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Ulrike das schwarz Schaf im Internat. Marie Louise Fischer
Читать онлайн.Название Ulrike das schwarz Schaf im Internat
Год выпуска 0
isbn 9788711719374
Автор произведения Marie Louise Fischer
Издательство Bookwire
Aber es wurde alles anders, ganz anders, als sie es sich vorgestellt hatte.
Die Fahrt ins Allgäu war herrlich. Unter den zwanzig Schi-Anfängerinnen, die teilnehmen durften, herrschte eine erwartungsfrohe, übermütige Stimmung, die selbst Fräulein Faust ansteckte.
Ulrike saß neben Gaby, der sie großzügig den Fensterplatz überlassen hatte. Aber bald darauf begann es ihr schon etwas leid zu tun, denn die Landschaft draußen wurde von Kilometer zu Kilometer reizvoller. Je weiter der Bodensee zurückblieb, desto dicker wurde die Schneedecke. Der Omnibus schob sich langsam in eine winterliche Berglandschaft hinauf. Personenwagen mit aufgeschnallten Schiern überholten ihn. Die Mädchen winkten vergnügt hinunter. Es wurde gesungen, gelacht und gealbert, und selbst Ulrike, die sonst immer so sehr auf ihre Würde bedacht war, machte vergnügt mit.
Nach einer Weile wurden alle ruhiger. Die Gespräche verstummten allmählich, und nur eine Gruppe Unentwegter ganz vorn im Wagen sang weiter. Ulrike holte sich ein Buch aus ihrem Rucksack und versuchte, trotz des Schaukelns zu lesen; Gaby begann zu futtern.
Sie waren etwa vier Stunden gefahren, als Fräulein Faust weithin vernehmbar verkündete: „Jetzt kommt Immdorf … der Ort, zu dem unsere Schihütte gehört!“
Alle Nasen preßten sich gegen die Fensterscheiben, und auch Ulrike ließ ihr Buch sinken, richtete sich auf, um über Gaby hinweg nach draußen zu sehen.
Ein kleines Dorf lag inmitten der tief verschneiten Winterlandschaft.
Ulrike war im ersten Augenblick enttäuscht. Aber als der Omnibus in die Hauptstraße einbog, besserte sich ihre Stimmung wieder. Fast war alles so, wie sie es sich erträumt hatte. Es gab Hotels und Cafés, Läden mit modischen Artikeln und Andenken.
„Toll, wie?“ sagte Gaby, ehrlich begeistert.
„Ganz passabel“, gab Ulrike zu.
„Ihr werdet nicht oft Gelegenheit haben, hier herunterzukommen“, erklärte Fräulein Faust, „die Schihütte liegt weiter oben … und ganz einsam.“
Mit einem Plumps ließ Ulrike sich auf ihren Sitz zurückfallen. „So habe ich mir das vorgestellt“, stöhnte sie.
Aber dieser Stoßseufzer ging in dem allgemeinen Stimmengewirr unter, das durch Fräulein Fausts Erklärungen ausgelöst worden war.
Der Omnibus schraubte sich höher und höher. Dann, ganz plötzlich, endete die Straße auf einer Art Plattform. Der Omnibus hielt mit einem Ruck. Diejenigen, die neugierig aufgestanden waren, mußten sich krampfhaft festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Manche landeten auf dem Schoß ihrer Nachbarin.
„Fertigmachen zum Aussteigen!“ rief Fräulein Faust überflüssigerweise. Denn die meisten Mädchen hatten schon Rucksäcke und Taschen zusammengerafft. Jede wollte so rasch wie möglich nach draußen.
Gaby und Ulrike gelang es, mit den Allerersten ins Freie zu kommen. Sie rannten sofort an den Rand der Plattform und stellten mit Begeisterungsrufen fest, daß man von hier aus eine wunderbare Aussicht über verschneite Täler, ferne Kirchturmspitzen und prachtvolle Berge hatte.
Ulrike war die erste, die auf den Gedanken kam, sich nach der anderen Seite umzusehen. „Wo ist denn die Hütte?“ fragte sie verblüfft.
„Weiter oben“, erklärte Fräulein Faust, „es führt ein Weg hinauf, aber der ist für den Omnibus zu schmal.“
„Auch das noch“, ließ Ulrike sich vernehmen.
„Wenn es dir nicht paßt, Ulrike“, sagte Fräulein Faust ärgerlich, „hättest du in Hartenstein bleiben sollen.“
Ulrike zuckte die Achseln. „Eine Reporterin muß eben Strapazen auf sich nehmen.“
„Müssen wir unser Gepäck hinaufschleppen?“ fragte jetzt auch Eva Klostermann, ein Mädchen mit langen Zöpfen, das in einem anderen Hause wohnte, aber mit Ulrike und Gaby in die gleiche Klasse ging.
„Das Handgepäck ja“, sagte Fräulein Faust, „die Schier und alles andere wird hinaufgebracht. Also los, Mädel, wir wollen doch vor Dunkelheit unter Dach sein!“
Sie wandte sich ab und begann den schmalen, halb verwehten Pfad hinaufzustapfen. Die Mädchen folgten ihr, je nach Temperament langsam oder schneller.
Ulrike, Gaby und Eva blieben zusammen. Aber sie mußten oft stehenbleiben, um sich zu verschnaufen. Ulrike tat sich verhältnismäßig leicht, weil Traudel Simson ihr einen Rucksack geliehen hatte.
Sie hatte ihn gar nicht so gern genommen, weil sie ihn „kindisch“ gefunden hatte. Jetzt, nachträglich, war sie Traudel dankbar dafür. Gaby und Eva, die ihre Habseligkeiten in Taschen verpackt hatten, mußten sich bei diesem steilen Aufstieg sehr plagen.
„Gut, daß Gerti nicht mit ist“, sagte Gaby, als sie wieder einmal stehenbleiben mußte, „die hätte bestimmt schon zu weinen angefangen!“
„Und wir hätten ihr Gepäck mitschleppen müssen“, stimmte Ulrike zu.
Gerti Moll hatte keine Erlaubnis von ihrem Vater bekommen, und auch Katja war nicht mitgekommen; sie würde später mit den Fortgeschrittenen fahren.
Alle, selbst die sportlichsten unter den Mädchen, atmeten auf, als die Hütte endlich in Sicht kam. Fräulein Faust stand schon vor dem Eingang und winkte ihnen zu.
„Beeilt euch! Was ist das für ein Schneckentempo!“
„,Gretchen’ hat gut reden“, murrte Gaby, „die hat längere Beine als wir!“
„Aber schick sieht sie aus, was?“ sagte Eva.
Tatsächlich kam Fräulein Fausts durchtrainierte sportliche Figur im Schianzug ausgezeichnet zur Geltung. Ihr frisches junges Gesicht war vom raschen Aufstieg erhitzt, ihr kurzgeschnittenes blondes Haar, jetzt ein wenig zerzaust, ließ sie weicher und weiblicher erscheinen als sonst.
„Sprüht nur so vor Energie“, murmelte Ulrike, „paßt auf, die wird uns noch was aufzulösen geben!“
Und damit hatte sie recht. Fräulein Faust gab den Mädchen weder Zeit noch Gelegenheit, sich zu verschnaufen, denn sie wußte, daß es dann schwer sein würde, sie wieder in Trab zu setzen. Kaum, daß die ersten Mädchen die Hütte betreten hatten, wurden sie schon losgeschickt, ihre Schlafsäcke nach oben zu bringen, und als Ulrike, Gaby und Eva, die sich beeilt hatten, wieder herunter kamen, mußten sie Wasser schleppen und Holz hereinholen.
Eva und Gaby lachten und schimpften. Für sie war alles neu und aufregend. Sie merkten gar nicht, wie Ulrike stiller und stiller wurde. Tatsächlich war Ulrike so maßlos enttäuscht, daß sie am liebsten losgeheult hätte, wenn das nicht gegen ihre Ehre gegangen wäre.
Sie fühlte sich furchtbar hereingelegt. Zwar war auf der Burg Hartenstein immer nur von einer Schihütte gesprochen worden, aber wie anders hatte sie sich alles vorgestellt! Nie hatte sie sich träumen lassen, daß sie in einer wirklichen Hütte untergebracht werden würden.
Es gab auf dem Almkogel weder elektrisches Licht noch fließendes Wasser, keinen Eisschrank und nur einen Kohlenherd. Es war ein richtiges hölzernes Blockhaus, sehr romantisch, wenn man nicht darin zu leben brauchte.
Ulrike begriff gar nicht, wieso die anderen das noch spaßig finden konnten. Aber tatsächlich schienen alle, außer ihr, hell begeistert.
Die Hütte hatte unten einen großen Aufenthaltsraum mit einem riesigen Kachelofen, daneben eine kleine Küche. Eine schmale Leiter – sage und schreibe eine Leiter! – führte in den Schlafraum im ersten Stock. Dort lagen zwanzig Strohsäcke auf dem Fußboden, und da die Wände schräg waren, konnte man nur in der Mitte aufrecht stehen. Nur Fräulein Faust hatte nebenan ein kleines Zimmer für sich. Es gab