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überlassen konnte.

      Er warf noch einen Blick in den Spiegel, bevor er sein Schlafgemach verließ, um im Nebenraum sein Frühstück einzunehmen.

      Im Spiegel erblickte er eine schlanke hochgewachsene Gestalt, die ihm heute ein wenig gebeugter als sonst erscheinen wollte. Er betrachtete sich, wie er einen Fremden angesehen hätte, den er einschätzen wollte.

      Sein Gesicht war schmal und ebenmäßig. Sein kräftiges Kinn zeugte von Willenskraft und Energie. Der Mund war fein gezeichnet und bezeugte seine Sensibilität. Helle blaue Augen blickten scharf und durchdringend. Das fast schwarze Haar begann an den Schläfen langsam silbern zu werden, erste Zeichen herannahenden Alters.

      Unwillig runzelte er über seinen eigenen Anblick die hohe, klare Stirn.

      König Rudolf war ein gutaussehender Mann und erschien gewöhnlich jünger, als er den Jahren nach zählte. Jetzt aber machten die deutlichen Zeichen tiefer Erschöpfung ihn um einiges älter.

      Unwillkürlich straffte er sich ein wenig, als er endlich festen Schrittes den Raum verließ. Den Kopf hoch erhoben, erschien er gleich darauf im angrenzenden Frühstückszimmer.

      Dort wartete neben dem sorgfältig gedeckten Tisch außer einem livrierten Diener bereits sein Adjutant, um den vorgesehenen Terminplan vorzutragen, an wichtige Besucher zu erinnern und seinem König Vorschläge zu machen.

      Rudolf winkte mit der Hand kurz ab.

      »Sparen Sie sich das heute«, sagte er trocken. »Ich habe mich entschlossen, zur Schwarzwildjagd nach Wertach zu fahren.«

      »Aber Majestät«, erwiderte der Adjutant entsetzt, »die Termine! Die Besprechungen sind vereinbart. Majestät haben verschiedenen wichtigen Personen Audienz zugesagt. Es ist ganz und gar ausgeschlossen, diese auf später zu vertrösten. «

      »Was auch gar nicht in meiner Absicht liegt.« Das Entsetzen seines Adjutanten amüsierte Rudolf ein wenig. »Mein Sohn Alexander kann das alles für mich erledigen.«

      *

      »Weißt du, daß du bezaubernd aussiehst, Angelika?« fragte der junge Graf Michael von Seebach seine Begleiterin.

      Angelika saß am Rand eines stillen Waldteiches auf dem moosbewachsenen Boden. Sie hatte die Beine angezogen und ihre Arme darumgeschlungen. Mit dem Rücken lehnte sie am Stamm eines Baumes. Um sich herum blühten die wilden Himmelsschlüsselchen. Es war ein reizendes Bild.

      Angelika, die verträumt auf die ruhige Wasserfläche geblickt hatte, hob den Kopf. Sie blickte in zwei Augen, in denen die Liebe brannte.

      Ganz wenig zog Angelika die Schultern höher und umklammerte ihre Beine fester, als könne sie sich so gegen das Gefühl wehren, das ihr da entgegenschlug.

      Es war das erste Mal, daß ihr eine Ahnung kam, Michael könne ihr mehr als bloße Freundschaft entgegenbringen. Und das verwirrte sie und setzte sie in Verlegenheit, obwohl sie es von Roussillon her gewohnt war, umworben zu werden.

      Aber dies hier war etwas anderes. Michael war ihr nicht gleichgültig wie die anderen Herren. Für Michael trug sie ein warmes, freundschaftliches Gefühl im Herzen, und sie wollte ihn nicht gern verletzen, indem sie ihn kühl zurückwies, noch wollte sie ihn verlieren, wenn er seine Liebe zu ihr als hoffnungslos erkennen mußte. Er war ihr ein so guter, zuverlässiger Kamerad und Freund.

      Sie wandte den Blick zur Seite und blinzelte ein wenig in die Sonne, als habe sie seine Worte nicht gehört, aber er kniete neben ihr nieder.

      »Weich mir nicht aus, Angelika«, sagte er leise, »du hast meine Worte genau verstanden. Soll ich sie wiederholen?«

      Angelika schüttelte den Kopf.

      »Nein, bitte nicht.«

      »Ist es dir so unangenehm, aus meinem Mund ein Kompliment zu hören, Angelika?«

      Sie drehte sich ihm wieder zu.

      »Ach, Michael«, seufzte sie, »weshalb diese Töne? Es kann so vieles zerstören.«

      »Du weißt, daß ich dich gern habe.«

      »Aber ich mag dich ja auch gern, Michael, deshalb laß uns Freunde bleiben wie bisher, ja?«

      »Freunde«, sagte er ein wenig bitter, »ich verstehe! Du weist mich zurück, bevor ich dir gestanden habe, was ich für dich empfinde – und was du längst fühlen mußt.«

      »Nein, O nein, Michael, so ist es ja nicht! Es kommt so plötzlich. Ich wußte nicht…«

      »Wirklich nicht? Dann kannst du mein Gefühl nicht erwidern, wenn du es nicht einmal erkannt hast.«

      »Michael…«, bat Angelika schwach.

      »Schon gut, Angelika! Ich werde dich nicht mit dem Geständnis meiner Liebe behelligen, denn ich möchte deine Freundschaft nicht gern verlieren. Sage mir nur eines: Gehört dein Herz einem anderen? In deiner Heimat vielleicht?«

      Angelika schüttelte stumm den Kopf. Eine feine Röte war ihr in die Stirn gestiegen.

      Graf Michael lächelte erleichtert.

      »So gebe ich die Hoffnung noch nicht auf«, meinte er heiterer als zuvor. »Es ist ja möglich, daß aus Freundschaft auch bei dir eines Tages einmal mehr wird, nicht wahr? Willst du mir diese kleine Hoffnung wenigstens lassen, Angelika?«

      Und Angelika nickte eifrig.

      *

      Cäcilie von Seebach war die stille Zuneigung ihres Sohnes zu der reizenden Prinzessin Angelika nicht entgangen.

      Sie war lange mit sich zu Rate gegangen, hatte das Für und Wider reiflich erwogen und war zu dem Schluß gekommen, daß eine Verbindung Michaels mit Angelika nur von Vorteil für die Seebachs sein würde, zumal Angelika ihr sympathisch war.

      Zwar war sie sich noch immer nicht ganz im klaren darüber, wie die Gesellschaft Christina de Roussillon aufnehmen würde, da diese völlig zurückgezogen auf Rothenstein lebte und es bisher abgelehnt hatte, selbst ein Fest oder einen Ball zu geben, doch glaubte sie nicht mehr an eine Ablehnung Christinas durch die Gesellschaft. An gewissen Anzeichen hätte sie es längst erkennen müssen.

      Offenbar war doch bereits Gras über die alten Geschichten gewachsen, und es schien sich niemand mehr so recht zu erinnern, denn Cäcilie wußte, daß man sich von verschiedenen Seiten schon bemüht hatte, Christina und Angelika einzuladen.

      Bisher aber war Christina noch nirgendwo in der Öffentlichkeit erschienen.

      Fast schien es, als wolle sie sich selbst und Angelika auf Rothenstein verstecken.

      Das paßte nicht ganz in die Pläne Cäcilies, aber vielleicht mußte man nur genügend Geduld haben. Eines Tages würde Christina die selbst gewählte Einsamkeit schon aufgeben.

      Außerdem kam es hier wohl auch mehr auf Angelika an, die eine Prinzessin von Geburt war und damit ohnehin Zutritt bei Hofe haben würde. Überdies würde sie bald Besitzerin von Rothenstein sein.

      Und Cäcilie hätte ihren Michael nicht ungern als Herrn auf Rothenstein gesehen.

      So war sie denn nach Kräften bemüht, das Feuer zu schüren.

      »Du solltest dich ein wenig rarer auf Rothenstein machen, mein Sohn«, sagte sie eines Tages in aller Frühe zu Michael.

      Der drehte sich verwundert zu seiner Mutter um, die plötzlich hinter ihm stand, als er gerade ausreiten wollte

      »Was meinst du damit, Mama?«

      »Ich meine, daß man nicht schätzt, was man als selbstverständlich besitzt«, gab Cäcilie mit leisem Lächeln zurück. »Ich weiß längst, was du für die wirklich reizende Prinzessin Angelika empfindest, aber du wirst niemals ihr Herz gewinnen, wenn du als ihr treuer Vasall ständig in ihrer Nähe bist. Gib ihr endlich Gelegenheit, deinen Wert zu erkennen, mach dich rar, so daß sie dich vermißt.«

      »Du meinst…?«

      Cäcilie nickte. »Du solltest nicht

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