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      Dr. med. Christoph Schenk

      Blaulicht und Blutmond

      - Im Einsatz zwischen Leben und Tod -

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      Über den Autor

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      Dr. med. Christoph Schenk

      Jahrgang 1965; Abitur in Wolfenbüttel; Medizinstudium in Marburg; Facharzt für Allgemein- & Unfallchirurgie, Notfallmedizin; seit 2019 „Ärztlicher Leiter Rettungsdienst“ im Landkreis Harz.

      Über den Inhalt

      Dr. med. Christoph Schenk ist seit 1996 als Notfallmediziner mit Blaulicht und Martinshorn unterwegs. In seinen Bestseller-Büchern beschreibt er temporeich und feinfühlig Notfalleinsätze, die ewig in seiner Erinnerung bleiben werden. Mal war das Erlebte besonders kurios, manchmal ausgesprochen tragisch. Dabei ist der Autor authentisch und immer nah bei seinen Patienten und deren Angehörigen.

      Für meine Söhne und TT.

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      Hinweis

      Zur besseren Lesbarkeit schreibe ich in meinen Geschichten von „Sanitätern“ oder kurz: „Sanis“.

      Die korrekten Berufsbezeichnungen dieser nicht-ärztlichen Rettungsdienstmitarbeiter*innen lauten: Notfallsanitäter*in, Rettungsassistent*in und Rettungssanitäter*in (in absteigender Reihenfolge der Qualifikation und Ausbildungsdauer).

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      Jump

      Kurz vor Dienstende piept es. Ich hole den Alarmmelder aus der Kitteltasche und lese auf dem Display:

      „männlich, 52, Unfall, Kreisstraße 76, Klein Dehlum“

      Schnell den weißen Kittel gegen die rote Jacke tauschen und runter zur Klinikpforte. Nach einer Minute Wartezeit im kalten Nieselregen braust Daniel mit dem signalroten Passat um die Ecke.

      „Das ist doch genau das Wetter, was man sich für eine anständige Straßenrettung wünscht. Nieselregen, vier Grad!“ begrüßt mich der Sani.

      „Ich wünsche mir Feierabend! Und eine Mütze! Sonst nichts!“ entgegne ich.

      Unsere Fahrt bis zur genannten Einsatzstelle dauert gut 18 Minuten. Die Sicht- und Straßenverhältnisse sind katastrophal. Als wir Klein Dehlum endlich erreichen sehen wir schon aus der Ferne orangenes Blinklicht. Dazwischen einzelne Blaulichter. Daniel schlängelt sich am Stau der vor uns stehenden Autos vorbei, bis wir hinter einem einzelnen Polizeiauto parken, vom Rettungswagen keine Spur.

      Ich steige aus dem Auto aus, schnappe mir den Notfallrucksack und das EKG. Es ist eisig kalt. Ein fieser Ostwind fegt über den kleinen Ort, dazu der Regen. Richtig mies.

      Daniel und ich laufen in Richtung der beiden Polizisten. Sie stehen bei einem Mann, der komplett durchnässt auf der Straße liegt. Neben dem Verletzten hockt eine Frau, die ihm die Hand hält und unablässig auf ihn einredet:

      „Klaus, es wird alles gut!“

      „Klaus, bleib bei mir!“

      „Klaus, wir schaffen das!“

      Ich stelle mich knapp vor, dann berichtet mir der ältere der beiden Polizisten was passiert ist. Ich wende mich unserem Patienten zu.

      „Hallo, können Sie mich hören?“

      „Klaus, antworte doch!“ fordert ihn seine Frau auf.

      Der Mann öffnet träge die Augen.

      „Ja, ich kann Sie hören.“

      „Was tut Ihnen weh?“, frage ich weiter und taste nach Klaus’ Puls am Handgelenk, den ich zum Glück kräftig unter meinen Fingern spüre.

      „Nur mein Rücken.“

      „Daniel, gib Sauerstoff. 15 Liter. Und hol dann die Wärmefolie! Und bring noch eine Einmaldecke mit!“, bitte ich den erfahrenen Sani und dann weiter zu Klaus:

      „Ich untersuche Sie jetzt rasch hier draußen. Wenn der Rettungswagen da ist, gehts gleich ins Warme! Bitte bewegen Sie sich nicht!“

      Meine kurze Untersuchung ergibt folgende Befunde: heftige Schmerzen im Bereich der Brustwirbelsäule, sowie eine Fehlstellung am rechten Handgelenk und reichlich Schürfwunden. Sonst scheinbar nichts! Keine schwere Blutung, kein Hinweis auf eine Lungen-, Bauch- oder Schädelverletzung, keine Lähmungen.

      Daniel ist zurück.

      „Ich lege jetzt den Tropf. Wickle Du den Mann in die Wärmefolie ein. Die beiden Polizisten können die Einmaldecke als Regenschirm über uns halten!“

      Mit eiskalten, klammen Fingern geht mein erster Versuch, eine Vene zu punktieren, voll in die Hose. Der zweite klappt. Infusion läuft. Endlich trifft nun auch der RTW ein.

      „Kümmert Euch bitte um den Halskragen! Danach eine Schiene an den rechten Unterarm. Ich gebe gleich noch Schmerzmittel und dann legen wir den Mann gemeinsam auf die Vakuummatte!“

      „Fentanyl?“, fragt mich Daniel.

      „Lieber Ketanest und Dormicum!“, antworte ich.

      Während die beiden RTW-Sanis vorsichtig erst den straffen Kragen um Klaus’ Hals und Nacken legen und danach den gebrochenen Unterarm stabilisieren, gibt mir Daniel nacheinander die zwei Medikamente. Kurze Zeit später legen wir unseren Patienten ganz behutsam zu viert auf die Vakuummatte. Er bekommt davon nichts mehr mit. Auch nicht davon, dass wir ihn im Auto zu zweit an unseren Überwachungsmonitor anschließen.

      Blaulicht an und los.

      Auf der Fahrt in die Unfallchirurgie untersuche ich Klaus nochmal von Kopf bis Fuß, finde aber auch jetzt keine weiteren Verletzungen. Sein Kreislauf ist unverändert stabil. Eine gute halbe Stunde später erreichen wir unser Ziel. Einsatz beendet.

      Rückschau - Was war Klaus widerfahren?

      „Ja, ja! Mir gehts gut. So gut wie lange nicht mehr! Ich freue mich auf das Wochenende zuhause. Endlich mal wieder im eigenen Bett schlafen. Nach so langer Zeit!“

      „Na dann genießen Sie die Zeit mit Ihrer Frau. Ich wünsche Ihnen zwei schöne Tage. Wir sehen uns dann am Montag wieder!“

      Klaus reicht Frau Dr. Müller die Hand und verlässt das Arztzimmer.

      „Schön, wie er sich entwickelt hat. Vor einem halben Jahr sah das ja noch ganz anders aus!“, denkt sich die Psychiaterin und wendet sich dem Aktenstapel auf ihrem Schreibtisch zu.

      Marion geht zur gleichen Zeit aufgeregt im Foyer der Landesklinik auf und ab. Sie ist mit Klaus schon fast 28 Jahre verheiratet.

      Seit einem halben Jahr ist ihr Mann aber nicht mehr zu Hause gewesen.

      Im Herbst vergangenen Jahres war es, als Klaus sich das Leben nehmen wollte. Mit Tabletten. Unmengen von Tabletten. Er schluckte alles was er fand: Blutdruckmittel, Paracetamol, Erkältungsdragees und Aspirin. Insgesamt fast 100 Pillen. Dazu eine halbe Flasche Wodka. Marion kam damals gerade noch rechtzeitig vom Sport zurück. Sie fand Klaus bewusstlos im Wohnzimmer vor dem Sofa liegend. Auf dem Tisch vor ihm die leeren Tablettenschachteln, der Rest vom Wodka und ein Abschiedsbrief. Darin stand in knappen Worten mit krakeliger Handschrift:

      „Ich kann nicht mehr. Meine Kraft ist am Ende. Verzeih mir was ich tue! Es gibt für mich keinen anderen Ausweg. Ich wünsche Dir viel Glück! Dein Klaus.“

      Nach

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