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Kleid aus stumpfer Seide und um den Hals eine mehrreihige Perlenkette, aber sie sah durchaus vornehm aus.

      Mit ausgestreckten Händen ging sie auf Christina zu, um sie zu begrüßen.

      Christina kam ihr lächelnd entgegen, und gerührt von diesem Empfang küßte sie Cäcilie auf beide Wangen und dankte ihr.

      Dann kam Angelika. Kindlich freute sie sich über diesen Empfang, den Graf Michael im stillen ein wenig respektlos mit »großer Bahnhof« bezeichnete. Alle wurden sie Christina und Angelika vorgestellt. Christinas eigenes Personal stand bescheiden im Hintergrund, und Blicke flogen hin und her.

      Graf Michael hatte die Befürchtung, daß es unter der Dienerschaft wohl bald heimliche, dafür aber um so heftigere Kämpfe um die Bedienung der beiden Dämen geben würde; denn daß diese allen gefielen, war offenkundig.

      Angelika hatte bald ebenso wie Christina beide Arme voll Blumen, und als sie zum Schluß in liebenswürdiger Weise allen dankte, da wurde ein lautes »Hoch!« ausgebracht, das eigentlich gar nicht in Cäcilies Plan vorgesehen war und diese für einen Augenblick neidisch die Lippen zusammenpressen ließ.

      Aber sofort wurde Cäcilies Aufmerksamkeit von etwas Unvorhergesehenem in Anspruch genommen.

      Christina war zu Cäcilie zurückgekehrt und wandte der Freitreppe den Rücken zu, allein Angelika stand noch im Hintergrund, da öffnete sich neben der Freitreppe eine verborgene kleine Tür, hinter der ein Gang zu den Wirtschaftsräumen führte, und eine sehr alte, gebeugt gehende Frau mit schlohweißem Haar, in ein langes dunkles, sehr einfaches Gewand gekleidet, kam näher. Auf dem Kopf hatte sie ein altmodisches Häubchen. Das Gesicht war völlig verrunzelt, und nur die alten Augen blickten noch hell in die Welt.

      In den Händen hielt die Alte, die einem Märchenbuch entstammen konnte, einen großen hölzernen Teller. Cäcilie konnte nicht so recht erkennen, was darauf lag.

      Sie biß sich nervös auf die Unterlippe. Das hätte sie voraussehen müssen, daß die alte Anna den feierlichen Empfang stören würde. Seit frühester Jugend hatte diese in unwandelbarer Treue den Rothensteinern gedient, und jetzt genoß sie das Gnadenbrot im Schloß, vom übrigen Personal hoch geachtet.

      Sie hätte wissen müssen, daß Anna trotz ihres Verbotes in ihrem greisenhaften Starrsinn und ihrer im Grunde rührenden Treue und Anhänglichkeit es sich nicht nehmen lassen würde, die von ihr über alles geliebte Christina persönlich willkommen zu heißen und die junge Herrin zu sehen.

      Angelika wandte sich überrascht der Greisin zu und sah deren durchdringende Blicke auf sich gerichtet. Forschend schaute Anna zu Angelika auf, die sich freundlich zu der Alten beugte. Dann ging ein Lächeln über das runzlige Gesicht.

      »Ja«, murmelte Anna vernehmlich in die eingetretene Stille, »du bist eine echte Rothenstein. Zug für Zug deines Gesichts bist du es.«

      Sie streckte die mageren Arme vor. Auf hölzernem Teller lagen Salz und Brot.

      »Nimm von diesem Salz und Brot, daß Segen über deinem Haupte liege, auf daß Glück deinen Eintritt begleite und dich niemals verlasse, solange du auf Rothenstein weilst.«

      Angelika warf einen hilflosen Blick in die Runde. Sie kannte diesen schönen Brauch nicht, aber sie wollte die Alte auch nicht gern enttäuschen.

      Mit sicherem Instinkt tat sie das Richtige: Sie nahm das Brot, brach es, tunkte ein Stückchen davon in das Salz und schob es in ihren Mund.

      Die Greisin lächelte dankbar und irgendwie stolz.

      »Ich wußte doch, daß eine Rothenstein mich richtig verstehen und der alten Anna nicht zürnen würde«, murmelte sie wieder.

      Aus einem plötzlichen Gefühl heraus nahm Angelika ihre Blumen und legte die Hälfte davon in die Hände der Greisin.

      »Danke«, sagte sie hell und lieblich, »ich danke sehr für diesen Empfang und die guten Wünsche. Jetzt weiß ich, daß auch ich eine Rothenstein bin.«

      Die Spannung löste sich, alles lächelte, während die Greisin fassungslos auf die Blumen in ihren Händen starrte und Tränen der Freude und Dankbarkeit aus den alten Augen flossen.

      In diesem Moment hatte Angelika ein unendlich treues Herz für alle Zeiten gewonnen. Und da man auf Anna hörte, konnte sie sicher sein, daß jeder ihrer Wünsche erfüllt werden würde, selbst die, die man ihr von den Augen ablesen mußte.

      Cäcilie war irgendwie befreit. Lächelnd wandte sie sich nun Christina de Roussillon zu und blickte in ein schneeweißes, vor Schrecken fast erstarrtes Gesicht. Christinas Augen gingen an Cäcilie vorbei und hingen an der alten Anna.

      Helene de Ravoux trat rasch an Christinas Seite.

      Das Gesicht der alten Dame hatte sich ebenfalls auf erschreckende Weise verändert. Kalte Entschlossenheit lag jetzt darin, und ein harter Zug veränderte den Mund.

      Helene de Ravoux ergriff leicht den Arm Christinas.

      Der junge Graf Michael hatte die reizende Szene zwischen Angelika und Anna lächelnd beobachtet. Ohne den Kopf zu wenden, sagte er zu Christina: »Jetzt sind Sie an der Reihe, Christina, denn im Grunde ist die alte Anna wohl nur erschienen, um Sie nach so langen Jahren wiederzusehen.«

      Christina de Roussillon fühlte die Knie weich werden. Helene de Ravoux stützte sie unauffällig. Von Helene, die das Unabänderliche, das da auf sie zukam, fühlte, wurde Christina langsam vorwärtsgeschoben.

      Fast willenlos ging die Marquise auf das alte Weiblein zu, das, ein wenig kurzsichtig, wartend dastand.

      Angelika sah der Mutter entgegen, aber ihr Lächeln erstarb, als sie deren schreckensbleiches Gesicht erblickte.

      Christina de Roussillon stand vor Anna.

      Ihre Augen waren verzweifelt, bettelnd und um Hilfe flehend auf die Greisin gerichtet, die von ihr zu Helene und wieder zurückschaute.

      Angelika wandte sich ebenfalls Anna zu.

      »Das ist meine Mutter, Christina

      de…«

      Weiter kam Angelika nicht.

      Hochauf richtete sich das alte Weiblein. Es schien um Zentimeter zu wachsen.

      Die alten Augen schienen zu lodern. Den mageren Arm weit vorgestreckt, kreischte sie mit sich überschlagender Stimme:

      »Christina! Nein …«

      Da war Helene de Ravoux neben ihr. Mit hartem Griff riß sie die Greisin herum, hielt sie fest am dünnen Arm.

      Über die Schulter zu den anderen gewendet sagte Helene, und ihr Gesicht war unnahbar hoheitsvoll: »Es war zuviel für sie. Ich werde mich um sie kümmern.«

      Ohne den Griff zu lockern und ohne sich einzusehen, führte sie die Greisin zur verborgenen Tür.

      Anna ließ sich die Überraschung sekundenlang ihres Willens beraubt, widerstandslos dorthin schieben.

      Erst im Personalgang kam Anna einigermaßen zu sich. So gut sie es mit ihren schwachen Kräften vermochte, versuchte sie, sich von Helene de Ravoux zu lösen.

      »Lassen Sie mich!« keuchte Anna. »Wer sind Sie? Was wollen Sie? Das ist…«

      »Ich bin Helene de Ravoux, die erste Kammerfrau der Marquise und die Erzieherin der jungen Prinzessin. Ich möchte mit Ihnen reden. Führen Sie mich in ein Zimmer, in dem wir ungestört sind.«

      Die Greisin wollte sich aufbäumen, aber ein Blick in das entschlossene Gesicht von Madame de Ravoux ließ sie in sich zusammensinken.

      Sie öffnete am Ende des Ganges eine Tür, die in einen kleinen Personalaufenthaltsraum führte.

      Helene de Ravoux trat an der Greisin vorbei gelassen ein. Hinter ihr schloß Anna die Tür.

      *

      In der Halle war eine sehr verwirrte und überraschte Gesellschaft zurückgeblieben, die minutenlang nicht wußte, wie der Situation zu begegnen sei.

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