! Weisst du, wenn unsereiner landfahren und mit seinem Musikantentum sich ein Geld verdienen will, so muss er noch viel gescheiter sein als wir zwei.“
Die Frau sah den Pechschaber verwundert an:
„Noch gescheiter? Wie meinst du denn das?“
„Na, der Mann muss sich halt eine Weibsperson mit mindestens einem Holzbein heiraten. Noch besser sind zwei Holzbeine. Denn je lahmer sie ist, desto mehr bringt sie Geld. Für unsere arme Kunst, weisst du, da sind die Leut in dieser hellen Zeit zu aufgeklärt. Darum — nutzt alles nix: der Pechschaber und die Annemirl werden von heut an sesshaft.“
2.
Wie der Pechschaber und sein Weib auf dem Sammetbette des Mooses sich’s noch wohl sein liessen und die goldenen Decken des Lichts über ihnen lagen, stieg der Grenzwächter mit einer kleinen behäbigen Waldhäuslerin den Tannenhang wieder empor. Die Frau hatte ein schwarzes Täschlein am Arm und arbeitete sich pustend hinter dem Grenzwächter die Steile hinan. Das war die Frau Dorothea Bratel. Die kannt’ ein jeder im Umkreis. Aber bei ihrem Namen nannte sie gewiss keiner; und wer nach der Frau Dorothea Bratel gefragt hätte, dem konnt’s geschehen, dass der Mann, mit dem er redete, den Kopf schüttelte: „Dorothea Bratel? So heisst daheroben niemand!“ Und zu allem war sie noch das Eheweib des Gemeindevorstehers vom Walddorfe.
Die Leute nannten sie die schwarze Kreuz-Frau; denn der Platz vor ihrem Hause hiess das schwarze Kreuz.
Und eben diese kleine behäbige Dorothea Bratel wackelte um jene Stunde mit dem Manne von der Grenzwacht durch den taufeuchten Wald, um zu helfen, wie es ihres Amtes war.
Wie sie an die Stelle kamen, auf der sich das Seltsame hatte zutragen wollen, da waren dort die Nadeln wohl von schweren Nagelschuhen zerschürft, aber — es war niemand da.
Der Grenzwächter putzte sich die Augen und spähte umher; er ging dahin und dorthin, er rief — es war niemand da.
Da setzte sich die Frau vom schwarzen Kreuz neben ein Fichtenstämmlein auf den Waldgrund und lachte mit ihrer ganzen behäbigen Fülle; denn der schwarze Kreuzmann hatte eine gescheite Frau. Die verriet dem Grenzwächter nicht, was ihr so rasch klar geworden war; ein Grenzwächter muss nicht alle Schlauheit der Schwärzer erfahren; denn ein Grenzwächter ist der Waldleute Feind.
Wie sie sich ausgelacht hatte, biss sich der Mann die Lippen immer noch und kaute an seinem Schnurrbarte. Frau Dorothea Bratel aber sagte:
„So wird der Wächter etwa gar ein Gesicht gehabt haben! Es spukt um die Mittsommerzeit im Wald, und Wunder geschehen da — es glaubt einer gar nicht, wie viel! Was die alte Steinhöferin ist, die ob dem schwarzen Kreuz wohnt, die weiss etwas davon zu erzählen. Aber nun, Herr Finanzer,“ — Frau Bratel richtete sich am Fichtenstämmlein empor — „Zeit zum Schwätzen hat unsereiner nicht! Ich mach wieder den Berg hinein; zuvor aber möcht’ unsere Sach richtig werden; zwei Gulden krieg ich — das ist die Tax!“
Die zwei Gulden hat der Grenzwächter nach einer peinlichen Hin- und Widerrede bezahlt. Aber im Forst über dem Dorfe hat ihn kein Schwärzer wieder gesehen. Wie er erfuhr, dass ihm sein mitleidig Herz einen Streich gespielt habe, ist er um Versetzung eingekommen. Vier Wochen, nachdem dies geschehen, war er fort, der ‚gute Grenzwächter‘. Der nun kam, war der ‚schlimme‘. Den hat der Pechschaber — doch, mit dem treffen die Waldleute ja noch zusammen ...
3.
Wie die Frau wieder im Haus beim schwarzen Kreuz sass und ihrem Manne, dem Schachtelmacher und Gemeindevorsteher Vinzenz Alois Bratel, vergnügt die zwei Silbergulden auf den Tisch schlug, warfen der Pechschaber und sein Weib im Waldesdickicht die goldenen Decken ab. Die Annemirl hing den Geigensack über den Rücken und schüttelte sich das Moos aus dem Rock. Der Mann rückte sich das grüne Spitzhütlein zurecht, schob sein Blasrohr unter den Arm und die Hände in die Taschen.
So zogen sie hernieder ins Tal, schritten über das tosende Wildwasser, das Gold und Silber über die Steine warf und — unter farbenbunten Bogen aus blitzendem Staub — durch den klingenden Morgen fiel, schritten beim Kreuz vorbei und rasteten auf der Holzbank droben vor einem kleinen Hause. Das stand am Hang auf der Waldblösse. War ein graues Genist und hatte ein moosgrünes Schindeldach. Darin wohnte die Steinhöferin, ein Weiblein — es wusste kaum einer, wer älter war, das Haus oder die Frau.
Die kam heraus, wie sie die Musikanten reden hörte und sagte:
„Grüss Gott, Pechschaberleut! Seid’s da?“
„Ja,“ sagte die Annemirl, tat das kattunene Kopftuch ab und strich sich mit der feuchten Hand die Scheitel glatt. Aber der Girgl schlug in seine Hände, dass ein Schall durch den Bergwald rannte.
„Da sind wir, und da bleiben wir! Steinhöferin, weisst du, was das ist: wegemüde sein und heimatsehnsüchtig? Weisst du, was das heisst: wir zwei, wie wir da vor dir stehen, sind landfahrend gewesen von Kindheit an und haben uns nichts erspielt als ein paar windige Lumpen auf den Leib, ein paar zerrissene Schuhe an die Füsse und ein Waldheimweh ins Herz? — Auf der Landstrasse liegen, das heisst: ohne Glück und ohne Stern sein wollen sein Lebtag. Und nun grüss dich Gott, Steinhöferin! Da sind wir, und da bleiben wir!“
So ist der Pechschaber mit seinem Weibe sesshaft geworden.
4.
Der Pechschaber und die Annemirl hatten einen Kaffee gekocht und rasteten sich von der Wegfahrt ein wenig aus. Dann besahen sie sich den Hausrat, den ihnen die Steinhöferin mit ihrem Stüblein vermietet hatte. In der Ecke stand eine Bettstatt mit frischem Stroh und einem Sackleinen darüber. Der Pechschaber drückte die Fäuste auf das Stroh; da tat die Bettstatt einen Seufzer. Aber der Mann redete ihr vergnügt zu: „Wegen einem bissel Arbeit, das nun wieder zu tun ist, schreit einer nicht gleich auf!“
Es war auch ein Schrank da, oben mit zwei kleinen Glastüren.
„Dahinter kommen die feinen Tassen zu stehen mit den Silbersprüchlein,“ scherzte die Annemirl; und weil die Mittagsonne so golden durch die niederen Scheiben schaute, blickte der Pechschaber sein Weib froh an.
„Annemirl,“ sagte er, „bildsauber bist mir nun aber doch geblieben! Und ist gleich lange der Staub der Landstrasse auf dich gefallen — deine blanken braunen Augen hast du wiederum hereingetragen. Und das nussbraune Sechserlein auf der Stirn auch“ —
Der Pechschaber griff danach und drehte sich