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„gehorsamste“, in Wahrheit etwas boshafte Anfrage war ohne Antwort geblieben. Deshalb kümmerte sich Hauptmann Tonidandel nicht weiter um den Befehl, noch weniger um die „gepfefferte“ Bemerkung des Regimentskommandanten, und Herr Attilius ließ die „Krompir“ Stauden wachsen, wie sie wollten.

      In der Stabskanzlei des todlangweiligen Garnisonstädtchens „mopste“ sich eines melancholischen Herbsttages Tonidandel wieder ganz erschrecklich, als unerwartet und sehr aufgeregt sein Freund, der jüngere Hauptmann Adolar Pegan, ein kleiner, dicker Mann, eintrat, atemringend grüßte und fürchterlich in einem Gemisch von deutschen und serbischen Worten über die verdammten Grenzer fluchte. Und stöhnend erstattete Pegan Kapport, daß in den Ackern nicht eine einzige Grundbirne vorgefunden werden konnte; daher der größte Teil der Kompagnie Stockprügel erhalten habe. Pfeifend und rasselnd holte Pegan, der einen Satthals hatte, Atem. Herr Attilius Tonidandel blieb ruhig auf dem zerrissenen Ledersessel sitzen, lachte vergnügt und fragte, was denn die Teufelskerle mit dem gratis verabreichten „Kartoffelsamen“ getan hatten.

      Herr Pegan rief erbost. „Schnaps wollten sie brennen, die Sramjes

       (Schandkerle)! Das ist ihnen aber nicht gelungen!“

      „Glaub' ich gern! Kann es den Kerls auch nicht verübeln, daß sie von ‚Krompir‘ nichts wissen wollen! Mir persönlich ist ein knusperig gebratenes Spanferkel allemal lieber als der schönste Erdapfel!“

      Pfeifenden Atems schmetterte Pegan aus dem dicken Halse. „Aber Befehl ist Befehl! Regimentsbefehl dazu! Und der Oberst hat zuweilen den Teufel im Leib! Ganz totprügeln kann ich die Kerle doch nicht lassen! Was aber machen, Herr Bruder?“

      „Ruhig abwarten, Herr Hauptmann und Bruder! Abwarten, bis es dem Chef beliebt, Antwort auf meine Frage vom Mai zu geben! Der Oberst hat sich seither Zeit gelassen, also tun wir desgleichen! Nur nichts überhudeln, Herr Bruder! Und nicht aufregen, lieber Pobratim (Wahlbruder)! Darüber, wie unsere Grenzer zu Liebhabern der Erdäpfel gemacht werden können, soll sich nur das Regimentskommando oder Exzellenz, der alles wissende und nie sichtbare General in Agram, den Kopf zerbrechen! Wir tun es nicht in dem öden Nest außerhalb der Welt!“

      Ein Posthornsignal wurde hörbar. Die militärische Poststaffette aus Karlstadt war in S. angekommen, die täglich einmal die Befehle des Regimentskommandos überbrachte.

      Und Tonidandel schickte den Kompagnieschreiber Jovo hinab, den Postbeutel in Empfang zu nehmen. Dann wandte sich Attilius gelassen zum

       Freunde Pegan und bewirtete ihn mit einem Gläschen guten Pflaumenschnapses (Slibowitz).

      Pegan dankte und leerte das Glas auf einen Schluck. Und mit seiner fetten Stimme beteuerte er. „Pobratim! Bleibt ewig wahr in Kroatien: ‚Der beste Witz ist der — Slibowitz.‘ Auf Dein Wohl, Herr Hauptmann!“

      „Weiß schon, wie es gemeint ist: repetatur! Ist das einzige lateinische Wort, das in meinem Gedächtnisse haften geblieben ist! Živio pobratim! (Hoch Bruder!)“ Und Attilius schenkte das Glas abermals voll, mit so

       ruhiger Hand, daß kein Tropfen daneben floß.

      „Danke, Herr Hauptmann! Ich staune über deine ruhige Hand. Noch mehr bewundere ich aber deine Gelassenheit. Wo doch die — Wische von der Regimentskanzlei soeben angekommen sind! Sicherlich für uns im ‚Exil‘ wieder unangenehme Befehle, lästige Aufträge, Rackereien. Er aber, der solus altissimus sitzt bequem in Karlstadt!“

      „Still, Bruder! Nicht aufregen über Dinge, die wir nicht ändern können, und für die wir die Verantwortung nicht zu tragen haben. — Noch ein Stamperl (Gläschen) gefällig? Alle guten Dinge sind ihrer drei.“

      Obwohl der Kompagnieschreiber Jovo die Posttasche hereinbrachte und über ihre „Leibigkeit“ etwas disziplinwidrig maulte, ließ sich Tonidandel im Einschenken des dritten Gläschens nicht beirren. Lediglich zu Jovo meinte er. „Maul halten, Schreiber, denn dich hat es nichts zu kümmern, ob die Tasche dick oder mager ist! — Prosit! Du sollst leben, Herr Hauptmann!“

      Jovo grinste und zog sich in seine anstoßende Stube zurück.

      „So, nun wollen wir sehen, was uns das Regimentskommando mitzuteilen hat. Setz' dich, Bruder, auf daß du nicht hinfallst, so der Herr Oberst teufelt!“ Gemächlich nahm Attilius die Schriftstücke heraus, eines nach dem andern, und legte sie auf den wurmstichigen Tisch. Beim Anblick eines Aktenstückes, dessen besonderer Umschlag mit drei roten Kreuzen als „eilig“ bezeichnet war, meinte Attilius sarkastisch: „Ah, der Herr Oberst belieben zu pressieren!“

      Pegan drängelte auf Bekanntgabe des eiligen Befehles.

      „Zeit lassen, Bruder! Nur nicht aufregen, nicht pressieren! Alles Unheil beim Militär kommt vom Überhudeln.“ Langsam entfaltete Tonidandel das Schriftstück und las es durch.

      „Darf ich wissen, Herr Hauptmann?“ rief Pegan neugierig und ängstlich.

      „Freilich! Also hör' zu! Der gnädige Herr Oberst belieben uns mitzuteilen: ‚Nachdem das Generalat mit Dienstbefehl vom … angeordnet hat, daß die Grenzsoldaten wenn nötig unter Zwangsanwendung zum Erdäpfelbau angehalten werden sollen, ihnen Kartoffelsamen unentgeltlich verabreicht wurde, sieht sich das Regimentskommando veranlaßt zu befehlen, daß sämtliche Militärstationskommandanten in der Lika den jeweiligen Starešina[1] unauffällig zu einem Erdäpfelessen einladen. Des weiteren erfolgt andurch der Befehl, daß die Herren Offiziere den Grenzsoldaten bezüglich der reifen Erdäpfel Gelegenheit zum Verschaffen geben!‘ — Unterschrift wie immer unleserlich, uns aber bekannt, lieb und teuer!“ Tonidandel lachte trocken und fügte dann die Frage bei, ob der Bruder Pegan den interessanten Regimentsbefehl verstanden habe.

      Schon während der Vorlesung des Schriftstückes hatte sich der zappelige Hauptmann Pegan erhoben. Nun stapfte er auf Tonidandel zu und bat um Ausfolgung des Schriftstückes. „Um den rätselhaften Befehl zu verstehen, muß ich ihn schon selber lesen!“ Hastig überflog Pegan den Ukas. Dann legte er das Schriftstück auf den wurmstichigen Tisch und stöhnte mit fettiger Stimme: „Daß wir den Starešina mit Krompir bewirten sollen, ist verständlich und auch mir einleuchtend. Leicht durchführbare Sache: Beeinflussung der Gemeindevorsteher durch Gaumenkitzel und Magenfüllung; einer sagt's dem andern, und so kommt's unter d' Leut! — Was ich aber nicht verstehe, ist der dunkle Sinn des zweiten Befehlsteils: Gelegenheit zum Verschaffen geben! Was meint der Oberst mit diesen sonderbaren vier Worten? Mir ein Rätsel!“

      Tonidandel reichte dem Freunde Pegan abermals ein Stamperl Slibowitz mit den Worten. „Stärke dich, Bruder, auf daß dein militärisches Gehirn erleuchtet werde! Apropos: Wie lange dienst du schon in der Grenze?“

      „Fragen der Herr Kommandant dienstlich?“

      „Nein! Privatim und als Freund und Bruder.“

      „Na, dann wisse! Sechs Jahre diene ich auf — halbasiatischem Boden mit der Sehnsucht nach Rückkehr auf europäischen Grund!“

      Sarkastisch meinte Tonidandel. „Sechs Jahre! Hm! Da wundert es mich, daß du neben der Tapferkeit und Rauflust unserer Grenzer den Kern ihres Wesens, ihre Haupteigenschaft außer Dienst noch nicht kennen gelernt hast!“

      „Wieso? Was meinst du, Bruder? Worin besteht die Haupteigenschaft der Grenzer?“ Neugierig richtete Pegan den Blick auf den Freund und

       Vorgesetzten.

      „Die hervorstechendste Eigenschaft unserer Grenzer werde ich dir nicht nennen! Du sollst sie aus der Praxis kennen lernen, um sie dann für deine Lebenszeit in der Erinnerung zu behalten! Auf Wiedersehen heut' abend präzis sieben Uhr auf meiner Bude! Präzis sieben, ja nicht später! Laut Regimentsbefehl!“

      „Schon wieder ein Rätsel? Was ist los? Weshalb forderst du ‚präzises Erscheinen‘ zu einer Stunde, die doch mit dem Dienst nichts zu tun haben kann?“

      „Will ich dir als Dienstgeheimnis anvertrauen! Wir zwei essen punkt sieben Uhr privatim eine gebratene Gans, um dreiviertel acht Uhr aber essen wir dienstlich militärärarische Erdäpfel mit unserem Starešina laut Regimentsbefehl! Verstanden, Herr Bruder?!“

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